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Sie durchquerten das improvisierte Lager, in das die Krieger Crons Hof verwandelt hatte, näherten sich dem Tor und durchschritten es. Es gab tatsächlich einen Wächter, aber wie Titch prophezeit hatte, schlief er tief und fest, wobei er so laut schnarchte, daß sich Skar fragte, wieso der Lärm nicht längst das halbe Lager aufgeweckt hatte.

Er wollte stehenbleiben, als sie den Palisadenzaun hinter sich hatten, aber Titch machte eine rasche, warnende Bewegung und deutete auf eine Felsgruppe, die in der Nacht nur als Ansammlung formloser Finsternis zu erkennen war. Als sie näher kamen, hörte Skar das leise Schnauben eines Pferdes, und unmittelbar darauf trat eine große, in eine silberbestickte Toga gehüllte Gestalt aus der Dunkelheit.

»Ihr kommt spät!« begrüßte sie Cron. »Und ihr macht mehr Lärm als eine Herde wilder Banyas. Warum geht ihr nicht gleich zu den Kriegern und verabschiedet euch von ihnen?«

Titch überging die Bemerkung. »Sind die Pferde bereit?« fragte er.

Cron deutete in die Dunkelheit hinter sich. »Meine drei besten Tiere. Und Nahrung und Wasser für eine Woche.«

»Du scheinst ja plötzlich sehr um unser Wohlergehen bemüht zu sein«, sagte Skar spitz.

Titch blickte ihn erschrocken an, und auch Kiina runzelte verwirrt die Stirn. Aber Skar mußte sich beherrschen, um den Cron nicht auf der Stelle anzugreifen. Es war ihm gleich, ob Cron ihnen half oder nicht, und warum er es tat. Er konnte nur an eines denken: daran, daß er vor wenigen Stunden zusammen mit einem halben Dutzend Männern das unterirdische Verlies verlassen hatte; und daß das riesige schuppige Wesen, das vor ihm stand, höchstwahrscheinlich einen oder zwei dieser Männer gegessen hatte.

Cron überwand den Unmut schnell, den Skars Worte in ihm wachgerufen haben mußten. »Keineswegs, Satai«, sagte er. »Ich will nur sichergehen, daß ihr nicht zurückkommt.«

»Keine Sorge«, sagte Titch. »Das werden wir nicht - wenn du die Wahrheit gesagt hast. Wenn nicht, komme ich persönlich wieder und töte dich, das schwöre ich dir.« Er machte eine Handbewegung zu Kiina. »Bring die Pferde.«

Cron funkelte ihn an. Aber der Streit der beiden Quorrl ging nicht weiter, wie Skar erwartet hatte; Cron drehte sich einfach auf dem Absatz herum und verschwand so lautlos in der Nacht, wie er gekommen war, und Titch starrte ihm finster nach. »Was ist das, zwischen euch beiden?« fragte Skar. »Eine alte Rechnung?«

»Nicht ganz«, antwortete Titch. »Oder vielleicht doch, ja. Aber wenn, dann ist es eine, die er mit allen Kriegern hat. Er haßt uns alle, und die Krieger am meisten. Er hat diesen Hof ganz allein aufgebaut, mit seinen bloßen Händen. Ihm wurde nichts geschenkt. Uns...« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe dir erzählt, wie die Krieger unseres Volkes behandelt werden, ehe sie Cant verlassen.«

»Und deshalb ist er so verbittert?«

»Nicht nur«, antwortete Titch. »Es gibt Stimmen, die behaupten, Cron wäre in Wahrheit ein Bastard. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber je länger ich ihn kenne, desto mehr glaube ich an dieses Gerücht.«

»Ein Bastard?« Es war das zweite Mal, daß Skar diesen Begriff aus Titchs Mund hörte. Und das zweite Mal, daß er ihn auf so sonderbare Art betonte. »Was soll das sein?«

»Du wirst sie kennenlernen«, antwortete Titch ausweichend. »Sie werden uns helfen, in den Tempel zu gelangen - wenn sie uns nicht vorher umbringen, heißt das.«

Skar kam nicht dazu, eine weitere Frage zu stellen, denn in diesem Moment kehrte Kiina mit den Pferden zurück. Es waren drei riesige, ungemein starke Tiere, die durch ihren stämmigen Körperbau kleiner wirkten, als sie waren. Hinter ihren Sätteln waren prall gefüllte Packtaschen festgeschnallt, und am Sattelzeug des größten Tieres entdeckte Skar einen ledernen Waffengurt, aus dem die Griffe von zwei Schwertern ragten. Eines davon gehörte ihm.

Sie stiegen in die Sättel, wobei Skar sich mit nur einer Hand so ungeschickt anstellte, daß Kiina ihm schließlich wortlos half, und wendeten die Tiere. Titch deutete auf einen schmalen Trampelpfad, der nur ein Dutzend Schritte vom Tor entfernt vom Hauptweg abzweigte und im Wald verschwand.

Aber Skar ritt nicht los. Er drehte sein Tier ganz im Gegenteil mit einemmal wieder um und sah noch einmal zu Crons Hof zurück. Die Männer und Frauen dort drüben würden sterben, wahrscheinlich noch bevor die Sonne aufging. Und es war seine Schuld.

»Es gibt nichts, was du für sie tun könntest.« Titchs Hand berührte fast sanft seinen verwundeten Arm. »Sie wären so oder so gestorben, Skar. Du weißt das.«

Skar streifte seinen Arm ab. »Ich weiß.« Er drehte sich im Sattel herum und machte eine Bewegung, als wolle er sein Pferd wenden, verhielt dann aber im letzten Augenblick noch einmal. »Mein Schwert«, verlangte er. »Gib es mir zurück.«

Titch zögerte, und für einen winzigen Moment war Skar fast sicher, daß der Quorrl wußte, was er vorhatte. Aber dann beugte er sich schweigend zur Seite, löste die lederne Scheide mit dem Tschekal von seinem Sattelgurt und reichte ihm die Waffe. Skar befestigte die Hülle ungeschickt an seinem Gürtel, zog das Schwert hervor und drehte die schmale, glitzernde Klinge in der Hand. Das Gefühl von Stärke und Unbesiegbarkeit, das ihn fast jedesmal überkam, wenn er die Klinge aus unzerstörbarem Stahl zog, blieb diesmal aus. Er fühlte sich nur elend.

»Was hast du vor?« fragte Titch. »Willst du ganz allein zurückreiten und sie befreien?« Der Quorrl versuchte zu lachen, aber es mißlang. Die Worte hatten scherzhaft klingen sollen, aber sie taten es nicht.

Skar sah ihn an, ergriff das Schwert fester und nickte. »Ganz genau das.«

Titchs Augen weiteten sich überrascht, aber er kam nicht einmal mehr dazu, etwas zu sagen. Er war ihm einfach zu nahe, als daß er noch irgend etwas tun konnte. Skar schlug ihm den rubinbesetzten Knauf des Tschekal mit solcher Wucht gegen die Stirn, daß er glaubte, den Schädel des Quorrl knirschen zu hören. Titch seufzte, sank im Sattel nach vorne und drohte vom Pferd zu stürzen. Skar ließ blitzschnell seine Waffe fallen, fing den Quorrl auf und stemmte sich mit aller Gewalt gegen sein Gewicht.

Seine Kraft reichte nicht. Er spürte, wie Titch weiter und weiter aus dem Sattel glitt und nun auch noch ihn zu Boden zu reißen drohte, und zu allem Überfluß begannen nun auch ihre Pferde unruhig zu tänzeln.

»Kiina! Hilf mir!« verlangte er.

Das Mädchen hatte fassungslos zugesehen, was er getan hatte, und es begriff offensichtlich auch jetzt noch nicht ganz, warum er es tat. Aber sie reagierte wenigstens. Mit einer Behendigkeit, die Skar ihr in ihrem Zustand kaum noch zugetraut hätte, lenkte sie ihr Pferd neben das des Quorrl und griff mit beiden Händen zu. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, den Quorrl im Sattel zu halten und in eine Lage zu bugsieren, in der er nicht sofort wieder zur Seite kippte.

»Binde ihn fest!« befahl Skar. »Rasch. Wir beide bekommen ihn nie wieder aufs Pferd, wenn er stürzt!«

»Aber was -?«

»Tu, was ich sage!« unterbrach sie Skar zornig.

Kiina fuhr wie unter einem Hieb zusammen. Aus der Verwirrung auf ihrem Gesicht wurden Zorn und Trotz, aber zu Skars Erleichterung nutzte sie den Moment nicht zu einem ihrer berüchtigten Auftritte, sondern löste gehorsam ein Seil vom Sattel ihres Pferdes und band den Quorrl auf dem Rücken seines Tieres fest, so gut sie konnte.

»Und jetzt verschwindet!« befahl Skar. »Nimm ihn mit und reite eine, zwei Meilen in den Wald hinein. Ich komme nach, sobald ich kann.«

»Warum hast du das getan?« murmelte Kiina verstört.

»Weil er mich niemals gehen lassen würde«, antwortete Skar. »Aber ich muß.«