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Nun wurde auch vom geöffnet. Man erwartete, daß der Büffel hereinstürmen werde; aber das that er nicht, sondern er kam langsam hergeschritten, als ob er sich bewußt sei, daß man ihn anstaunen werde. Er war ein wirklicher Riese seiner Gattung, fast drei Meter lang und sehr gut genährt, so daß er leicht gegen dreißig Zentner wiegen konnte. Nach einigen Schritten stehen bleibend, schüttelte er sich das lange Stirnhaar aus den Augen und sah den Jaguar. Man war aufs äußerste gespannt, was nun geschehen werde. Der Jaguar war aufgesprungen und begann zu heulen. Hätte er auch angreifen wollen, der Lasso hielt ihn fest. Der Büffel neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn mit dem einen Auge. Er schien zu überlegen, ob es sich der Mühe lohne, mit diesem Gegner anzubinden. Sein Entschluß war gefaßt; er wendete sich ab und trollte von dannen, einen Rundgang um den Cirkus unternehmend. Natürlich mußte er auf der andern Seite dem Jaguar nahekommen. Dieser ließ ihn weit genug heran und duckte sich zum Sprunge nieder. Da senkte der Büffel den Kopf, zeigte die Hörner und den mächtigen Nacken und ließ ein warnendes Brummen hören. Das war genug gesagt; der Jaguar zog sich zurück und der Bison trottete an ihm vorüber, doch vorsichtigerweise so, daß er ihm im Vorbeigehen die Vorderseite zukehrte. Der Jaguar blieb wider alles Erwarten eingeschüchtert liegen; ohne Zweifel fürchtete er sich.

Während dieser Art von Waffenstillstand zwischen den beiden Tieren erklärte der Privatgelehrte seinem jungen Nachbar:

»Der nordamerikanische Bison bildet im Vereine mit dem europäischen Auerochsen, auch Wisent genannt, eine Unterabteilung des Geschlechtes der Ochsen, lateinisch Bos geheißen. Diese Untergattung zeichnet sich aus durch einen sehr gewölbten Schädel, breite Stirn, kurze, runde, aufwärts gekrümmte und vorn auf die Stirn gestellte Hörner, zottige Mähne um Hals und Brust, einen Höcker und den verhältnismäßig sehr stark entwickelten Vorderkörper. Der Bison hat einen dickeren Kopf, eine stärkere Mähne und kürzere Beine als der Auerochs. Er ist eigentlich ein geselliges Tier, was der Lateiner mit dem Worte congregabilis bezeichnet und «

Seine weiteren Worte blieben unhörbar; sie wurden durch das Geschrei und die stürmischen Rufe des Publikums verschlungen, welches sich bei dem friedlichen Verhalten der beiden Kampftiere zu langweilen begann und nun verlangte, daß der Jaguar gegen den Büffel aufgereizt werde.

» Tirad los buscapies, tirad los buscapies - werft die Schwärmer, werft die Schwärmer!« brüllte einer der Zuschauer, und die andern riefen es ihm nach.

Der Präsident gab mit der Hand das Zeichen, daß man diesem Wunsche willfahren möge. Da wendete sich derjenige Kamerad des Weißbärtigen, welcher ihm zur Rechten saß, mit der Frage an ihn:

»Meinst du, daß er sich reizen lassen wird, Carlos? Ich glaube, daß er den Büffel mehr fürchtet, als das Feuerwerk.«

»Und ich glaube, daß es leicht ein Unglück geben kann,« antwortete der Gefragte. »Siehst du nicht, daß er den Lasso, an welchem er hängt, im Rachen hat? Wenn er ihn zerkaut, so kommt er los und wird nicht den Bison, sondern Menschen anfallen.«

Das im Sande hingestreckte Tier kaute allerdings an dem Lasso, was aber von den Cirkusbediensteten gar nicht beachtet wurde. Sie brannten, im sichern Hinterhalte sich befindend, Schwärmer an und warfen dieselben nach dem Jaguar.

Dieser wurde getroffen, sprang auf und ließ den Lasso aus dem Maule fallen; der Riemen war fast ganz zerbissen. Da erreichten die Zündfunken den Pulversatz, und das Feuer begann zu sprühen. Der Jaguar brüllte vor Schreck und that einen weiten Sprung; der Lasso wurde angespannt und zerriß an der zerbissenen Stelle; das Raubtier war frei.

Das Publikum begrüßte dieses unerwartete Ereignis mit jauchzendem Beifalle, denn man war überzeugt, daß der Jaguar seine Freiheit nun sofort zu einem Angriffe auf den Bison benutzen werde. Er rannte allerdings auf diesen zu, wendete sich aber, als der Büffel ihm die Hörner zeigte und sich gar anschickte, auf ihn loszugehen, zur Seite, jagte in wenigen Sätzen in der Arena hin und her und duckte sich dann nieder, die rollenden Augen empor nach den ihm gegenüberliegenden Sitzplätzen richtend.

» Estad atento - aufgepaßt!« rief der Weißbärtige. »Jetzt kommt es so, wie ich vermutet habe. Das Tier wird über die Schutzwand gehen.«

» Por amor de Dios - um Gottes willen, das wird er doch nicht!« schrie der Privatgelehrte, als er diese Worte hörte. »Die Bestie schaut gerade direkt zu mir herauf, als ob sie mich verschlingen wolle.«

Er fuhr von seinem Sitze empor und machte eine Bewegung, als ob er fliehen wolle, was aber bei der Enge der Plätze ganz unmöglich war. Diese hastige Bewegung des kleinen, noch dazu rot gekleideten Männchens zog die Aufmerksamkeit des Jaguars erst recht auf sich. Das Tier hob den Hinterkörper halb empor, stieß ein kurzes, heiseres Brüllen aus und flog dann in einem weiten Satze gegen die hölzerne Scheidewand. Es gelang ihm, den obern Rand derselben mit den Vordertatzen zu erreichen und den Körper nachzuziehen.

In diesem Augenblicke verstummte alles Geschrei; es trat eine so tiefe Stille ein, daß man das Kratzen der Klauen des Raubtieres an den Balken deutlich hörte. Jedermann sah, daß der Jaguar es auf das rote Männchen abgesehen habe. Alle, die in der Nähe desselben saßen, waren hoch gefährdet. Welche Verwüstung mußten die Pranken und Zähne des wilden, vor Hunger knirschenden Tieres unter diesen so dicht sitzenden Personen anrichten! Man war überzeugt, daß der Jaguar sofort den zweiten Sprung thun werde; er that ihn nicht; er blieb noch auf der Scheidewand hängen, denn sein Auge wurde durch einen andern Gegenstand angezogen, und dieser Gegenstand war der graubärtige Señor, welcher sich gestern Hammer genannt hatte.

Dieser war nämlich, als das Tier zum Sprunge angesetzt hatte, von seinem Sitze aufgefahren und hatte dem Gelehrten den Poncho von den Schultern und das Messer aus dem Gürtel gerissen. Das letztere in der rechten Hand haltend, wickelte er sich den ersteren um den linken Arm und sprang auf die Vorderlehne seines Sitzes.

Das war so blitzschnell geschehen, daß er diesen Fußhalt in demselben Augenblick erreichte, in welchem der Jaguar auf die Bretterwand gelangte.

» Punto en boca,« gebot er mit seiner kräftigen, weithin schallenden Stimme; » ninguno menease - still, niemand bewege sich!«

Dann sprang er auf die Scheidewand des nächsten und zweitnächsten Vordersitzes, welche leer zu sein schienen, aber es nicht waren; die Inhaber derselben waren vor Entsetzen unter dieselben gekrochen. Noch ein Schritt, und Hammer stand auf dem vordersten Sitze, dem Jaguar so nahe gegenüber, daß er ihn mit der Hand erlangen konnte. Das Tier hatte die Bewegungen des riesenhaften Deutschen mit glühenden Augen verfolgt, ohne dieselben durch den erwarteten zweiten Sprung zu verhindern; es sah sich angegriffen, ohne aber den Gegenangriff zu wagen; es hielt sich mit drei Tatzen fest, riß den Rachen auf und hob die eine Vorderpranke zum abwehrenden Schlage empor. So hielten Mensch und Tier, die Augen ineinander gebohrt, einige Sekunden einander gegenüber. Da nahm Hammer, um die rechte Hand frei zu bekommen, das Messer zwischen die Zähne und stieß dem Jaguar die Faust mit solcher Kraft gegen den Hinterkörper, daß dieser den Halt verlor; seine hinteren Pranken glitten von der Bretterwand; er suchte sich mit den vordern festzuhalten und fauchte den Feind wütend an, erhielt aber von diesem einen solchen Hieb auf die Nase, daß er auch vorn abglitt und in die Arena zurückstürzte. Diejenigen, welche sich in Gefahr befunden hatten, waren gerettet.

Aber damit begnügte sich der Deutsche nicht. Er sprang auf die Wand und, zum Schreck aller Zuschauer, in die Arena hinab. Ein vielstimmiger Schrei erscholl rundum, denn der kühne Mann kam gerade vor den Jaguar zu stehen, welcher sich laut brüllend zum Sprunge niederduckte.

Nun geschah etwas, was niemand für möglich gehalten hätte. Hammer nahm das Messer aus dem Mund, setzte den linken Fuß vor und hielt dem Tiere den linken, durch den Poncho geschützten Arm entgegen. War es diese sichere Haltung, oder war es die Macht des weit geöffneten grauen Auges, dessen nicht zuckenden Blick der Jaguar auf sich gerichtet sah - - er unterließ nicht nur den Sprung, sondern setzte die Pranken langsam hinter sich, um sich in schleichender Haltung zurückzuziehen. So allmählich, wie er wich, folgte ihm der Deutsche Schritt um Schritt, ohne ihn auch nur für einen Moment aus dem Auge zu lassen. Das Raubtier nahm wie ein geprügelter Hund den Schwanz zwischen die Beine und retirierte immer schneller, in die Flucht getrieben durch die Macht eines furchtlosen Menschenauges, welcher es nicht zu widerstehen vermochte. Da ertönte von einem der entferntesten Plätze herab der Ruf: