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»Oh! Ein Meerschweinchen!« rief das Mädchen. Und tatsächlich schnupperte da ein fettes Meerschweinchen im Gras umher. Um den Bauch trug es ein Band, und an dem Band war ein leuchtendgelber Ring befestigt.

»Sieh nur!« rief Digory. »Schau dir den Ring an! Du hast auch so einen am Finger. Und ich ebenfalls.«

Das Mädchen setzte sich auf. Jetzt wurde es neugierig.

Die beiden Kinder starrten einander durchdringend an und versuchten krampfhaft, sich zu erinnern. »Mr. Ketterley!« rief das Mädchen, und genau im selben Augenblick rief der Junge: »Onkel Andrew!« Jetzt wußten sie, wer sie waren, und alles fiel ihnen wieder ein. Nach einem kurzen Gespräch klärte sich die ganze Geschichte.

Digory erzählte, wie gräßlich sich sein Onkel verhalten hatte.

»Was machen wir jetzt?« fragte Polly. »Sollen wir das Meerschweinchen nehmen und nach Hause verschwinden?«

»Wir brauchen uns nicht zu beeilen«, sagte Digory und gähnte ausgiebig.

»Doch«, widersprach Polly. »Hier ist es zu still. Es ist so – so verträumt hier. Du schläfst schon fast. Sobald wir nachgeben, legen wir uns hin und versinken für immer und ewig in einen Dämmerschlaf.«

»Sehr schön ist es hier«, sagte Digory.

»Ja, das stimmt. Aber wir müssen wieder heim.« Polly stand auf und ging vorsichtig auf das Meerschweinchen zu. Doch dann überlegte sie es sich anders.

»Wir können es ja eigentlich auch hierlassen«, schlug sie vor. »Es ist glücklich und zufrieden hier, und wenn wir es mitnehmen, dann macht dein Onkel wieder so gräßliche Sachen mit ihm.«

»Ganz bestimmt«, entgegnete Digory. »Schau dir nur an, was er mit uns angestellt hat. Übrigens – wie kommen wir eigentlich wieder nach Hause?«

»Ich nehme an, wir müssen in den Teich hüpfen.«

Sie gingen zusammen zum Ufer und schauten hinunter auf das glatte Wasser. Die üppig belaubten Zweige spiegelten sich darin, und dadurch wirkte es ausgesprochen tief.

»Wir haben kein Badezeug dabei«, meinte Polly.

»Wir brauchen doch kein Badezeug, Dummerchen«, sagte Digory. »Wir lassen unsere Kleider an. Weißt du denn nicht mehr, daß wir beim Hochkommen überhaupt nicht naß geworden sind?«

»Kannst du schwimmen?«

»Ein bißchen. Du?«

»Ja – aber nicht sehr gut.«

»Ich glaube nicht, daß wir schwimmen müssen«, meinte Digory. »Wir wollen doch nach unten, oder nicht?«

Keiner der beiden war so recht begeistert von dem Gedanken, in den Teich hüpfen zu müssen. Aber keiner sagte etwas. Sie nahmen sich bei der Hand, riefen: »Eins zwei – drei – los!« und sprangen. Es platschte laut auf, und natürlich machten sie fest die Augen zu. Aber als sie sie wieder öffneten, standen sie immer noch Hand in Hand in diesem grünen Wald. Das Wasser reichte ihnen kaum zum Knöchel. Der Teich war offensichtlich ganz flach. Spritzend kletterten sie wieder aufs Trockene.

»Was haben wir bloß falsch gemacht?« fragte Polly erschrocken, aber doch nicht ganz so erschrocken, wie man vielleicht hätte annehmen können. Es war nämlich schwierig, in diesem Wald Angst zu kriegen. Dafür war es hier zu friedlich.

»Oh, ich weiß!« rief Digory. »Natürlich konnte es nicht funktionieren. Wir tragen ja immer noch die gelben Ringe. Die waren für die Reise hierher bestimmt. Für die Heimreise brauchen wir die grünen. Hast du Taschen? Gut. Den gelben Ring steckst du jetzt in deine linke Tasche. Ich habe zwei grüne mitgebracht. Da ist deiner.«

Also streiften sie die grünen Ringe über und gingen wieder zum Teich. Aber bevor sie noch einmal hineinhüpften, machte Digory: »O – o – oh!«

»Was ist?« fragte Polly.

»Mir kam gerade eine phantastische Idee«, sagte Digory. »Was ist mit den anderen Teichen?«

»Wie meinst du das?«

»Tja, wenn wir durch diesen Teich hier in unsere eigene Welt gelangen, dann ist es ja vielleicht möglich, daß wir woanders hinkommen, wenn wir in einen anderen Teich hüpfen. Vielleicht ist am Grund von jedem Teich eine andere Welt?«

»Ich dachte, wir seien schon in dieser anderen Welt oder an dem anderen Ort oder wie es dein Onkel Andrew nannte. Hast du nicht gesagt…«

»Ach, zum Teufel mit meinem Onkel«, unterbrach Digory. »Ich glaube nicht, daß der viel Ahnung hat. Er hatte nicht mal den Mut, es selbst auszuprobieren. Er hat zwar nur von einer anderen Welt gesprochen, aber vielleicht gibt es ja Dutzende!«

»Du meinst, dieser Wald hier ist nur eine Welt unter vielen anderen?«

»Nein, ich glaube, daß dieser Wald überhaupt kein Wald ist. Er scheint mir eher wie ein Ort, der zwischen den Welten liegt.«

Polly sah verwirrt aus.

»Verstehst du nicht?« fragte Digory. »Hör zu! Denk an den Tunnel daheim unterm Dach. Er gehört ja eigentlich zu gar keinem bestimmten Haus, aber wenn man ihn betritt, kann man von dort aus in jedes einzelne Haus gelangen. Könnte es bei dem Wald nicht so ähnlich sein? Könnte es nicht ein Ort sein, der zu keiner Welt gehört, aber wenn man ihn erst mal gefunden hat, gestattet er den Zutritt zu allen Welten?«

»Na ja, aber selbst wenn man…« begann Polly, aber Digory fuhr fort, als hätte er sie gar nicht gehört.

»Das erklärt natürlich alles. Deshalb ist es hier so still und verschlafen. Hier geschieht nie etwas. Es ist fast wie bei uns daheim. In den Häusern reden die Leute, dort werkeln sie herum und dort essen sie. Aber an den Übergangsstellen, hinter den Wänden, über der Decke und unter dem Fußboden oder in unserem Tunnel passiert gar nichts. Von dort aus kann man aber in jedes Haus gelangen. Ich glaube, von hier aus kommt man ebenfalls absolut überall hin. Wir brauchen also nicht in den Teich zu springen, aus dem wir gekommen sind. Zumindest noch nicht gleich.«

»Der Wald zwischen den Welten«, sagte Polly verträumt. »Das klingt hübsch.«

»Komm!« befahl Digory. »Welchen Teich wollen wir nehmen?«

»Hör zu! Ich probiere keinen neuen Teich, solange wir nicht wissen, daß wir durch den alten wieder heimkommen. Wir haben doch gar keine Ahnung, ob es überhaupt klappt!« protestierte Polly.

»Ja, und dann erwischt uns Onkel Andrew und nimmt uns die Ringe weg, bevor wir unseren Spaß hatten. Nein danke«, sagte Digory.

»Vielleicht könnten wir ein Stückchen in unseren Teich hinabtauchen, nur um zu sehen, ob es funktioniert«, schlug Polly vor. »Und wenn, dann wechseln wir die Ringe, bevor wir im Arbeitszimmer deines Onkels ankommen.«

»Meinst du, daß es geht, nur ein Stückchen hinabzutauchen?«

»Es hat ja ein Weilchen gedauert, bis wir oben waren. Also dauert es vermutlich auch ein Weilchen, bis wir wieder unten sind.«

Digory machte ein schreckliches Theater, bevor er einwilligte. Aber schließlich und endlich blieb ihm nichts anderes übrig, weil Polly sich strikt weigerte, sich in den anderen Welten umzusehen, bevor sie sich nicht überzeugt hatte, daß sie ihre eigene Welt wieder erreichen konnte.

Was gewisse Gefahren betraf, so wie zum Beispiel bei Wespen oder so, da war sie genauso mutig wie Digory.

Nur war sie nicht so wild darauf, Dinge auszukund­schaften, von denen noch kein Mensch jemals etwas gehört hat. Digory gehörte nämlich zu den Leuten, die alles wissen wollen. Später, als er erwachsen war, wurde er der berühmte Professor Kirke, der in anderen Büchern eine Rolle spielt.

Nach einem ziemlichen Hin und Her einigten sie sich schließlich darauf, ihre grünen Ringe anzustecken (»Grün steht für Sicherheit«, sagte Digory, »damit du die beiden Ringe auf keinen Fall verwechseln kannst«), sich an den Händen zu halten und zu springen. Aber sobald es den Anschein hatte, als kämen sie wieder in Onkel Andrews Arbeitszimmer an oder zumindest in ihrer alten Welt, wollte Polly »Wechseln!« rufen, und dann wollten sie die grünen Ringe gegen die gelben austauschen.

Eigentlich wollte Digory derjenige sein, der »Wechseln!« rief, aber Polly war dagegen.