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Erleichtert atmete Antana auf. Sie betrachtete ihre Wunde. Der ganze Arm brannte, als hätte Mirka ihr flüssiges Feuer darübergegossen, doch der Schnitt war nicht sehr tief.

Mirka lag vor dem Eingangsportal des Tempels und rührte sich nicht. Vorsichtig ging Antana einen Schritt auf sie zu. Mit dem Fuß stieß sie das Schwert, das auf dem Boden lag, außer Reichweite, dann beugte sie sich über die Frau und kniete neben ihr nieder. Sie fühlte, wie Tränen in ihr aufstiegen.

Hinter sich hörte sie das leise Mauzen des Katers. Sie drehte sich um. Pyros war zurückgekehrt und stand unter einem versteinerten Busch. Seine Ohren waren aufmerksam auf sie gerichtet. Unruhig hob er ein Vorderpfote und schaute sie besorgt an.

»Du kannst beruhigt näher kommen«, sagte sie traurig, während ihre Hand zärtlich über den Leib der anderen Frau glitt.

»Mirka ist tot!« Antana wischte sich eine Träne fort, die ihr über die Wangen lief. Langsam stand sie auf.

»Ich hatte gedacht, sie wäre geheilt!« sagte sie leise. »Ich habe nicht glauben wollen, daß ihre Sinne sich verwirren könnten, daß das finstere Fieber sie noch befallen würde. Sie erschien mir am Abend noch so stark zu sein. Sie hat ihre Arme in dem heiligen See gehalten, Da war ich sicher, Pyros, daß sie es überleben würde.« Wieder fuhr sie mit der Hand über ihre Wangen. Behutsam nahm sie das Gewand, welches sie Mirka hatte geben wollen, und legte es über den toten Leib.

»Ich bin die Gefährtin eines Feuermagiers«, sagte sie, und ihre Stimme klang verbittert. »Ich hätte wissen müssen, wie Inmee kämpft, daß sie die Hohepriesterin der Gwenyar nicht einfach leben läßt. Warum habe ich nicht noch mehr für Mirka getan?«

Der Kater kam näher. Seine Barthaare zitterten. Immer wieder hielt er eine Pfote in die Luft.

»Mein Fluch hat sie getötet, Pyros, sie wird nicht mehr aufstehen. Du brauchst keine Angst vor der Verwirrung ihres Geistes zu haben!«

Sie sah den Kater an. »Laß uns gehen! Raban, dein Sohn, braucht jetzt unsere Hilfe. Hier gibt es nicht mehr viel zu tun. Der heilige Garten der weißen Göttin ist zwar nicht durch Inmee vernichtet worden, aber dennoch lebt hier nichts mehr!«

Sie schaute sich um. »Die Hoffnung, daß irgendwann einer den Garten und alle, die hier lebten, zurückverwandeln kann, ist mit der letzten Priesterin gestorben!«

Der Kater schnurrte leise und legte seinen Kopf ein wenig schief. »Es ist lieb, daß du mich trösten willst«, sagte sie. »Aber statt zu heilen, habe ich Mirka getötet.«

Sie wandte sich ab, und ihr Blick fiel auf das Schwert, mit dem Mirka sie angegriffen hatte. Sie ging hin und hob es auf. Stumm betrachtete sie es eine Weile.

»Es ist eine sehr alte und kostbare Waffe«, sagte sie leise. »Und sie ist nicht zu Stein geworden.« Nachdenklich legte sie die Klinge neben Mirka nieder.

»Habe eine gute Reise, Hohepriesterin. In den Gärten der Gwenyar wirst du erwartet werden.« Dann beugte sie das Haupt vor der anderen, hob ihren Kater auf den Arm und ging.

Brunhild schlug die Augen auf. Sie lag in einem großen Bett mit weißen Laken und einem Kissen, das so weich war, daß ihr Kopf darin zu versinken drohte. Vorsichtig richtete sie sich auf. Heller Sonnenschein flutete in den warmen Raum, der ringsum mit kostbaren Möbeln ausgestattet war. Es roch nach frischen Blumen, und irgendwo draußen sang eine hohe liebliche Frauenstimme mit einem Vogel im Duett.

»Guten Morgen, Hüterin des Feuers.« Norwin, der am Fenster gestanden hatte, wandte sich zu ihr um. Sein Arm lag in einer weißen Leinenschlinge, ansonsten schien er unverletzt zu sein, denn er lächelte zufrieden.

»Wie habt Ihr geschlafen?« fragte er.

»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte Brunhild. Sie schaute sich um. Nie zuvor hatte sie eine solche Pracht gesehen. Die Wände des Raumes waren mit edlen Stoffen bespannt, deren Goldfäden im Sonnenlicht schimmerten. Mit einer raschen Bewegung schlug sie die Decken zurück, die ihren Leib gewärmt hatten, und schwang die Beine aus dem Bett. Sie blickte an sich herab auf ein reines, weißes Leinenhemd.

»Wo sind meine Sachen?« fragte sie.

»Dort!« Norwin deutete auf einen Stuhl, über dem ihre Kleider sorgfältig sortiert lagen. Gleich daneben stand auf einem hölzernen Tisch eine Karaffe mit frischem Wasser und eine silberne Schüssel.

»Der Diener sagte, Ihr könntet Euch hier frisch machen oder, falls Ihr es wünscht, später das Badehaus aufsuchen«, sagte Norwin, noch bevor sie ihn fragen konnte.

»Das Badehaus?« Brunhild zog die Brauen in die Höhe. Sie betrachtete eine Weile die Karaffe und die silberne Schüssel. »Ich glaube, ich werde einstweilen der bescheidenen Möglichkeit hier den Vorzug geben«, sagte sie leise. Damit griff sie nach der Kanne und goß das Wasser in die silberne Schale.

Unweit von ihr befand sich ein größerer Tisch aus dunklem Holz, dessen Enden mit Silberplatten versehen waren. Während Brunhild mit den Händen in das kühle Naß tauchte, es sich ins Gesicht spritzte und den frischen Geschmack auf ihren Lippen kostete, warf sie hin und wieder einen Blick auf die reichen Gaben, die in der Mitte des Tisches standen. Schließlich griff sie nach einem Tuch, das man neben der silbernen Waschschüssel für sie bereitgelegt hatte, und trocknete sich ab.

Eine große Schale mit Früchten zog Brunhilds Blick an. Daneben lag ein Laib duftendes Brot, und auf einem kostbaren Teller fanden sich gebratene Fleischstücke. Es war einige Zeit her, daß sie eine anständige Mahlzeit genossen hatte. Sie griff nach ihren Gewändern, um sich anzukleiden.

»Wo sind wir hier?« fragte sie Norwin, der wieder zum Fenster hinaussah.

»Erinnert Ihr Euch nicht?« Lächelnd schaute er sie an.

»Der Craiach hat uns hierher gebracht, nicht wahr?« Brunhild angelte, nachdem sie in die Hosen geschlüpft war, mit den Fingern nach einem Stück Fleisch und steckte es sich in den Mund. Dunkel entsann sie sich, daß der fremde, maskierte Reiter mit dem Fuchswallach sie aus den Händen der Dorfbewohner gerettet hatte.

Sie schlang sich Ramees Gürtel um die Taille und nahm ein zweites Stück Fleisch vom Teller.

Dann war der Diener des Craiach, der sich im Wald verborgen hatte, bis die Dorfbewohner fort waren, gekommen und hatte den schlafenden, verletzten Norwin auf ein zweites Pferd gehoben. Derweil, das wußte Brunhild noch, war sie hinter dem Reiter auf den Fuchs gestiegen. Der Fremde hatte das Pferd, auf dem der ohnmächtige Norwin lag, am langen Zügel hinter sich hergezogen und war mit ihr losgeritten.

Sie langte nach einem dritten Stück Fleisch und brach ein wenig von dem Brot ab.

»Ich kann mich erinnern, daß er uns eingeladen hat und daß wir losgeritten sind, doch an den Weg...?« Fragend blickte sie Norwin an. »Ich entsinne mich nicht mehr.«

Der Krieger hob abwehrend die freie Hand. »Ich habe auch den ganzen Morgen darüber nachgedacht, wie ich hierhergekommen bin.« Er rieb sich über die verletzte Schulter. »Schließlich war mein eigener Tod das letzte, woran ich mich erinnere. Es bedurfte mehrerer kleiner Versuche, mich davon zu überzeugen, daß ich noch unter den Lebenden weile. Dann sah ich Euch in dem Bette liegen und beschloß zu warten, bis Ihr erwachen würdet. Aber als der Diener mit den Speisen kam, konnte ich meine Neugierde nicht zügeln. Ich fragte ihn, und er antwortete, wir beide seien die Gäste des edlen Herrn von Rono, der bei den Völkern am Rande des Waldes nur der Craiach oder der Waldkönig genannt wird.«

»Waldkönig?« Brunhild ging an das helle Fenster und schaute hinaus. »Das ist eine Legende, die mir Ramee oft erzählt hat. Rono ist in der Geschichte des alten Volkes ein Rebellenkönig, der in den Wäldern ihrer Heimat lebte. Um sein Zauberschloß, das er dort besaß, ranken sich die Mären wie wilder Wein.« Sie biß wieder ein Stück vom Brot ab.