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Darauf folgte eine lange, schreckliche Stille. Langsam erhob sich Brin und starrte direkt in das Gesicht, das den Spiegel ihres eigenen darstellte. Irgend etwas tief in ihrem Innern heulte entsetzt auf, als sie den Ausdruck sah, der auf das Gesicht trat. Es war, als hätte sie das sich selbst angetan!

Und der Finsterweiher begriff nun, was sie mit ihm angestellt hatte. „Du hast mir die Wahrheit mit Tricks abgerungen, Kind der Finsternis!“ klagte der Schatten bitterlich. „Ich fühle, daß du das getan hast. Oh, schwarz bist du! Rabenschwarz!“

Dann brach dem Geist die Stimme, und die grauen Wasser kochten und dampften. Brin stand wie versteinert am Rand des Sees und fürchtete sich, sich abzuwenden oder zu sprechen. In ihrem Innern herrschten Leere und Kälte. Dann hob der Finsterweiher den Arm in seinem Gewand. „Ein letztes Spiel denn, Talmädchen — eine Erwiderung meinerseits! Das soll mein Geschenk an dich sein. Schau in den Nebel, da neben mir, wo er Gestalt annimmt — nun sieh genau hin! Sieh es dir an!“

Brin wußte, daß sie besser fliehen sollte, aber irgendwie war sie nicht dazu in der Lage. Der Nebel schien sich vor ihr zu verdichten und breitete sich zu einer grau erleuchteten, glatten Fläche aus. Eine langsame, funkelnde Bewegung kräuselte die Oberfläche wie aufgewühltes Wasser, und ein Bild nahm Gestalt an — eine zusammengekauerte Person in einer finsteren Zelle, deren Bewegungen etwas Heimlichtuerisches an sich hatten...

Jair riß die Kristallkugel zurück und stopfte sie tief in seine Hemdbluse; er betete inständig, Schatten und Dunkelheit möchten dem Mwellret verbergen, was er da machte. Vielleicht war er schnell genug gewesen. Vielleicht...

„Habe die Zauberei gessehen, Elfling“, krächzte die heisere Stimme und zerschmetterte damit alle seine Hoffnungen. „Habe die ganze Zeit über gespürt, dass du im Bessitz der Zauberkraft ssein musst. Teile ssie mit mir, kleiner Freund. Lass ssehen, wass du da hasst.“

Jair schüttelte langsam den Kopf, und Furcht spiegelte sich in seinen blauen Augen. „Bleib mir vom Leib, Stythys. Bleib mir vom Leib.“

Der Mwellret lachte — ein tiefes, kehliges Lachen, das in der leeren Zelle und den Gängen dahinter widerhallte. Plötzlich schwoll das Wesen in seinen dunklen Gewändern an und wuchs vor dem schummrigen Licht zu einem gewaltigen Schatten.

„Willsst du mir drohen, Kleiner? Ich werde dich wie ein Vogelei zermalmen, wenn du die Zauberkunsst gegen mich einssetzt. Nun bleib ruhig, kleiner Freund. Schau mir in die Augen. Schau in die Lichter!“

Lidgeschützte, schuppige Augen funkelten kalt und betörend. Jair zwang sich, seinen Blick zu senken, wußte er doch, daß er nicht hinsehen durfte, weil er sonst wieder im Bann des Geschöpfs stünde. Aber es war so schwer, nicht hinzuschauen. Er wollte in jene Augen blicken; er wollte sich in sie hineinziehen lassen und in den Frieden und die Gelassenheit, die dort warteten.

„Ssieh mich an, Elfling!“ zischte das Ungeheuer.

Jairs Hand schloß sich um die kleine Wölbung des Sehkristalls, bis er fühlte, wie seine geschliffenen Kanten in seine Handfläche schnitten. Konzentriere dich auf den Schmerz, dachte er hektisch. Sieh nicht hin! Sieh bloß nicht hin!

Dann zischte der Mwellret wütend und hob eine Hand. „Gib mir die Zauberei! Gib ssie mir!“

Ohne ein Wort über die Lippen zu bringen, wich Jair Ohmsford vor ihm zurück.

Der Arm des Finsterweihers fiel schwer herab, der Nebelschirm löste sich auf und war verschwunden. Brin torkelte verzweifelt nach vorn und trat von dem steinübersäten Ufer in die grauen Wasser des Sees. Jair! Diese Bilder hatten Jair gezeigt! Was war ihm nur zugestoßen?

„Hat dir das Spielchen gefallen, Brin von den Tal-Leuten?“ flüsterte das Avatar grausam, und die Wasser brodelten erneut unter ihm. „Hast du gesehen, was aus deinem teuren Bruder geworden ist, den du sicher im Tal wähntest? Hast du es gesehen?“

Brin kämpfte den Zorn, der in ihr aufstieg, nieder. „Lügen, Finsterweiher. Diesmal erzählst du nichts als Lügen.“

Der Schatten kicherte leise. „Lügen? Glaub, was du magst, Talmädchen. Ein Spiel bleibt schließlich immer ein Spiel. Eine Ablenkung von der Wirklichkeit. Oder stellte es die offenbarte Wirklichkeit dar?“ Bekleidete Arme kamen näher, Nebel umkreisten sie.

„Schwarzen Sinnes bist du, Brin von Shannara, von Ohmsford, Sproß der Geschichte, Schwarz wie die Magie, mit der du spielst. Verlaß mich nun. Nimm mit, was du vom Schwert des tölpelhaften Prinzen erfahren hast und von dem Weg, der in deinen Tod führt. Du mögest finden, was du suchst, und zu dem werden, was dich mit Sicherheit erwartet! Nun mach, daß du fortkommst!“

Der Finsterweiher begann mit dem grauen Nebel zu verschmelzen, der hinter ihm über das trübe Gewässer des Sees zog.-Brin stand wie versteinert am Ufer, wollte den Schatten gerne zurückhalten und wußte doch, daß sie diesmal nicht dazu in der Lage war.

Plötzlich hielt der Geist auf seinem Rückzug inne, und die roten Augen unter Nebelgewändern verengten sich zu Schlitzen. Brins eigenes Gesicht musterte sie böse aus einer haßverzerrten Maske. „Sieh mich, wie du bist, Brin von den Tal-Leuten. Retterin und Zerstörerin, Spiegel des Lebens und des Todes. Die Magie benutzt alle, Kind der Finsternis — selbst dich“

Dann tauchte der Finsterweiher in eine Nebelschwade ein, und sein Gelächter drang leise und boshaft durch die tiefe Stille. Lautlos schloß sich das Grau um ihn, und er war verschwunden.

Brin starrte einen Augenblick, verstrickt in ein Gewirr aus Ängsten, Zweifeln und zugeflüsterten Warnungen, hinterdrein. Dann drehte sie sich langsam um und ging wieder auf die Bäume zu.

33

Unheilvoll und bedrohlich kam der Mwellret Stythys in der Düsternis der Zelle näher, und Jair wich langsam zurück.

»Gib mir diesse Zauberkünsste«, zischte das Ungeheuer und winkte dann mit gekrümmtem Finger. »Gib ssie her, Elfling!«

Der Talbewohner flüchtete weiter in die Dunkelheit, daß die Ketten, mit denen er an Hand- und Fußgelenken gefesselt war, über den Boden klirrten. Dann stieß er mit dem Rücken gegen die Zellenwand und konnte nirgendwohin weiter ausweichen.

Ich kann nicht einmal vor ihm davonlaufen! dachte er verzweifelt.

Vom Zelleneingang ertönte das leise Schlurfen von Lederstiefeln auf Stein, und dahinter tauchte der Gnomenwärter aus dem Korridor auf. Mit tief ins Dunkel gesenktem Kopf trat die verhüllte Gestalt in den Raum. Stythys drehte sich um, als der andere näher kam, und seine kalten Augen funkelten mißbilligend.

»Habe dasss kleine Kerlchen nicht gerufen«, knurrte der Mwellret bedrohlich, und die schuppigen Hände scheuchten den Gnom fort.

Doch der Gefängniswärter schenkte ihm keine Beachtung. Stumm und reaktionslos schlurfte er an dem Echsenwesen vorüber, als hätte er es nicht gesehen, und kam geradewegs auf Jair zu. Der Gnom hielt immer noch den Kopf gesenkt und die Hände tief in die Falten seines zerfetzten Umhangs vergraben und schwebte wie ein Gespenst durch die Dunkelheit. Jair beobachtete sein Näherkommen mit einem Gemisch von Überraschung und Ungewißheit. Als der kleine Mann sich näherte, schreckte der Talbewohner angewidert an die Steinmauer zurück, und das Eisen seiner Ketten rasselte, als er abwehrend die Hände hob.

»Bleib draußen, kleiness Kerlchen!« keuchte Stythys nun ziemlich wütend und richtete den geschuppten Körper bedrohlich auf.

Doch der Gnomenwärter war bereits bei Jair angelangt und stand gebückt und stumm vor dem Talbewohner. Langsam hob sich der von der Kapuze verhüllte Kopf.

Jair machte große Augen. Der Gnom in dem zerfetzten Umhang und der Kapuze war nicht der Wärter!

»Brauchst du eine kleine Hilfe, Junge?« flüsterte Spinkser.

Dann sprang eine schwarzgekleidete Gestalt aus dem finsteren Korridor draußen, die schlanke Klinge eines langen Schwerts drückte sich an die Kehle eines erstaunten Stythys und drängte ihn an die Zellenwand zurück.