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»Keinen Laut!« warnte Garet Jax. »Und nicht die kleinste Bewegung. Eins von beidem, und du bist tot, ehe du damit fertig bist.«

»Garet, Ihr seid am Leben!« rief Jair ungläubig aus.

»Am Leben und wohlauf«, erwiderte der andere, doch die harten, grauen Augen ließen keinen Blick von dem Mwellret. »Schnell, lös die Fesseln des Talbewohners, Gnom!«

»Nun habt mal einen Augenblick Geduld!« Spinkser hatte einen großen Bund eiserner Schlüssel unter dem Umhang hervorgezogen und probierte sie nacheinander an den Fesseln aus, die den Talbewohner gefangenhielten. »Die verdammten Dinger passen nicht in das Schloß... ah, da haben wir ihn ja!«

Die Schließen an Hand- und Fußfesseln klickten laut, und die Ketten fielen zu Boden. »Spinkser!« Jair faßte nach dem Arm des Gnomen, als der den zerfetzten Umhang des Wärters auszog und von sich warf. »Wie um alles in der Welt hast du es geschafft, mich zu finden?«

»Das ist doch wahrhaftig keine Kunst, Junge«, schnaubte der Gnom und rieb die Gelenke des anderen, um die Durchblutung wieder anzuregen. »Ich sagte dir doch, daß ich der beste Fährtensucher bin, der dir jemals über den Weg laufen würde! Das Wetter war natürlich nicht gerade eine Hilfe — hat die Hälfte aller Spuren verwischt und das ganze Waldland in Schlamm verwandelt. Aber direkt vor den unterirdischen Gängen stießen wir auf die Spuren der Echse und wußten, daß sie dich hierher bringen würde, in welcher Absicht auch immer. Zellen in Dun Fee Aran sind zum rechten Preis für jedermann zu haben, ohne daß einer große Fragen stellt. Und die inhaftierten Menschen sind ebenfalls zu kaufen. Die sperren dich hier ein, bis nur noch Knochen von dir übrig sind, wenn nicht...«

»Erzähl das später, Gnom!« schnitt Garet Jax ihm das Wort ab. »Du!« Er deutete mit spitzem Finger auf den Mwellret. »Du gehst voran und hältst uns alle vom Leib. Niemand darf uns aufhalten, niemand soll uns Fragen stellen. Wenn aber doch...«

»Lassst mich hier, kleine Leutchen!« zischte das Geschöpf.

»Ja, laßt ihn hier«, unterstützte ihn Spinkser mit vor Abscheu verzogenem Gesicht. »Den Echsen kann man nicht trauen.«

Aber Garet Jax schüttelte den Kopf. »Er kommt mit. Foraker glaubt, wir könnten ihn noch brauchen.«

Jair fuhr hoch. »Foraker ist auch hier?«

Aber Spinkser schob ihn bereits zur Zellentür und spie demonstrativ aus, als er an dem Mwellret vorüberkam. »Er wird uns nur Ärger bringen, Waffenmeister«, erklärte er hartnäckig. »Vergeßt nicht, ich habe Euch gewarnt.«

Dann standen sie im Gang hinter der Tür, duckten sich in Schatten und Stille, und Spinkser hielt sich dicht neben dem Talbewohner, als Garet Jax Stythys hindurchschob. Der Waffenmeister blieb einen Augenblick stehen, lauschte und stieß dann Stythys vor sich her, um den Rückweg über den verdunkelten Korridor einzuschlagen. In einer Wandhalterung vor ihnen brannte eine Fackel; als sie daran vorüberkamen, fischte Spinkser sie heraus und übernahm die Führung.

»Das ist vielleicht ein dunkles Loch!« knurrte er leise, als er sich den Weg durch die Finsternis bahnte.

»Spinkser!« murmelte Jair drängend. »Ist Elb Foraker auch hier?«

Der Gnom warf ihm einen raschen Blick zu und nickte. »Der Zwerg und der Elf und der Grenzländer ebenfalls. Sagten, wir hätten diese Reise gemeinsam angetreten und würden -sie so auch zu Ende bringen.« Er schüttelte wehmütig den Kopf. »Wahrscheinlich haben wir alle den Verstand verloren.«

Sie huschten zurück durch das Labyrinth der Gefängnisgänge; der Gnom und der Talbewohner gingen vorweg, der Waffenmeister folgte ihnen mit einem Schritt Abstand und drückte dem Mwellret das Schwert ins Kreuz. Sie hasteten durch Dunkelheit, Stille und den Gestank von Tod und Fäulnis, kamen an den geschlossenen, verrosteten Zellentüren vorüber und nahmen ihren Weg zurück nach draußen. Allmählich ließ die Finsternis nach, als graue, verwaschene Streifen Tageslicht die Gänge vor ihnen erhellten. Das Plätschern von Regen drang an ihre Ohren, und ein zarter, süßer Hauch frischer Luft wehte ihnen entgegen.

Dann tauchten wieder die riesenhaften, eisenbeschlagenen Tore des Gebäudeeingangs verschlossen und verriegelt vor ihnen auf. Wind und Regen peitschten in heftigen Böen dagegen und trommelten aufs Holz. Spinkser warf die Fackel von sich und huschte voraus, um durch den Beobachtungsschlitz zu prüfen, was sie draußen erwartete. Jair trat neben ihn und atmete dankbar die frische Luft, die herein wehte.

»Ich hätte nie gedacht, daß ich dich noch einmal wiedersehen würde«, flüsterte er dem Gnomen zu. »Keinen von euch.«

Spinkser hielt sein Auge an den Schlitz gepreßt. »Du hast eben Glück.«

»Ich dachte nicht, daß noch einer da wäre, der mich hier herausholen könnte. Ich glaubte, Ihr wärt alle tot.«

»Wohl kaum«, knurrte der Gnom. »Nachdem ich dich in den Tunnels verloren hatte und nicht herausfinden konnte, was aus dir geworden war, stieg ich weiter in die Felswände nördlich über Capaal. Dort endet der Tunnel. Ich wußte, wenn die anderen überlebt hätten, mußten sie ebenso wie ich dort herauskommen, denn so war es nach dem Plan des Waffenmeisters vorgesehen. Also wartete ich. Und natürlich fanden sie einander wieder und stießen schließlich auch auf mich. Und dann machten wir uns auf die Suche nach dir.«

Jair starrte den Gnomen an. »Spinkser, du hättest mich einfach im Stich lassen können — und die anderen auch. Keiner hätte es jemals erfahren. Du warst frei.«

Der Gnom zuckte mit den Achseln, Unbehagen spiegelte sich auf seinem derben Gesicht. »Tatsächlich?« Er schüttelte verächtlich den Kopf. »Habe mir niemals die Zeit genommen, darüber nachzudenken.«

Inzwischen stand Garet Jax neben ihnen und stieß Stythys vor sich her. »Regnet es noch?« fragte er Spinkser.

Der Gnom nickte. »Es regnet noch.«

Der Waffenmeister steckte mit einer geschmeidigen Bewegung das Schwert wieder in die Scheide und zog statt dessen ein langes Messer. Er drängte Stythys an die Korridorwand; sein mageres Gesicht wirkte hart. War Stythys noch einen Kopf größer als Garet Jax gewesen, als der ihn in Jairs Zelle überwältigt hatte, so war er inzwischen wieder geschrumpft und hatte sich wie eine Schlange in seine Kleider gerollt. Grüne Augen funkelten böse, kalt und ohne Wimpernzucken nach dem Südländer.

»Lassst mich hier, kleine Leutchen!« jammerte er noch einmal.

Garet Jax schüttelte den Kopf. »Halte dich dicht an mich, wenn wir draußen sind, Mwellret. Versuch nicht, zu entwischen. Und keine Tricks! Mit unseren Umhängen und Kapuzen dürfte man uns nicht erkennen. Der Regen wird uns die meisten vom Leibe halten, aber wenn uns doch jemand anspricht, wirst du ihn abwimmeln. Vergiß nicht, es braucht nicht viel Argumente, mich dazu zu bringen, dir die Kehle durchzuschneiden.«

Er sagte es leise, fast freundlich, und eisige Stille trat daraufhin ein. Der Mwellret kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.

»Habt doch die Zauberssachen«, zischte er wütend. »Braucht mich doch gar nicht. Lassst mich hier!«

Garet Jax führte die Spitze seines langen Messers dicht an den schuppigen Hals des anderen. »Du kommst mit!«

Mit eng um sich geschlungenen Umhängen zogen sie die schweren Holztüren des finsteren Gefängnisses auf und traten hinaus ins Licht. Regen fiel in dichten Schleiern von einem grauen, wolkenverhangenen Himmel und wurde vom Wind gegen die Mauern der Festung gedrückt. Mit eingezogenen Köpfen liefen die vier über den verschlammten Innenhof auf die Wehrgänge zu, die sich unmittelbar nordwärts erstreckten. Vereinzelte Gruppen von Gnomen-Jägern liefen ihnen über den Weg, ohne ihr Tempo zu verlangsamen; sie hatten es nur eilig, aus dem Wetter herauszukommen. Auf den Wachtürmen kauerten sich die Posten in den Schutz von Winkeln und Nischen im Mauerwerk und litten jämmerlich unter Kälte und Feuchtigkeit. Keiner kümmerte sich nur im geringsten um die kleine Gruppe, die unten den Hof überquerte. Keiner warf ihnen auch nur einen zweiten Blick hinterher.