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Er stand auf und kam ein paar Schritte näher, sein Gesicht war von deutlicher Neugier gezeichnet. »Es war doch Zauberei, oder? Wie hast du das gelernt? Es hat etwas mit der Stimme zu tun, stimmt’s?«

»Du rufst die Schlangen mit deiner Stimme. Nur ein Trick. Ich habe mir schier in die Hosen gemacht, dabei hätte ich nicht gedacht, daß mir noch vieles Angst einjagen könnte.« Er machte eine Pause. »Außer vielleicht die Wandler.«

Jairs Augen funkelten furchtsam bei der Erwähnung der Mordgeister.

Der Gnom sah es und nickte. »Vor denen lohnt es sich, Angst zu haben. Durch und durch schwarz. Finster wie die Mitternacht. Ich würde nicht wollen, daß sie hinter mir her sind. Ich habe keine Ahnung, wie du dem bei dir Zuhause hast entkommen können...«

Plötzlich hielt er inne und beugte sich vor. »Hast du Hunger, Junge?« Jair nickte. Der Gnom betrachtete ihn einen Augenblick lang nachdenklich, dann stand er auf. »Ich will dir was sagen. Ich nehme den Knebel raus und füttere dich, wenn du versprichst, deine Zauberkünste nicht gegen mich einzusetzen. Es würde dir ohnehin nicht viel nützen, wo du an den Baum gefesselt bist — es sei denn, deine Schlangen können auch Seile durchbeißen. Ich werde dir etwas zu essen geben, und wir können uns ein bißchen unterhalten.

Die anderen werden erst morgen früh hier sein. Was hältst du davon?«

Jair dachte kurz nach und nickte zustimmend. Er hatte einen Bärenhunger.

»Also abgemacht.« Der Gnom trat zu ihm und zog den Knebel heraus. Eine Hand umschloß fest Jairs Kinn. »Und jetzt dein Wort — versprich es. Keine Zauberei.«

»Keine Zauberei«, wiederholte Jair und wand sich.

»Gut, gut.« Der Gnom ließ seine Hand sinken. »Du bist einer, der Wort hält, wette ich. Weißt du, jeder taugt nur soviel wie sein Wort.« Er griff zu seinem Gürtel nach einer festen Lederflasche, löste den Stöpsel und führte sie an Jairs Lippen. »Trink. Los schon, nimm einen Schluck.«

Jair nippte die unbekannte Flüssigkeit, seine Kehle war trocken und wie zugeschnürt. Es war derbes, bitteres Bier und brannte das ganze Stück die Kehle hinab bis zum Magen. Jair würgte und wich zurück, der Gnom verstöpselte die Flasche wieder und hängte sie zurück an seinen Gürtel. Dann hockte er sich auf seine Hinterbacken zurück und grinste.

»Ich heiße Spinkser.«

»Jair Ohmsford.« Jair mühte sich immer noch zu schlucken. »Aber das weißt du vermutlich.«

Spinkser nickte. »Das wußte ich. Aber wie es scheint, hätte ich noch ein bißchen mehr in Erfahrung bringen sollen. Du hast mich auf eine ganz schöne Verfolgungsjagd geschleppt.«

Jair zog die Stirn kraus. »Wie hast du es überhaupt geschafft, mich einzuholen? Ich hätte nicht geglaubt, daß dies noch irgend jemand gelingen könnte.«

»Ach, das.« Der Gnom schnüffelte. »Naja, irgend jemand hätte es auch nicht geschafft. Aber ich bin ja nicht irgendwer.«

»Was meinst du damit?«

Der Gnom lachte. »Ich meine, ich bin Fährtensucher, Junge. Das ist mein Beruf. Tatsache ist, daß ich das wohl besser kann als irgendein anderer, der noch am Leben wäre. Deshalb haben die anderen mich auch mitgebracht. Deshalb bin ich hier. Ich war auf Fährtensuche.«

»Nach mir?« fragte Jair verwundert.

»Nein, nicht nach dir... nach dem Druiden! Den sie Allanon nennen. Hinter ihm war ich her. Du bist mir nur zufällig zur falschen Zeit in die Quere gekommen.«

Ein entsetzter Ausdruck machte sich auf dem Gesicht des Jungen aus dem Tal breit. Dieser Gnom war ein Fährtensucher? Kein Wunder, daß er ihm nicht hatte entkommen können, wie es ihm bei jedem anderen Menschen gelungen wäre. Aber Allanon aufzustöbern...?

Spinkser schüttelte hilflos den Kopf und stand auf. »Schau, ich werde dir alles erklären, aber laß uns erst etwas essen. Ich mußte dich von der zwei Meilen entfernten Jagdhütte hierher tragen, und wenn du auch klein wirkst, bist du für deine Größe ziemlich schwer. Während du geschlafen hast, hat mir das ganz schönen Appetit gemacht. Jetzt bleib still sitzen, ich werde etwas aufs Feuer setzen.«

Spinkser holte von der anderen Seite der Lichtung einen Rucksack, zog einige Kochutensilien heraus und innerhalb weniger Minuten schmurgelte über dem Feuer ein Rindfleisch-Gemüse-Eintopf. Der Duft des kochendes Essens zog durch die Abendluft an Jairs Nasenflügel, daß ihm der Mund wäßrig wurde. Ihm wurde klar, daß er schon mehr als ausgehungert war. Er hatte keine anständige Mahlzeit mehr gehabt, seit er den Gasthof verlassen hatte. Außerdem mußte er bei Kräften bleiben, falls er irgendeine Chance finden sollte, diesem Burschen zu entkommen, und er war fest entschlossen, das bei der ersten Gelegenheit zu tun.

Als das Gericht gar war, brachte Spinkser es zu der Stelle herüber, wo er gefesselt war und teilte sein Mahl mit ihm, indem er ihn löffelweise von eigener Hand fütterte. Das Essen schmeckte köstlich, und sie verzehrten alles zusammen mit einem Kanten Brot und etwas Käse. Spinkser trank noch mehr von dem Bier, ließ Jair aber aus einer Wassertasse trinken.

»Kein übler Eintopf, wenn ich das selbst sagen darf«, meinte der Gnom schließlich und beugte sich ans Feuer, um die Pfanne auszukratzen. »Habe im Laufe der Jahre eine Menge nützlicher Dinge gelernt.«

»Wie lange bist du denn schon Fährtensucher?« fragte Jair ihn erstaunt.

»Fast mein ganzes Leben lang. Ich habe in deinem Alter zu lernen begonnen.« Er packte das Kochgeschirr fort, stand auf und kam zu dem Jungen aus dem Tal. »Was weißt du über diesen Job?«

Jair berichtete ihm knapp von dem alten Fährtensucher, der im Gasthof gewohnt hatte, von ihren Gesprächen und den Suchspielen, die sie veranstaltet hatten, bis das Bein des alten Mannes geheilt war. Spinkser lauschte schweigend, und deutliches Interesse stand in seinen derben, gelben Zügen. Als Jair mit seiner Erzählung fertig war, setzte der Gnom sich zurück und ließ den Blick der scharfen Augen in vage Fernen schweifen.

»Vor langer Zeit erging es mir wie dir. Ich hatte nichts anderes im Kopf, als Fährtensucher zu werden. Schließlich bin ich mit einem von Zuhause fortgelaufen — einem alten Grenzgänger. Ich war jünger als du. Ging von Zuhause fort, geradewegs ins Ostland nach Callahorn und ins Nordland. So lebte ich über fünfzehn Jahre. Bereiste nacheinander alle Länder, weißt du. Und sie haben mich ebenso geprägt wie meine Herkunft als Gnom aus dem Ostland. Seltsam, aber das hat mich zu einer Art heimatlosem Burschen gemacht. Gnomen trauen mir nicht richtig, weil ich zu lange unterwegs war und zuviel von allem anderen gesehen habe, um wirklich einer von ihnen zu sein. Ein Gnom, der kein Gnom ist. Ich habe mehr kennengelernt, als sie jemals erfahren werden, so abgeschieden, wie sie in den Wäldern vom Ostland leben. Und das wissen sie selbst auch. Sie können mich kaum ertragen. Sie achten mich, weil ich der Beste auf meinem Gebiet bin.«

Er blickte Jair scharf an. »Deshalb bin ich auch hier — weil ich der Beste bin. Der Druide Allanon — weißt du, der Bursche, den du angeblich nicht kennst — er kam ins Rabenhorn und nach Graumark und versuchte, sich Zugang zum Maelmord zu verschaffen. Doch in diese Grube dringt nichts ein, weder Druide noch Teufel. Die Geister erfuhren, daß er dort war und nahmen die Verfolgung auf. Ein Wandler, eine Patrouille von Gnomenjägern und ich, um seine Spur aufzunehmen. Haben ihn bis zu deinem Dorf verfolgt und gewartet, bis sich jemand zeigen würde. Ich habe fest damit gerechnet, obgleich ziemlich klar war, daß der Druide bereits weitergezogen war. Und wer sollte anderer auftauchen als du?«

Jairs Verstand arbeitete wie rasend. Wieviel weiß er? Kennt er den Grund, aus dem Allanon nach Shady Vale kam? Weiß er von den... Und plötzlich fielen ihm die Elfensteine ein, die er hastig in seinem Hemd verstaut hatte, als er aus dem Tal geflohen war. Hatte er sie noch? Oder hatte Spinkser sie gefunden? Oh, Geister!