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Die Augen unablässig auf jene des Gnomen gerichtet, bewegte er sich vorsichtig in seinen Fesseln, um zu spüren, ob der Druck der Steine auf seinem Körper noch zu spüren war. Aber es war sinnlos. Die Seile umschnürten seine Kleider und ließen ihn nicht eindeutig fühlen, ob er sie noch hatte. Er wagte nicht, an sich hinabzublicken, nicht einmal für einen Augenblick.

»Schneiden die Seile ein wenig ein?« fragte Spinkser plötzlich.

Er schüttelte den Kopf. »Ich habe nur versucht, mich bequemer zu setzen.« Er zwang sich, sich zurückzulehnen und zu entspannen. Er lenkte wieder auf ein anderes Thema. »Warum hast du dir die Mühe gemacht, mich aufzuspüren, wenn du doch Allanon verfolgen sollst?«

Spinkser neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Weil ich — dem Druiden nachspürte, um herauszufinden, wohin er ging, und diese Aufgabe habe ich erfüllt. Er ging in dein Dorf zu deiner Familie. Nun hat er die Rückreise nach dem Ostland angetreten — stimmt’s? Ach, du brauchst nicht zu antworten. Zumindest mir nicht. Aber denen, die mich begleitet haben, wirst du antworten müssen, wenn sie morgen früh hier eintreffen. Sie sind zwar ein bißchen langweilig, aber zuverlässig. Ich mußte sie zurücklassen, um sicherzugehen, dich zu erwischen. Verstehst du, sie wollen etwas über Allanons Besuch erfahren. Sie wollen wissen, warum er kam. Und unglücklicherweise für dich wollen sie noch etwas wissen.«

Er machte eine bedeutungsvolle Pause, während seine Augen sich in Jair bohrten. Der Junge aus dem Tal atmete tief ein. »Über die Zauberei?« flüsterte er.

»Kluges Bürschchen.« Spinksers Lächeln war hart.

»Und wenn ich es ihnen nicht verraten will?«

»Das wäre töricht«, antwortete der Gnom ruhig.

Sie starrten einander wortlos an. »Der Geist würde mich zum Sprechen bringen, wie?« fragte Jair schließlich.

»Der Geist ist nicht dein Problem.« Spinkser schnaubte. »Der Geist folgt dem Druiden nach Norden. Der Sedt ist dein Problem.«

Der Talbewohner schüttelte den Kopf. »Sedt? Was ist ein Sedt?«

»Ein Sedt ist ein Gnomenanführer — in diesem Falle Spilk. Er befehligt die Patrouille. Ein recht unangenehmer Bursche. Verstehst du, nicht wie ich. Ganz ein Ostland-Gnom. Er würde dir genauso schnell den Hals abschneiden, wie er dich ansieht. Er ist dein Problem. Die Fragen, die er stellt, solltest du besser beantworten.« Er zuckte mit den Schultern. »Außerdem werde ich alles in meiner Macht stehende tun, dafür zu sorgen, daß du freigelassen wirst, sobald du Spilk erzählt hast, was er hören will. Schließlich gilt unser Kampf nicht den Talbewohnern. Wir liegen mit den Zwergen im Streit. Ich möchte dich ja nicht enttäuschen, aber du bist wirklich ganz und gar unwichtig. Interessant ist nur die Zauberkunst, die du beherrschst. Nein, du wirst die Fragen beantworten, und ich denke, daß du dann ziemlich rasch freigelassen wirst.«

Jair beäugte ihn mißtrauisch. »Ich glaube dir nicht.«

Spinkser wich zurück. »Nein? Na, da hast du mein Wort drauf. Es ist soviel wert wie deines.« Dichte Augenbrauen wölbten sich in die Höhe.

»Es bedeutet mir ebenso viel wie dir, Junge. Nun nimm es schon an.«

Jair schwieg einen Augenblick. Eigentümlicherweise war er überzeugt, daß der Gnom die Wahrheit sagte. Wenn er versprach, sich um Jairs Freilassung zu bemühen, würde er das auch tun. Wenn er glaubte, Jair würde gehen können, wenn er die gestellten Fragen beantwortete, dann war das vermutlich so. Jair zog eine Grimasse. Andrerseits, warum sollte er irgendeinem Gnomen vertrauen?

»Ich weiß nicht«, murmelte er.

»Du weißt nicht?« Spinkser schüttelte verzweifelt den Kopf. »Glaub nur nicht, du hättest eine Wahl, Junge. Wenn du nichts antwortest, nimmt Spilk sich dich vor. Wenn du dann immer noch nicht redest, übergibt er dich den Wandlern. Was glaubst du, was dann mit dir geschieht?«

Jair kroch Eiseskälte in Mark und Bein. Er mochte erst gar nicht darüber nachdenken, was dann aus ihm würde.

»Ich hatte dich für schlau gehalten«, fuhr der Gnom fort, und seine runzligen, gelben Züge verzerrten sich zu einer Grimasse. »Schlau hast du dich an den anderen da hinten vorbeigeschlichen — sogar an dem Wandler. Also bleibe auch schlau. Welchen Unterschied macht es jetzt noch, was du irgend jemandem erzählst? Welche Rolle spielt es, wenn du dem Sedt erklärst, warum der Druide euch besucht hat? Der Druide ist inzwischen ohnehin fort — und ist vermutlich diesseits vom Ostland nicht mehr einzuholen. Er hat euch doch gewiß nichts so Wichtiges erzählt, oder? Und die Zauberei — alles, was sie darüber wissen wollen ist, wo und von wem du die Kenntnisse dazu erworben hast. Vielleicht vom Druiden? Oder von jemand anderem?« Er wartete einen Augenblick, aber Jair schwieg. »Nun, berichte halt, wie du sie erlernt hast und wie du sie anwendest — das ist doch recht einfach und kostet dich nichts. Aber keine Spielchen, sag einfach die Wahrheit. Wenn du das machst, wirst du nicht mehr gebraucht.«

Wieder wartete er, daß Jair antwortete, und wieder blieb der Talbewohner stumm.

Spinkser zuckte mit den Schultern. »Na, denk darüber nach.« Er stand auf, streckte sich und trat zu Jair. Mit einem fröhlichen Lächeln schob er ihm wieder den Knebel in den Mund. »Tut mir leid wegen des Schlafplatzes, aber ich kann mit dir keine großen Risiken eingehen. Soviel habe ich durch dich ja inzwischen schon gelernt.«

Immer noch lächelnd holte er eine Decke von der anderen Seite der Lichtung, brachte sie zu Jair, hüllte sie um ihn und steckte die Ecken dorthin, wo die Seile sich um den Baum schlangen, so daß sie nicht verrutschen konnte. Dann ging er zum Feuer und trat es aus. Im schwachen Schein der glühenden Kohlen sah Jair, wie seine untersetzte Gestalt in die Dunkelheit davonging.

»Ach, muß ich mich doch tatsächlich mit so Läppischkeiten befassen, wie einen Talbewohner zu jagen«, murmelte der Gnom. »Was für eine Vergeudung meines Talents! Nicht einmal ein Zwerg! Sie hätten mich wenigstens einen Zwergen aufstöbern lassen können. Oder wieder den Druiden. Pah! Der Druide hat kehrt gemacht, den Zwergen beizustehen, und ich kann hier herumsitzen und den Jungen beaufsichtigen...«

Er brummelte noch eine Weile weitgehend unverständliches Zeug vor sich hin, dann verstummte seine Stimme endgültig.

Jair Ohmsford saß allein in der Dunkelheit und überlegte, was er am nächsten Morgen tun wollte. Er schlief jämmerlich in dieser Nacht, weil die Seile, die ihn fesselten, ihn verkrampften und scheuerten und die Aussicht auf das Kommende ihn quälte. Von welchem Blickwinkel er es auch betrachtete, seine Zukunft sah finster aus. Von seinen Freunden konnte er keine Hilfe erhoffen; schließlich wußte keiner, wo er war. Seine Eltern und Brin, Rone und Allanon wähnten ihn alle sicher im Gasthof von Shady Vale. Und logischerweise konnte er auch nicht mit allzu viel Rücksicht von jenen rechnen, in deren Gefangenschaft er sich befand. Trotz Spinksers Versprechungen erwartete er nicht, freigelassen zu werden, wie viele Fragen er auch immer beantwortete. Wie sollte er schließlich auf Fragen nach der Zauberei reagieren? Spinkser hielt es eindeutig für eine angelernte Fähigkeit. Wenn die Gnomen erst erfuhren, daß es keine erworbene Kunst, sondern ein angeborenes Talent war, würden sie mehr hören wollen. Sie würden ihn ins Ostland zu den Mordgeistern mitschleppen...

So vergingen die Nachtstunden. Gelegentlich döste er, wenn seine Erschöpfung die Überhand gewann über Unbequemlichkeit und Sorgen, doch niemals sehr lange. Dann gegen Morgen überwältigte ihn doch die Müdigkeit, und er schlief ein.

Es dämmerte noch nicht, als Spinkser ihn grob wachrüttelte.

»Steh auf«, befahl der Gnom. »Die anderen sind da.«

Jair schlug blinzelnd die Augen auf, zwinkerte ins Grau der Vordämmerung, das den Wald des Hochlandes umhüllte. Die Luft war kalt und feucht, selbst mit der um seinen Körper gehüllten Decke, und feiner Nebel senkte sich herab und hing an den dunklen Fichtenstämmen. Es herrschte Totenstille, der Wald war noch nicht wieder zu Leben erwacht. Spinkser beugte sich über ihn und löste die Stricke, die ihn an den Baum banden. Es waren keine anderen Gnomen zu sehen.