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Der Waffenmeister zuckte mit den Schultern. »Die Entscheidung liegt bei ihm.«

Es trat eine lange, unbeholfene Stille ein. »Spinkser, wenn du das machst, zeige ich dir auch ein bißchen, wie meine Zauberkunst geht«, lockte Jair schließlich.

Plötzliches Interesse blitzte in den dunklen Augen des Gnomen auf. »Nun denn, das ist ein Risiko wert oder...« Dann hielt er inne. »Nein! Was hast du mit mir vor? Glaubst du, du könntest mich bestechen? Meinst du das?«

»Nein«, widersprach Jair eilends. »Ich wollte nur...«

»Nein, das schaffst du nicht!« unterbrach der andere ihn entschieden. »Ich lasse mich nicht bestechen! Ich bin doch kein...!« Er stotterte und verstummte, weil er nicht das richtige Wort für das fand, was er nicht war. Dann richtete er sich auf. »Wenn es dir soviel bedeutet, wenn es so wichtig ist, na gut, dann bleibe ich bei euch. Wenn du willst, daß ich mitkomme, komme ich — aber nicht für ein Schmiergeld! Ich werde mitkommen, weil ich es will. Aus meinem freien Willen, verstanden? Und nur bis zur Grenze — keinen Schritt weiter! Mit den Zwergen will ich nichts zu tun haben!«

Jair gaffte ihn einen Moment lang verwundert an, dann streckte er ihm rasch die Hand entgegen. Spinkser schüttelte sie feierlich.

Sie beschlossen, Spilk so, wie er am Baum saß, zurückzulassen. Es würde ihn einige Zeit kosten, sich zu befreien, aber schließlich würde er es schaffen. Und wenn es ganz dick käme, überlegte Spinkser finster, könnte er die Seile immer noch durchnagen. Wenn er um Hilfe schrie, würde ihn vielleicht jemand hören. Aber er würde vorsichtig sein müssen. Die Schwarzen Eichen waren die Heimat einer besonders gefährlichen Sorte Waldwölfe, und die Rufe würden sehr wahrscheinlich ihre Aufmerksamkeit erregen. Andererseits kämen die Wölfe vielleicht ohnehin irgendwann zum Trinken...

Spilk hörte diese letzten Worte und wurde wach, als Jair mit seinen Begleitern gerade aufbrechen wollte. Benommen und wütend drohte ihnen der stämmige Gnom, sie könnten sich alle auf ein äußerst unerfreuliches Ende gefaßt machen, wenn er sie wieder eingeholt hätte, und er würde sie einholen. Sie ignorierten seine Drohungen — obgleich Spinkser sie merklich mit Unbehagen vernahm — und Minuten später hatten sie den Sedt zurückgelassen. Es war schon eine eigentümliche Gesellschaft, in der Jair sich nun befand: ein Gnom, der ihn verfolgt, überwältigt und drei Tage gefangen gehalten hatte, und ein legendärer Abenteurer, der Dutzende mehr Menschen umgebracht hatte, als er Jahre auf dieser Erde lebte. Da waren sie zu dritt unterwegs, und Jair fand dieses Bündnis schlichtweg unglaublich. Was hatten diese beiden mit ihm vor? Garet Jax hätte seiner Wege gehen können, ohne sich um Jair zu kümmern, doch er hatte es nicht getan. Er hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, um den Talbewohner zu retten, und sich dann entschlossen, für eine Zeitlang seinen Bewacher zu spielen. Warum sollte ein Mann wie Garet Jax etwas Derartiges tun? Und Spinkser hätte seine Bitte, ihnen zu helfen, alle Gefahren zu umgehen, die zwischen ihnen und dem Anar lagen, abschlagen können, wußte er doch, daß er sich damit selbst in Gefahr brachte und daß Garet Jax ihm nicht recht traute und jeden seiner Schritte beobachten würde. Und doch hatte er sich ganz unerwartet, ja fast wunderlicherweise, entschlossen, mitzukommen. Auch hier stellte sich die Frage — warum?

Doch letztlich überraschten ihn seine eigenen Motive am stärksten, als er begann, darüber nachzudenken. Wenn schließlich ihre Entscheidung, bei ihm zu bleiben, erstaunlich war, wie sehr dann erst die seine, mit ihnen zu gehen? Spinkser war bis vor wenigen Augenblicken sein Gefangenenwärter gewesen! Und vor Garet Jax, seinem Retter, fürchtete er sich eindeutig. Immer wieder mußte er daran denken, wie der Waffenmeister den Gnomen entgegengetreten war — schnell, tödlich, furchteinflößend und so schwarz wie der Tod, den er brachte.

Einen Augenblick lang stand dieses Bild vor dem geistigen Auge des Talbewohners — dann schob er es rasch beiseite.

Nun, Fremde, wurden unterwegs zu Weggefährten, um sich gegenseitig Schutz zu bieten, und Jair vermutete, daß dieser Gesichtspunkt hier wohl eine Rolle spielte. Er mußte klaren Kopf behalten. Letztendlich war er jetzt frei und befand sich in keiner großen Gefahr. Er konnte innerhalb eines Augenblicks verschwinden. Ein einziger Ton des Wunschliedes im Wispern des Windes gesungen, und schon wäre er fort. Der Gedanke daran war irgendwie tröstlich. Hätte er sich nicht so tief in den Schwarzen Eichen befunden, wären die Mordgeister nicht auf der Suche nach ihm gewesen und hätte er nicht das verzweifelte Bedürfnis empfunden, sich andere Hilfe zu suchen...

Er preßte den Mund zusammen, um die Worte nicht auszusprechen. Spekulationen über das, was hätte sein können, waren zwecklos. Es gab genug Reales, mit dem er sich auseinanderzusetzen hatte. Vor allem mußte er daran denken, kein Wort von Brin und den Elfensteinen zu erwähnen.

Sie waren keine Stunde durch die Schwarzen Eichen gewandert, als sie an eine Lichtung kamen, auf die ein halbes Dutzend Wege mündete. Spinkser, der sie durch den verdüsterten Wald anführte, blieb stehen und deutete auf einen Pfad in südliche Richtung.

»Dort entlang«, verkündete er.

Garet Jax sah ihn verwundert an. »Nach Süden?«

Spinkser zog die buschigen Augenbrauen zusammen. »Nach Süden. Der Wandler wird durch den Nebelsumpf aus dem Silberfluß-Gebiet kommen. Das ist der schnellste und leichteste Weg — zumindest für diese Teufel. Sie fürchten sich vor nichts, was in den Sümpfen lebt. Wenn wir das geringste Risiko eingehen wollen, schlagen wir den Weg südlich um den Sumpf durch die Eichen ein und biegen dann durch die Tiefebene nach Norden.«

»Ein weiter Weg, Gnom«, murmelte der Waffenmeister.

»Auf dem ihr zumindest dorthin gelangt, wo ihr hinwollt!« schnauzte der andere.

»Vielleicht könnten wir an ihm vorbeischleichen.«

Spinkser stemmte die Hände in die Hüften und straffte seinen untersetzten Körper. »Na klar, vielleicht könnten wir auch fliegen! Hah! Ihr habt ja keine Ahnung, wovon Ihr überhaupt redet!«

Garet Jax schwieg und musterte den Gnomen, Spinkser hatte plötzlich das Gefühl, er könnte vielleicht zu weit gegangen sein. Er warf Jair einen hastigen Blick zu, räusperte sich nervös und zuckte mit den Schultern.

»Na ja, Ihr kennt die Mordgeister nicht so wie ich. Ihr habt nicht unter ihnen gelebt. Ihr habt nicht gesehen, wessen sie fähig sind.« Er holte tief Luft. »Sie sind wie etwas, das sich aus der Finsternis gestohlen hat — als wäre ein jeder ein Stück entfesselte Nacht. Wenn sie vorübergehen, sieht man sie nie. Und man kann sie nicht hören. Man fühlt sie nur — man fühlt ihre Annäherung.« Jair schauderte, als er an die Begegnung in Shady Vale und die unsichtbare Präsenz hinter der Wand dachte. »Sie lassen auf ihrem Weg keine Spuren zurück«, fuhr Spinkser fort. »Sie tauchen auf und verschwinden, wie ihr Name vermuten läßt. Mordgeister. Schwarze Wandler.«

Er verstummte und schüttelte den Kopf. Garet Jax warf Jair einen fragenden Blick zu. Der Talbewohner vermochte an nichts anderes zu denken als an das Gefühl, als er an jenem Abend im Tal in sein Haus zurückgekehrt war, wo einer auf ihn wartete.

»Ich möchte nicht das Risiko eingehen, daß wir einem über den Weg laufen«, meinte’ er ruhig.

Der Waffenmeister schob seinen Tornister auf den Schultern zurecht. »Dann gehen wir südwärts.«

Den ganzen Nachmittag zogen sie in südlicher Richtung durch die Schwarzen Eichen und folgten dem Pfad, der sich zwischen den Bäumen hindurchschlängelte. Dämmerschein fiel über den Wald, und das graue Licht des Mittags schwächte sich rasch zum Abend hin ab. Feiner Nebel begann feucht und klebrig durch die Bäume zu sickern. Er wurde ständig dichter. Nun war es schwieriger, dem Weg zu folgen, der in regelmäßigen Abständen nicht zu erkennen war, wenn der Nebel heruntersank. Aus der zunehmenden Dunkelheit erklangen die Nachtgeräusche, und die waren nicht angenehm.

Spinkser hieß sie stehenbleiben. Sollten sie für die Nacht ein Lager aufschlagen? wollte er wissen. Beide Männer schauten Jair an. Der Junge aus dem Tal war steif und erschöpft und ließ den Blick schweifen. Rund um sie her erhoben sich riesenhafte Eichen, deren glitzernde, schwarze Stämme sie wie eine massive Festung einschlössen. Überall lagen Nebel und Schatten, und irgendwo in diesem Wald jagte sie ein Wandler.