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In dem Gewölbe stütze Allanon die Finger an die Granitwand und hielt den Kopf in tiefer Konzentration gesenkt. Unvermittelt verstrahlten seine Finger einen tiefblauen Schimmer durch den Stein. Dieses Glühen wurde zu Feuer, das lautlos durch den Granit loderte, aufflackerte und erlosch. Wo sich zuvor die Granitwand befunden hatte, waren nun Regale mit dicken, ledergebundenen Büchern zu erkennen: die Geschichtsbücher der Druiden.

Im Korridor hinter dem Studierzimmer rückten die Stimmen näher.

Rasch hob Allanon einen der dicken Bände von seinem Platz auf den Regalen und trug ihn. zu einem leeren Holztisch in der Mitte der Kammer. Er legte das Buch auf den Tisch und schlug es auf.

Er blieb stehen und begann, es schnell durchzublättern. Er fand fast sogleich, was er suchte, und beugte sich tief hinab, um zu lesen.

In die gedämpften, rauhen Stimmen draußen mischte sich nun das Poltern von Stiefeln. Hinter jener Tür trappten mindestens ein halbes Dutzend Gnomen.

Brin formte mit den Lippen lautlos Rones Namen, und ihre Augen waren im Schein der Fackeln von Furcht erfüllt. Der Hochländer zögerte, dann reichte er ihr rasch seine Fackel und zog das Schwert von Leah. Mit zwei Schritten war er an der Tür und schob den Riegel vor. Die Stimmen und die polternden Füße gingen vorüber und weiter — bis auf eine. Eine Hand machte sich an dem Riegel zu schaffen und wollte die Tür öffnen. Brin trat noch weiter in die Dunkelheit des Studierzimmers zurück und betete, daß, wer immer da draußen stünde, nicht das Licht ihrer Fackel sah oder sie roch und daß die Tür sich nicht öffnen würde. Der Riegel wurde noch einen Augenblick gerüttelt. Dann begann derjenige draußen, es mit Gewalt zu versuchen.

Unvermittelt zog Rone Leah den Riegel zurück, riß die Tür auf und zerrte einen verdutzten Gnomen herein. Der stieß einen überraschten Aufschrei aus, ehe ihn der Knauf vom Schwert des Hochländers am Kopf traf und er bewußtlos zu Boden fiel.

Eilends schloß Rone die offene Tür zum Arbeitszimmer, verriegelte sie wieder und trat zurück. Brin rannte zu ihm. Im Gewölbe stellte Allanon den Band, in dem er gelesen hatte, an seinen Platz auf dem Regal zurück. Mit einer schnellen kreisenden Handbewegung vor den Werken der Druidengeschichte verwandelte er die Bücherborde wieder in die Granitwand. Er riß seine Fackel aus dem Halter, eilte aus dem Gewölbe, schob das Regal zurück, das seinen Zugang verbarg, und winkte dem Hochländer und dem Mädchen, ihm zu folgen. Dann schlüpfte er in den Gang, durch den sie gekommen waren. Einen Augenblick später lag das Studierzimmer hinter ihnen.

Sie gingen zurück durch das Labyrinth von Tunneln und schwitzten nun vor Angst und Anstrengung. Alles um sie her war wie zuvor, die Gesprächsfetzen, die hier und da erschollen, und das tiefe Stampfen der Feuerung, das von irgendwo unten wie ferner Donner heraufklang.

Dann hieß sie Allanon erneut stehen zu bleiben. Vor ihnen befand sich eine weitere mit Staub und Spinnweben verklebte Tür. Wortlos gab der Druide ihnen Zeichen, ihre Fackeln im Staub des Ganges auszudrücken. Sie kehrten in die Festung zurück.

Sie traten aus der Finsternis in einen hell von Fackeln erleuchteten Saal, der nur so strahlte vor Messing und poliertem Holz. Obgleich alles in der alten Burg mit Staub überzogen war, schimmerte das Putzwerk noch durch die Schichten wie kleine Flämmchen in geschecktem Schatten. Eine große Halle dehnte sich ins Dunkel, deren Eichenwände dicht behangen waren mit Tapisserien und Gemälden, derart angebracht, daß die Schmuckwerke eines anderen Zeitalters sie in hohe Nischen aufteilte. Mit dem Rücken flach an den schmalen Eingang gelehnt, sahen der Hochländer und das Talmädchen sich rasch um. Die Halle war leer.

Eilig führte Allanon sie links den verdunkelten Korridor hinab, huschte von einem Schatten zum nächsten, vorbei an kleinen Lichtkreisen rauchiger Fackeln und am Schimmern der Nacht, das dunkelgrau durch hohe, gitterverzierte Fenster fiel, die sich im Bogen . über die Brüstung draußen himmelwärts spannten. Eine seltsame Lautlosigkeit hing in den Sälen der alten Festung, als wäre plötzlich alles Leben außer dem ihren erstickt worden. Nur das beständige Brummen der Maschinen unten durchbrach die Stille. Brins Blick schoß suchend von der verdunkelten Halle zum fackelerleuchteten Eingang. Wo steckten die Mordgeister und die Gnomen, die sie befehligten? Eine Hand griff nach ihrer Schulter, und sie fuhr herum. Es war Allanon, der sie zurückzog in den Schatten eines Alkovens, der zwei hohe Eisentüren umschloß.

Dann plötzlich, wie zur Antwort auf Brins unausgesprochene Frage — durchdrang ein Schrei schrill und heiser die Stille der Feste. Das Mädchen aus dem Tal wirbelte bei dessen Ertönen herum. Er kam aus dem Studierzimmer hinter ihnen. Der Gnom, den Rone bewußtlos geschlagen hatte, war wieder zu sich gekommen.

Nun waren überall Schritte zu hören, die über die Steinfliesen dröhnten und durch die Stille polterten. Überall erklangen Schreie. Rone Leahs Schwert blitzte dunkel im Zwielicht, und der Hochländer schob Brin hinter sich. Doch Allanon hatte inzwischen das Eisengatter öffnen können; mit einem Ruck zerrte er Brin und Rone außer Sicht und schlug die Türen hinter ihnen zu.

Sie standen auf einem schmalen Treppenabsatz und blinzelten durch einen Schleier rauchigen Lichts von Fackeln, die in Haltern über die ganze Länge einer Treppe brannten. Die Stufen zogen sich wie eine Schlange an den massiven Steinmauern des riesigen Turms entlang, der sich vor ihnen erhob. Gigantisch und schwarz schien er sich in ungeahnte Höhen zu erheben; doch zu ihren Füßen unterhalb des winzigen Absatzes, auf dem sie standen, führte er in die Erde wie in eine grundlose Grube. Bis auf den Absatz und die Treppe durchbrach nichts die glatte Oberfläche der Mauern, die sich ohne Anfang und Ende in undurchdringliche Finsternis dehnten.

Brin wich an die Eisentüren zurück. Das war der Turm der Festung, der die heilige Stätte der Druiden beherbergte. Jene, die einst mit Shea Ohmsford von Culhaven gekommen waren, hatten geglaubt, hier würde das Schwert von Shannara aufbewahrt. In seiner monströsen Dimension vermittelte er das Gefühl, der Brunnen eines Riesen zu sein, der durch die ganze Erde führte.

Rone Leah tat einen Schritt auf den Rand des Absatzes zu, doch Allanon zog ihn sogleich zurück. »Bleib zurück, Hochländer!« warnte er ihn im Flüsterton.

In der Burg wurden die Rufe und Schreie lauter, und das Getrappel von Füßen ertönte von überall. Allanon machte sich daran, die schmalen Stufen mit dem Rücken zur Turmmauer emporzusteigen.

»Bleibt unten«, rief er ganz leise zu ihnen herab.

Nach einem Dutzend Stufen gelangte er an den Rand der Treppe. Magere Hände hoben sich mit gekrümmten Fingern aus dem Innern seiner schwarzen Gewänder. Seinen Lippen entschlüpften Worte, die das Talmädchen und der Hochländer nicht verstehen konnten, und die kaum vernehmlich und vom Zorn gedämpft klangen.

Aus der Tiefe des Turmes erklang zur Antwort ein deutliches Zischen.

Die Arme des Druiden sanken langsam mit nach unten gewandten Handflächen und zu Klauen verkrampften Fingern herab. Dampf sickerte aus den Winkeln seines harten Mundes, quoll ihm aus Augen und Ohren und erhob sich von dem Stein, auf welchem er stand. Brin und Rone beobachteten das Ganze voller Entsetzen. Unter ihnen zischte es wieder aus der Grube.

Dann brach blaues Feuer aus Allanons Händen, ein riesiger Flammenstoß, der hinabschoß in die Finsternis. Er zog Funken hinter sich her, flackerte unten heftig auf, nahm plötzlich eine gespenstische grüne Tönung an und erstarb.

Im Turm kehrte Stille ein. Hinter den Eisentüren waren Alarmschreie und das schwache Poltern von Schritten in chaotischem Durcheinander zu vernehmen, doch innerhalb des Turms ertönte kein Laut. Allanon sackte gegen die Wand zurück, schlang die Arme eng um seinen Leib und senkte den Kopf, als litte er Schmerzen. Der Dampf, der aus ihm emporgestiegen war, hatte sich verflüchtigt, doch der Stein, auf welchem er stand und gegen den er sich lehnte, war rußgeschwärzt.