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Dann wurden die Waffen gesenkt, und die Gnomen traten beiseite. Eine Wachablösung? Eine Ablösung für die auf der anderen Seite der Schlucht? Jair und seine Begleiter ließen sie verwundert zurück und gingen mit gesenkten Häuptern und dicht um sich geschlungenen Umhängen an ihnen vorüber. Sie marschierten auf die Brücke, und ihre Füße in den weichen Stiefeln dröhnten gedämpft auf den schweren Holzplanken. Jair sang weiter und hüllte sie alle in ihre Gnomen-Tarnung.

Dann plötzlich schlug seine Stimme über, entkräftet von der Anstrengung, der er sie ausgesetzt hatte. Doch sie hatten die Reihe der Wachposten schon hinter sich gelassen und waren vor aller Augen, die ihnen folgen mochten, in ein Leichentuch aus Nebel und Regen gehüllt. Sie erreichten die Mitte der Brücke, und der Wind peitschte heulend an ihnen vorüber. Garet Jax gab Helt und Edain Elessedil hastig Zeichen zurückzubleiben. Jair bekam gerade flüchtig mit, wie Spinkser ihn mit verwunderter Miene musterte. Dann winkte Garet Jax sie beide hinter sich und setzte sich mit Elb Foraker an seiner Seite vor ihnen wieder in Bewegung.

Sie tauchten auf der anderen Seite der Brücke aus Regen und Nacht auf, und waren für die Wache haltenden Gnomen kaum als mehr denn vermummte Schatten zu erkennen. Jair schnürte sich die Kehle zusammen. Diesmal gab es kein Wunschlied, um sie unbeschadet vorbeizuführen; es waren zu viele. Eine Reihe Gesichter drehten sich herum, als sie näherkamen. Ein paar wenige, Ungewisse Augenblicke starrten die Wachen die Gestalten, die auf sie zukamen, nur an, waren überrascht über ihr Erscheinen und doch überzeugt, daß vom Lager, das sich auf der Klippe jenseits der Brücke befand, nur Gnomen kommen konnten. Dann stürzten sich auch schon Garet Jax und Elb Foraker auf sie, ehe Überraschung in Alarm umschlagen konnte und ihre Größe und Gestalt besser wahrzunehmen waren. Kurzschwert und Langmesser blitzten in der Nacht. Ein halbes Dutzend Gnomen lag tot am Boden, ehe die anderen auch nur begriffen, was geschah. Ihre Angreifer warfen sich mitten in sie hinein, und nun entrissen sich wilde Alarmschreie ihren Kehlen und gellten zu jenen auf der anderen Seite hinüber.

Einen Augenblick später erklangen die Antwortrufe. Jair und Spinkser duckten sich tief am Ende der Brücke und beobachteten den Kampf vor ihren Augen, ehe der sich in die Dunkelheit zog und rings um sie her körperlose Schreie ertönten. Das scharfe Zischen von Elfen-Eschenholzbögen tönte über dem Rauschen von Wind und Regen, und weitere Gnomen-Jäger ließen ihr Leben.

Dann brach ein einzelner Gnom aus der Dunkelheit vor ihnen; er war blutverschmiert und zerzaust, und sein Gesicht wirkte im düsteren Licht wie von Sinnen. Er stürmte auf die Brücke, in den Händen eine Doppelaxt. Er erblickte Spinkser und blieb verwirrt stehen. Dann sah er Jair und sprang hinzu. Der Talbewohner wankte zurück und versuchte vergeblich, sich zu schützen, denn das Auftauchen des anderen hatte ihn so erschreckt, daß er im Augenblick völlig das Langmesser vergaß, das er an seinem Gürtel trug. Der Gnom heulte auf, hob die Waffe, und Jair riß abwehrend die Hände empor.

»Nicht den Jungen, du...«, schrie Spinkser.

Der Gnom kreischte vor Zorn, und wieder holte seine Axt aus. Spinksers Schwert sauste hernieder, und der Angreifer sank sterbend in die Knie. Spinkser wich mit erschrecktem Gesichtsausdruck zurück. Dann hatte er Jair auch schon beim Arm, zerrte ihn auf die Beine und weiter, bis sie vor der Brücke waren.

Unvermittelt tauchte Elb Foraker auf. Ohne ein Wort sprang er unter die Bockbrücke zu der versteckten Stelle, wo die Pflöcke die Brücke hielten. Mit hektischen Bewegungen machte er sich daran, sie herauszuzerren.

Erneute Schreie erklangen von der Mitte der Brücke. Stiefel polterten auf Holzbohlen, und aus Nebel und Finsternis kamen Helt und Edain Elessedil gestürmt. Während sie sich noch auf der Brücke befanden, drehten sie sich noch einmal um, und die Eschenholzbögen vibrierten. In der Finsternis hinter ihnen heulten Gnomen vor Schmerzen auf. Wieder summten die Bögen, neue Schreie ertönten. Das Geräusch von Laufschritten verhallte wieder in der Nacht.

»Beeilt euch mit den Pflöcken!« brüllte Helt laut.

Jetzt erschien Garet Jax und gesellte sich zu Foraker unter der Brücke. Gemeinsam schlugen sie die restlichen Pflöcke einen nach dem anderen heraus — bis auf zwei. Wieder erklang das Poltern von Stiefeln.

»Helt!« rief der Waffenmeister einen Augenblick später und kletterte auf den Brückenabsatz zurück. Foraker stand einen Schritt hinter ihm. »Runter von der Brücke!«

Der Grenzmann und der Elfenprinz kamen tief geduckt gegen den Wind aus der Nacht gerannt. Speere und Pfeile flogen an ihnen vorüber. Als der leichtere und schnellere war Edain als erster von der Brücke und sprang hinter die zusammengekauerten Gestalten von Jair und Spinkser.

»Jetzt!« rief Foraker zu Garet Jax.

Sie standen einander gegenüber und hatten Brechstangen in die Haken der letzten beiden verborgenen Pflöcke geschoben. Wie ein Mann stemmten sie sie heraus. Im gleichen Augenblick setzte Helt von der Brücke.

Mit einem Ächzen rissen sich die Holzbalken aus ihren Verstrebungen und die Brücke begann, in die Nacht hinabzusinken. Die Gnomen, die sich noch darauf befanden, schrien auf, doch es war zu spät für sie. Mit plötzlicher Wucht stürzte die Brücke hinab, fiel in Nebel und Regen, prallte gegen die Felswände, bis sie sich auch auf der anderen Seite losriß, in die Schlucht krachte und verschwand.

An den nördlichen Klippen des Keils schlüpften sechs dunkle Gestalten rasch in die Dunkelheit und waren nicht mehr zu sehen.

17

Irgendwann in den frühen Morgenstunden dieser Nacht setzte der Regen aus, während die Mitglieder der kleinen Gruppe aus Culhaven in einer flachen Höhle etwa sechs Meilen vom Keil entfernt schliefen. Keiner wußte, wann genau es geschah — nicht einmal Edain Elessedil, der für die Spätwache eingeteilt worden war. Erschöpft von der anstrengenden Flucht über den Keil war er mit den anderen eingeschlafen.

So kam es, daß der neue Tag auch einen Wetterumschlag mit sich brachte. Im Norden, fast unkenntlich im bläulichen Dunst des Horizonts, erhob sich die Bergkette, die sie Rabenhorn nannten, und von ihren gigantischen Gipfeln herab blies ein eisiger Wind, der vom Ende des Herbstes und dem herannahenden Winter kündete. Bitter und klirrend kalt fegte er Wolken, Regen und Nebel, die den Silberfluß weiter südlich verhangen hatten, hinweg, und der Himmel wurde wieder tiefblau. Feuchtigkeit und ungemütliche Klammheit waren verschwunden. Die vollgesogene Erde erhärtete wieder zu Trockenheit, das Regenwasser verdunstete im Wind, und das ganze Land war mit verblüffender Deutlichkeit scharf umrissen und strahlend im goldenen Sonnenlicht zu erkennen.

Wieder einmal zog die Gruppe, zum Schutz gegen die beißende Kälte fest in ihre noch feuchten wollenen Waldmäntel gehüllt, weiter nach Osten. Kammlinien und grasbewachsene Anhöhen säumten den Silberfluß, wo er zwischen bewaldeten Ufern hindurchrauschte. Zunehmend breiter entfaltete sich der gesamte Anar unter ihnen. Den ganzen Tag waren während ihres Marsches im Osten die eng beieinanderstehenden Spitztürme von Capaal zu sehen und überragten die Bäume des Waldes wie dicke Dornen, die das Gewebe des Himmels durchstoßen wollten. Lagen sie bei Tagesbeginn noch in weiter Ferne, so rückten sie im Laufe der Stunden unablässig näher, bis die Gruppe gegen Mitte des Nachmittags an ihre unteren Hänge gelangte und mit dem Aufstieg begann.

Sie waren jedoch noch nicht weit gekommen, als Edain Elessedil sie zum Anhalten veranlaßte. „Hört!“ warnte er sie scharf. „Hört ihr das?“

Sie blieben still am offenen Hang stehen und hielten die Köpfe ostwärts zu dem Gipfel gewandt, auf den der Elfenprinz deutete. Der Wind pfiff heftig aus den Felsen, und es war kein anderes Geräusch zu vernehmen als sein klagendes Heulen.

„Ich kann nichts hören“, murmelte Foraker leise, aber keiner rührte sich. Das Gehör der Elfen war um vieles besser entwickelt als das ihre.