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Dann schien der Wind sich unvermittelt zu drehen und auszusetzen, und von weit her erklang ein tiefes, beständiges Dröhnen. Es klang schwach und gedämpft und verlor sich in den wilden Zacken und Furchen des Gesteins.

Forakers schwarzbärtiges Gesicht verdüsterte sich. „Gnomentrommeln!“

Sie setzten ihren Marsch fort und bewegten sich jetzt vorsichtiger, wobei ihre Blicke über die Klippen und Schluchten vor ihnen schweiften. Das Dröhnen der Trommeln wurde tiefer und lauter, hämmerte gegen das Rauschen des Windes an und grollte unheilkündend durch die Erde.

Als der Nachmittag sich dem Ende zuneigte und der Schatten der Gipfel vor ihnen weiter herabfiel bis zu der Stelle, wo die sechs emporstiegen, drang ein neues Geräusch an ihre Ohren. Es war ein eigentümlicher Lärm, eine Art markerschütterndes Geheul, das zuerst Teil des Windes schien, sich dann aber durch seine Schrillheit und Vehemenz deutlich abhob. Es stieg aus den fernen Gipfeln empor, schallte an den Berghängen herab und umfing sie. Sie schauten einander an, und schließlich ergriff Garet Jax das Wort; aus seiner Stimme klang eine Spur Überraschung.

„Da wird eine Schlacht geschlagen.“

Foraker nickte und setzte sich wieder in Bewegung. „Sie haben Capaal angegriffen!“

Sie erklommen die Berge, bahnten sich ihren Weg durch ein immer dichter werdendes Labyrinth von Findlingsbruchstücken, Kluften und mehr oder minder steilen Abhängen. Als der Nachmittag in die Abenddämmerung überging, schwand der Sonnenschein, und die Schatten am gesamten Südhang wurden länger. Der Wind erstarb ebenfalls, und die Kälte, die er mit sich brachte, verlor ihre beißende Schärfe. Stille senkte sich über das Land, und nur in den kahlen Winkeln hallte das heisere Echo der Trommeln und Schlachtrufe wider. Weit jenseits ihres Standortes waren durch Kluften zwischen den öden Gipfeln große Raubvögel zu erkennen, die in trägen Bögen kreisten — Aasfresser, die beobachteten und warteten.

Dann endlich hatte die Gruppe die Kammlinie des ersten Gipfels erreicht und bog in einen tiefen, im Dunkeln liegenden Engpaß, der durch die Gesteinsmassen in die hereinbrechende Nacht führte. Felsklippen schlossen sie von allen Seiten ein, und sie blinzelten angestrengt durchs Dämmerlicht, ob sich irgendwo etwas bewegte. Doch der Weg vor ihnen war frei, und alles Leben zwischen diesen Felsen schien zu der Stelle abgezogen, wo die Schlacht vor ihnen ausgefochten wurde.

Augenblicke später tauchten sie aus dem Hohlweg auf und blieben schlagartig stehen. Die Felswand fiel steil vor ihnen ab, so daß alles Dahinterliegende offen überschaubar wurde.

„Gütige Geister!“ flüsterte Foraker heiser.

Jenseits eines Engpasses hoch in den Berggipfeln, zwischen denen der Silberfluß strömte, dehnten sich die Schleusen und Dämme von Capaal. Riesenhaft, rauh und grell weiß im Gegensatz zum schwarzen Gestein stiegen die Wände hoch im Gebirge empor und fingen wie mit den Händen eines Riesen die Wasser des Cillidellan auf. Auf den breiten, flachen Rändern der Becken, die sich über drei verschiedene Ebenen erstreckten, stand die Festung, welche die Dämme schützte als eine ausgedehnte Ansammlung von Türmen, Mauern und Brustwehren. Der größere Teil der Zitadelle lag an der Nordseite des Komplexes zu einer Ebene hin, die in einem sanften Anstieg mündete, der zu den Zuflucht gewährenden Bergen jenseits hinaufführte. Auf der hiesigen Seite stand ein kleinerer Wachturm, wo die Berge zu den Rändern des Stausees ausliefen, und nur wenige schmale Wege erlaubten den Zugang zu seinen Mauern.

Hier wurde der Kampf ausgetragen. Die Gnomen-Armee erstreckte sich über die gesamte weite Fläche der gegenüberliegenden Felsplatte und der Hänge dahinter und über alle Wege und Felsanhöhen, die hinabführten. Gewaltig und stark wogte sie in einer Flut gepanzerter Leiber und gezückter Waffen gegen die steinerne Brustwehr von Capaal und versuchte, die Befestigungsanlagen zu stürmen, die ihr Eindringen verhinderten. Katapulte schleuderten mächtige Steinbrocken durchs nachlassende Licht, daß sie mit niederschmetternder Gewalt in Rüstung und Fleisch der Zwergenverteidiger schlugen. Geschrei und Geheul stieg zwischen dem Waffengeklirre auf, und über die ganze Länge und Breite der Festung ließen Männer ihr Leben. Als winzige, gesichtslose Wesen kämpften Zwerge und Gnomen gleichermaßen vor den Zinnen und wurden in dem dabei entstehenden Blutbad hinweggeschwemmt.

„Das also haben die Gnomen sich für Capaal ausgedacht!“ schrie Foraker. „Sie haben es belagert! Kein Wunder, daß sie kühn genug waren, den Keil zu nehmen!“

Jair schob sich nach vorn, um einen besseren Ausblick zu haben. „Sind die Zwerge eingekesselt?“ erkundigte er sich besorgt. „Haben sie eine Fluchtmöglichkeit?“

„Oh, sie könnten mühelos fliehen — aber das werden sie nicht.“ Elb Forakers dunkle Augen suchten die des Talbewohners. „Unterirdische Tunnel führen zu beiden Seiten des Berges hinaus, Geheimgänge für den Fall, daß die Feste fallen sollte. Doch die Mauern von Capaal sind uneinnehmbar, Ohmsford, also werden die Zwerge bleiben und die Festung verteidigen.“

„Aber wozu?“

Foraker deutete in die entsprechende Richtung. „Wegen der Schleusen und Dämme. Siehst du die Wasser vom Cillidellan? Das Gift der Mordgeister hat sie geschwärzt und brackig werden lassen. Die Dämme stauen dieses Wasser zum Land im Westen hin; die Schleusen kontrollieren die Abflüsse. Ließe man die Festung im Stich, fielen Dämme und Schleusen in die Hand des Feindes. Die Gnomen würden die Tore öffnen und den ganzen Cillidellan abfließen lassen. Sie würden das Land im Westen mit dem faulen Wasser überfluten und soviel wie möglich vergiften und soviel Leben wie möglich töten. Die Geister würden schon dafür sorgen. Selbst Culhaven wäre verloren.“ Er schüttelte finster sein bärtiges Haupt. „Das werden die Zwerge niemals zulassen.“

Jair schaute noch einmal auf die unten tobende Schlacht hinab, deren Heftigkeit ihn anwiderte. So viele Gnomen belagerten die Verteidiger der Festung; wären die Zwerge in der Lage, ihnen allen zu widerstehen?

„Wie kommen wir an diesem Chaos vorbei?“ Garet Jaxens Blick schweifte den Hang hinab.

Der Zwerg wirkte in Gedanken verloren. „Wenn es dunkel ist, müßt ihr euch ostwärts an den Bergen entlangschleichen. Auf diese Weise bleibt ihr wohl oberhalb der Gnomenlager. Wenn ihr erst einmal am Cillidellan vorüber seid, steigt ihr zum Fluß hinunter und überquert ihn. Dann schlagt ihr den Weg in Richtung Norden ein. Dort müßtet ihr euch einigermaßen in Sicherheit befinden.“ Er richtete sich auf und streckte die Hand aus. „Viel Glück, Garet.“

Der Waffenmeister erstarrte. „Glück? Du denkst doch wohl nicht daran hierzubleiben, wie?“

Der andere zuckte mit den Schultern. „Ich denke an gar nichts. Es ist beschlossene Sache.“

Garet Jax starrte ihn an. „Du kannst hier nichts ausrichten, Elb.“

Foraker schüttelte langsam den Kopf. „Jemand muß die Garnison warnen, daß die Brücke am Keil abgerissen ist. Denn wenn im schlimmsten Falle Capaal fällt und sie versuchen, durch die Berge zu fliehen, könnten sie dort in eine Falle laufen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Abgesehen davon kann Helt euch im Dunkeln besser anführen als ich. Und hinter Capaal kenne ich mich ohnehin nicht mehr aus. Der Gnom wird euch führen müssen.“

„Wir haben ein Abkommen geschlossen — alle sechs.“ Die Stimme des Waffenmeisters war eisig geworden. „Keiner geht seiner eigenen Wege. Wir brauchen dich.“

Der Zwerg reckte trotzig das Kinn vor. „Sie brauchen mich ebenfalls.“

Gespanntes Schweigen lastete auf der Gruppe, als die beiden einander gegenüberstanden. Keiner machte Anstalten nachzugeben.

„Laßt ihn gehen“, brummelte Helt leise. „Er hat das Recht, sich frei zu entscheiden.“

„Die Entscheidung fiel in Culhaven.“ Garet Jax warf dem Grenzbewohner einen frostigen Blick zu.

Jair schnürte es die Kehle zusammen. Er wollte etwas sagen — irgend etwas —, um die Spannung zwischen dem Zwerg und dem Waffenmeister zu lösen, aber ihm fiel nichts ein, was er hätte vorbringen können. Er warf Spinkser einen flüchtigen Blick zu, um die Gedanken des Gnomen zu erforschen, doch der schenkte ihnen überhaupt keine Beachtung.