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Doch erst mußten sie sich nahe genug an die Brustwehr von Capaal heranarbeiten, damit Helt mit dem Eschenholzbogen die Nachricht Forakers zu den Zwergenverteidigern schießen konnte. Sie hatten vorher vereinbart, daß der Grenzbewohner sein Glück mit dem Schuß versuchen sollte, denn war es auch Edain Elessedils Idee gewesen, stellte Helt doch bei weitem den kräftigeren der beiden dar. Mit dem großen Eschenholzbogen brauchte er sich den Festungsmauern nicht weiter als auf zweihundert Meter zu nähern, um Pfeil und Nachricht hinüber befördern zu können.

Schritt für Schritt stahl sich der Trupp von den Berghöhen hinab durch die Reihen der feindlichen Wachen. Die Gnomen lagerten entlang der breiteren Wege von der Stelle aus aufwärts, wo das Hauptlager die Festung umgürtete; so beachteten sie die kleineren Pfade und Grate weniger, die sich im Zickzack über die Felswand schlängelten. Über diese Schleichwege führte Foraker die kleine Gruppe langsam und vorsichtig hinab, denn der Boden war tückisch, und es gab nur wenig Deckungsmöglichkeiten. Sie hatten sich alle weiche Lederlappen um die Stiefel gewickelt und die Gesichter mit Holzkohle geschwärzt. Keiner sprach ein Wort. Mit Händen und Füßen tasteten sie sich vorsichtig hinab und hüteten sich vor jedem lockeren Stein und vermieden jedes Geräusch, das sie hätte verraten können.

Zweihundert Meter vor den Festungsmauern befanden sie sich genau hinter den vorderen Belagerungslinien der Gnomen-Armee. Rings um sie her loderten Wachfeuer — und auch entlang der ganzen Wege, die zurückführten. Schweigsam kauerten sie sich in einer kleinen Ansammlung von Sträuchern nieder und warteten auf Helt. Der hünenhafte Grenzbewohner zog aus dem Köcher den Pfeil mit der Botschaft, legte ihn in den Eschenholzbogen und huschte davon in die Nacht. Ein paar wenige Meter weiter am Rande des Gesträuchs hielt er ihn kurz an seine Wange, spannte ihn und schoß ab.

Ein scharfes Schwirren zerriß die Stille des Unterschlupfs des kleinen Trupps, doch jenseits ihres Verstecks ging das Geräusch im normalen Getöse des Gnomenlagers unter. Trotzdem warfen die Sechs sich in den Büschen für lange Minuten zu Boden, warteten und lauschten auf irgendwelche Hinweise, daß sie entdeckt worden waren. Es gab keine. Helt kam durch die Dunkelheit zurückgeschlichen und nickte Foraker knapp zu. Die Botschaft war übermittelt.

Die Gruppe kroch zurück durch die Nacht und zwischen den Wachfeuerlinien der Gnomen hindurch, wobei sie sich diesmal ostwärts um den Rumpf der Berge in jene Richtung bewegten, wo die Wasser des Cillidellan im weichen Mondlicht schimmerten. Weit jenseits des Sees, wo der Damm in den breiten Hang des Gebirges im Norden überging, loderten Gnomenfeuer hoch um die eingekreisten Schleusen und Dämme und entlang der Uferlinie des Cillidellan. Jair besah sich die große Anzahl der Wachfeuer, und Kälte drang ihm bis ins Mark. Wieviel Tausende von Gnomen waren hierherg eführt worden, um diese Festung zu belagern? fragte er sich bedrückt. Unmengen, wie es schien. Viel zu viele. Die Feuer wurden mit rötlichem Schein im Wasser des Sees reflektiert, und kleine Flämmchen tanzten wie Blutströpfchen über die spiegelglatte Oberfläche.

Die Zeit verflog. Weit im Norden begannen Sterne zu funkeln, die am weiten Nachthimmel verstreut und irgendwie verloren wirkten. Inzwischen hatten sie die Reihe der Wachfeuer am Südhang hinter sich gelassen und schlugen sich vom Gnomenlager aus nach Süden durch. Sie befanden sich hoch droben an der Felswand, von wo aus sie schon fast die Ebenen am Südufer des Cillidellan sehen konnten, fast schon dort, wo ihr Abstieg in die Wälder drunten beginnen konnte. Jair empfand ein vages Gefühl von Erleichterung. Er kam sich schrecklich schutzlos vor an den freien Hängen der Bergwand. Wenn endlich wieder die Waldgegend Deckung gewährte, wären sie weit besser daran.

Dann bogen sie um die Ecke der Felswand, huschten durch eine Masse gigantischer Findlinge bergab und kamen abrupt und erschrocken zum Stehen.

Vor ihnen verbreiterte sich der Hang zu den Ufern des Cillidellan hin auf einem Zickzackweg zwischen Felsen und Bergwand. Über seine ganze Länge und Breite dehnten sich Wachfeuer. Jair fühlte, wie es ihm vor Angst die Kehle zuschnürte. Ein zweites Gnomenheer schnitt ihnen den Weg ab.

Garet Jax warf Foraker einen schnellen Blick zu, und der Zwerg verschwand vor ihnen in der Nacht. Die fünf Zurückgebliebenen kauerten sich in den Schutz der Findlinge.

Sie warteten lange und voller Anspannung. Eine halbe Stunde verstrich, ehe Foraker wieder auftauchte; er huschte so lautlos aus der Finsternis, wie er verschwunden war. Eilig zog er die anderen nahe zu sich heran.

„Sie sind über die gesamte Bergwand verteilt!“ flüsterte er. „Da kommen wir nicht durch!“

Im nächsten Augenblick vernahmen sie vom Weg hinter sich das Scharren von Stiefeln und den Klang von Stimmen.

18

Einen einzigen Moment standen sie wie angewurzelt und starrten erschreckt in die Dunkelheit hinter ihnen. Plötzliches Lachen mischte sich in die näherkommenden Stimmen, lautes, heiseres Gelächter, und Fackelschein flackerte zwischen den Felsen auf.

„Versteckt euch!“ wisperte Garet Jax und zerrte Jair mit sich in den Schatten.

Sie verteilten sich sogleich rasch und lautlos und schössen hinter die Findlinge. Der Waffenmeister hatte Jair grob zu Boden gedrückt, und der Junge hob nun den Kopf und spähte hinaus in die Nacht. Fackellicht wurde von der dunklen Oberfläche der Findlinge zurückgeworfen, und die Stimmen waren jetzt deutlich zu vernehmen. Gnomen. Mindestens ein halbes Dutzend. Füße in Stiefeln scharrten über den Stein des Weges, und Lederharnische krachten. Jair preßte sich an den Boden und hielt die Luft an.

Eine Gruppe Gnomen-Jäger kam in den Findlingshaufen marschiert; sie waren acht Mann und hielten Fackeln vor sich ausgestreckt, um sich den Weg den Berghang hinab zu erleuchten. Sie lachten und scherzten in ihrer rauhen, kantigen Sprache und schlenderten achtlos mitten zwischen den versteckten Mitgliedern der Gruppe aus Culhaven hindurch. Fackelschein breitete sich über die kleine Lichtung, vertrieb Schatten und Nacht und erhellte selbst die verborgensten Winkel ihres Verstecks. Jair wurde eiskalt. Selbst von seinem Standort aus konnte er die dunkle Form von Helt erkennen, der sich an die Felsen preßte. Gewiß bestand keine Chance, der Entdeckung zu entgehen.

Doch die Gnomen verlangsamten ihre Schritte nicht. Ohne die Gestalten zu bemerken, die sich um sie her duckten, zogen sie weiter. Der vorderste hatte bereits die erste Reihe Findlinge hinter sich gebracht, und ihre Blicke waren auf die Lichter des Lagers unten geheftet. Jair sog langsam und vorsichtig die Luft ein. Vielleicht...

Dann ging einer derjenigen, die hinterher trotteten, plötzlich langsamer und drehte sich zu den Felsen um. Ein gellender Aufschrei brach von seinen Lippen, und er griff rasch nach seinem Schwert. Die anderen der kleinen Einheit fuhren herum, ihr Lachen erstarb und wich erschrecktem Keuchen.

Und schon war Garet Jax in Aktion getreten. Er sprang aus seinem dunklen Versteck mit Dolchen in beiden Händen. Er erwischte die zwei, die ihm am nächsten standen, und tötete jeden mit einem einzigen Stoß. Die anderen wirbelten herum, Waffen wurden abwehrend emporgereckt, und die Männer hatten den Schrecken des überraschenden Angriffs noch immer nicht ganz überwunden. Doch inzwischen waren auch Helt und Foraker aktiv geworden, und drei weitere Gnomen fielen ohne einen Laut. Die restlichen jagten den Berg hinunter und schrien wie von Sinnen. Edain Elessedil machte einen Satz auf einen Stein und spannte seinen Bogen. Die Bogensehne surrte zweimal, und zwei weitere starben. Der letzte Jäger raste hektisch außer Sicht und war verschwunden.