Выбрать главу

„Es sei denn, man ist zufälligerweise Gnom.“

Er wandte Helt das derbe, gelbe Gesicht zu. Der Grenzbewohner erwiderte schweigend seinen Blick und wartete. „Oder vielleicht ein Wandler“, fügte Spinkser hinzu.

Helt schüttelte ungläubig den Kopf. „Wovon redest du?“

Spinkser beugte sich weit zu ihm hinüber. „Vermutlich bin ich verrückt, das in Erwägung zu ziehen, aber andrerseits ist es auch nicht verrückter als alles andere, was bisher geschehen ist. Du und ich, Grenzmann. Ein schwarzer Wandler und sein Gnomen-Diener. Häng deinen Umhang um, zieh dir die Kapuze ins Gesicht, dann wird dich keiner erkennen. Du bist groß genug für diese Rolle. Gehen mitten zwischen ihnen hindurch, wir beide, geradewegs zum Tor der Festung. Und hoffen inbrünstig, daß die Zwerge es lange genug offen halten, damit wir hineinschlüpfen können.“

Zu ihrer Linken erschallten Rufe. Helt schaute rasch um sich und dann wieder zu Spinkser. „Das alles könntest du ohne mich machen, Spinkser. Alleine könntest du es entschieden besser schaffen als mit mir zusammen.“

„Reiz mich nicht!“ drohte der Gnom.

Die sanften Augen wichen ihm nicht aus. „Es sind deine Leute. Du könntest dich noch immer auf ihre Seite schlagen.“

Spinkser schien einen Augenblick darüber nachzudenken. .Dann schüttelte er heftig den Kopf. „Vergiß es. Dann würde mich dieser schwarze Teufel von Waffenmeister durch alle Vier Länder hetzen. Das Risiko möchte ich nicht eingehen.“ Das harte Gesicht schien noch starrer zu werden. „Und dann ist da noch der Junge...“

Er schaute mit einem Ruck hoch. „Also, Grenzmann, versuchen wir es oder nicht?“

Helt stand auf und zog den Umhang eng um sich. „Wir versuchen es.“

Sie traten aus dem Gebüsch, wobei Spinkser seinen Umhang weit zurückgeworfen hatte, daß jeder sehen konnte, daß ein Gnom voranging, und Helt hatte den seinen dicht um sich geschlungen, daß er als machtvoller verhüllter Riese die anderen überragte. Sie passierten kühn die Ausläufer der Belagerungsreihen in Richtung der Stelle, wo das Heer sich vor den Festungsmauern drängte, und hielten sich sorgsam in der Dunkelheit zwischen jenen Reihen, damit sie nicht so deutlich zu sehen wären. Sie gingen fast fünfzig Meter, ohne daß irgend jemand sie ansprach.

Dann versperrte ihnen eine querverlaufende Lichterlinie den Weg nach vorn, und nirgendwo herrschte mehr Dunkelheit, in der sie sich hätten davonstehlen können. Spinkser zögerte nicht einen Augenblick. Er stapfte auf die Feuer zu, dicht gefolgt von der verhüllten Gestalt. Die dort versammelten Gnomen-Jäger drehten sich um, gafften sie an und hoben wachsam ihre Waffen.

„Tretet zurück!“ rief Spinkser energisch. „Der Meister kommt!“

Augen wurden größer, und Angst spiegelte sich in derben, gelben Gesichtern. Rasch sanken die Waffen wieder hinab, und alle traten beiseite, als die beiden Personen passierten und in einen Streifen düsteren Halblichts zwischen den Lagerreihen schlüpften. Nun drehten ihnen von allen Seiten Gnomen die Köpfe zu und musterten sie überrascht und neugierig. Noch immer stellte sich ihnen niemand in den Weg, ging doch in dieser Herbstnacht alles im Tumult der Suche an der Bergwand unter.

Vor ihnen dehnte sich eine weitere Belagerungslinie. Spinkser hob theatralisch den Arm in Richtung der Gnomen, die sich nach ihnen umdrehten. „Macht Platz für den Meister, Gnomen!“

Wieder teilten sich die Reihen, um sie durchzulassen. Spinkser lief der Schweiß über das rauhe Gesicht, als er sich nach der finsteren Gestalt hinter sich umdrehte. Hunderte von Augen folgten ihnen, und es kam eine gewisse Unruhe unter den Gnomen auf. Ein paar wenige begannen sich zu fragen, was eigentlich los war.

Die letzte der Belagerungsreihen lag vor ihnen. Hier zückten die Gnomen-Jäger wieder drohend ihre kurzen Speere, und ärgerliches Gemurmel erhob sich. Hinter den Feuern ragten die dunklen Mauern der Zwergenzitadelle in die Nacht, und auf ihren Zinnen brannten Fackeln als vereinzelte Flecken schummrigen Lichts.

„Tretet zurück!“ brüllte Spinkser und warf wieder die Arme in die Höhe. „Schwarze Magie geht heute nacht frei um, und die Mauern des Feindes werden unter ihrem Ansturm fallen! Zurück! Platz für den Wandler!“

Wie zur Unterstreichung seiner Warnung hob die schwarzverhüllte Gestalt, die ihm folgte, langsam einen Arm und deutete auf den Wachturm.

Das genügte den Gnomen in der Belagerungslinie. Sie traten aus der Reihe, wichen hurtig beiseite, und die meisten huschten mit ängstlichen Blicken nach hinten in die zweite Verteidigungslinie. Ein paar wenige blieben stirnrunzelnd stehen, als die beiden vorüberkamen, doch noch immer trat ihnen keiner entgegen.

Der Gnom und der Grenzbewohner marschierten in die Finsternis und suchten mit Blicken die dunklen Mauern vor ihnen ab. Als sie näherkamen, streckte Spinkser die Hände weit über den Kopf und betete inständig, daß diese einfache Geste genügen möge, die tödlichen Geschosse, die gewiß auf sie gerichtet waren, zurückzuhalten.

Sie waren noch fünfundzwanzig Meter von der Mauer entfernt, als eine Stimme ertönte. „Komm nicht näher, Gnom!“

Spinkser blieb auf der Stelle stehen. „Öffnet die Türe!“ rief er leise. „Wir sind Freunde!“

Von den Mauern herab erklang leises Gemurmel, und jemand rief einem anderen unten etwas zu. Aber die Tore blieben geschlossen.

Spinkser schaute sich hektisch um. Hinter ihnen breitete sich erneut Unruhe unter den Gnomen aus.

„Wer seid ihr?“ rief die Stimme von der Brustwehr wieder.

„Öffne die Tore, du Narr!“ Mit Spinksers Geduld war es endgültig vorbei.

Nun trat Helt vor und stellte sich neben den Gnomen. „Callahorn!“ rief er in heiserem Flüsterton.

Hinter ihnen heulten die Gnomen im Chor auf. Ihr Spiel war durchschaut. Die beiden stürzten wie von Sinnen auf das Festungstor zu und riefen nach den Zwergen drinnen. Sie rannten auf die eisenbeschlagenen Torflügel zu und warfen dabei verzweifelte Blicke zurück. Eine ganze Reihe Gnomen-Jäger stürmte mit wild hüpfenden Fackeln und Wutschreien auf sie zu. Speere und Pfeile flogen durch die Dunkelheit.

„Oh, gütige Geister, öffnet da drinnen, ihr...“ brüllte Spinkser.

Unvermittelt schwenkte das Tor auf und Hände griffen heraus, um sie nach drinnen zu zerren. Einen Augenblick später befanden sie sich im Innern der Festung, und die Tore wurden zugeworfen, als erneutes Wutgeheul die Nacht erfüllte. Sie wurden zu Boden gestoßen, und ein Ring von eisernen Speerspitzen umschloß sie dicht.

Spinkser schüttelte angewidert den Kopf und schaute zu Helt. „Erklär du ihnen das, Grenzbewohner“, murmelte er. „Ich glaube nicht, daß ich dazu imstande wäre, selbst wenn ich wollte.“

Jair Ohmsford fiel lange, bis er in den Cillidellan tauchte. Er stürzte als winziges dunkles Fleckchen vor dem tiefen Graublau des Nachthimmels; ihm krampfte sich der Magen zusammen, und das Rauschen des Windes erfüllte seine Ohren. Weit unter ihm schimmerte das Wasser des Sees mit karmesinroten Sprenkeln, wo das Licht der Gnomenfeuer von der gekräuselten Oberfläche reflektiert wurde, und rund um ihn her erhob sich in seinem verschwommen en Gesichtsfeld das weite Panorama der Berge und Felswände, die Capaal umschlossen. Die Zeit schien stillzustehen, und er hatte den Eindruck, als dauerte der Sturz unendlich.

Dann schlug er mit schmerzlicher Wucht auf, brach durch die Oberfläche des Sees und tauchte tief in das kalte, dunkle Gewässer ein. Die Luft wurde ihm mit verblüffender Geschwindigkeit aus den Lungen gepreßt, sein ganzer Körper war vom Schock wie betäubt.

Wie von Sinnen ruderte er durch die eisige Schwärze, die ihn umgab, und nahm kaum etwas anderes wahr als sein Bedürfnis, wieder an die Oberfläche zu kommen, um atmen zu können. Innerhalb von Sekunden wich alle Körperwärme aus ihm, und er fühlte, wie gewaltiger Druck auf ihn wirkte, daß er darunter fast zerbrach. Er strampelte wild nach oben und rang verzweifelt, um an die Luft zu kommen. Vor seinen Augen tanzten Fünkchen, und seine Arme und Beine schienen sich plötzlich in Blei verwandelt zu haben. Er kämpfte schwach gegen ihre Schwerkraft an und verlor sich in einem Laby rinth dunkler Drehungen.