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„Einer von Radhomms Patrouille fand ihn ein oder zwei Tage vor der Belagerung ans Seeufer angespült“, fuhr Foraker fort und hielt Spinksers Blick stand. „Er war mehr tot als lebendig, als sie ihn herauszogen. Murmelte etwas in der Art, die schwarzen Wandler hätten ihn vom Rabenhorn vertrieben. Behauptete, er wüßte Möglichkeiten, wie sie zu vernichten wären. Die Patrouille brachte ihn hierher. Wir hatten nicht die Zeit, ihn vor der Belagerung wieder loszuwerden.“ Er machte eine Pause. „Bislang gab es keine Gelegenheit, den Wahrheitsgehalt seiner Angaben zu überprüfen.“

„Wahrheit!“ fauchte Spinkser. „Echsen kennen keine Wahrheit!“

„Die Rache an jenen, die ihn seiner Ansicht nach getäuscht haben, mag so etwas wie Wahrheit ans Tageslicht fördern. Wir können ihm diese Rache bieten — ein Geschäft, möglicherweise. Denk genau nach. Er muß die Geheimnisse vom Rabenhorn und Graumark kennen.

Er war einst in diesen Bergen zu Hause. Das Schloß hat früher einmal ihm gehört.“

„Nichts hat jemals ihm gehört!“ Spinkser fuhr starr vor Wut aus seinem Stuhl hoch. „Sie haben sich alles genommen, die Echsen! Haben ihr Schloß auf den Leichen meines Volkes errichtet! Haben die Gnomenstämme, die in den Bergen lebten, zu Sklaven gemacht! Sie haben ebenso schwarze Magie eingesetzt wie die Wandler! Diese schwarzen Teufel, eher würde ich mir selbst die Kehle durchschneiden, ehe ich ihnen nur einen Augenblick lang traue!“

Jair wollte einschreiten und stand ebenfalls auf. „Spinkser, was...?“

„Einen Augenblick, Ohmsford“, fiel Foraker ihm ins Wort. Das grimmige Gesicht wandte sich wieder Spinkser zu. „Gnom, ich vertraue dem Mwellrets ebensowenig wie Ihr. Aber wenn der uns etwas nützen kann, nehmen wir alle Hilfe an, die wir bekommen können. Unsere Aufgabe ist ohnehin schon schwierig genug. Und sollten wir feststellen, daß der Mwellret lügt... nun, dann wissen wir, was mit ihm zu geschehen hat.“

Spinkser stierte einen Augenblick lang wortlos vor sich auf den Tisch und setzte sich dann langsam wieder. „Es ist Zeitvergeudung. Macht es ohne mich. Laßt Euch von Eurer eigenen Urteilskraft leiten, Foraker.“

Der Zwerg zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, das wäre Euch lieber, als hinter Schloß und Riegel zu sitzen. Ich dachte, davon hättet Ihr möglicherweise genug.“ Er ließ eine Pause eintreten und beobachtete, wie Spinksers dunkle Augen hochschössen, um in die seinen zu blicken. „Abgesehen davon vermag meine Urteilskraft nicht zu entscheiden, ob der Mwellret die Wahrheit spricht. Ihr seid der einzige, der uns da helfen kann.“

Einen Augenblick lang sprach keiner ein Wort. Spinksers Blick war immer noch auf Foraker geheftet. „Wo ist der Mwellret jetzt?“ fragte er schließlich.

„In einem Lagerraum, der als sein Gefängnis dient“, antwortete Foraker. „Er kommt niemals heraus, nicht einmal, um sich die Füße zu vertreten. Er mag Luft und Licht nicht.“

„Ein schwarzer Teufel!“ murmelte der Gnom als Entgegnung. Dann seufzte er. „Nun gut. Also Ihr und ich.“

„Und diese beiden auch, wenn sie wollen.“ Foraker deutete auf Jair und Edain.

„Ich komme mit“, erklärte Jair spontan.

„Ich auch“, stimmte der Elfenprinz zu.

Foraker stand auf und nickte. „Ich führe euch gleich hin.“

20

Sie stiegen von den Terrassengärten hinab ins Innere der Schleusenanlagen und Dämme von Capaal. Aus dem grauen Licht eines Nachmittags, der schnell in die Dämmerung überging, liefen sie die Treppenfluchten und Gänge hinab, die sich tief in Fels und Holzwerk wanden. Schatten drängten sich um kleine Flecke schummrigen Lichts, das die Flammen der Öllampen verströmten, die von eisernen Haken herabhingen. Die in dem massiven Gestein stehende Luft war schal und feucht. Durch die Stille, die in den unteren Stockwerken herrschte, klang das ferne Rauschen von Wassern, die durch die Schleusen flössen, und das tiefe Stöhnen großer Räder und Hebel. Verschlossene Türen tauchten auf und verschwanden wieder, als die Vier tiefer hinab vordrangen, und sie hatten das Gefühl, als läge irgendwo eine wilde Bestie gefangen, die auf die Geräusche der Schleusen und ihrer Mechanik erwacht war und auszubrechen versuchte.

Auf diesen tiefen Etagen der Festung begegneten ihnen wenige Zwerge. Als Waldvolk, das die großen Kriege dadurch überlebt hatte, daß es sich in die Erde eingegraben hatte, waren die Zwerge vor langer Zeit wieder aus ihrem unterirdischen Gefängnis ans Sonnenlicht aufgetaucht und hatten sich geschworen, nie wieder zurückzugehen. Ihr Abscheu vor dunklen, engen Räumen war den anderen Völkern bekannt, und sie vermochten solche Abgeschlossenheit nur unter Schwierigkeiten zu ertragen. Die Schleusen und Dämme von Capaal waren lebensnotwendig für sie, regulierten sie doch die Strömung des Silberflusses nach Westen in ihre Heimat, und folglich brachten sie das Opfer — jedoch niemals für lange Zeit und nicht häufiger als unbedingt nötig. Kurzen Arbeitseinsätzen zur Überprüfung der Maschinen, die sie für ihre Zwecke errichtet hatten, folgte jeweils hastige Rückkehr in die Welt von Licht und Luft oben.

So kam es, daß die wenigen Gesichter, denen die vier Gefährten auf dem Weg nach unten begegneten, einen Ausdruck stoischer Gelassenheit vermittelten, der kaum ihre anhaltende tiefe Abneigung für diese widerlichste aller Pflichten verbergen konnte.

Elb Foraker war nur eine Spur davon anzumerken, doch er ertrug sein Unbehagen mannhaft. Das grimmige, dunkle Gesicht war nach vorn, dem Labyrinth der Gänge und Treppenfluchten, gewandt, und sein kräftiger Körper wirkte aufrecht und zielstrebig, als er seine Begleiter durch Lampenschein und Dunkelheit auf den Lagerkeller zuführte, der noch weiter unten lag. Unterwegs erzählte er Jair und Edain Elessedil die Geschichte der Mwellrets.

„Sie waren eine Spezies von Trollen“, erklärte er am Anfang seiner Schilderung. „Die Trolle hatten die Großen Kriege auf der Erde überlebt, wo sie den schrecklichen Auswirkungen der Energien ausgesetzt waren, welche jene Kriege freigesetzt hatten. Als Mutanten der Männer und Frauen, die sie einst gewesen waren, hatten sie andere Gestalt angenommen und Haut und Körperorgane den entsetzlichen Lebensbedingungen, welche die Großen Kriege fast auf der gesamten Erdoberfläche geschaffen hatten, angepaßt. Die Nordland-Trolle hatten im Innern der Berge überlebt, waren groß und kräftig und ihre Haut war zäh geworden, so daß sie schließlich wie rauhe Baumrinde aussah. Doch die Mwellrets waren Nachfahren von Menschen, die in Wäldern zu überleben versucht hatten, welche die Großen Kriege mit verseuchtem Wasser und Entlaubungsmitteln in Sümpfe verwandelt hatten. Die Mwellrets nahmen in der Folgezeit Charakteristika von Wesen an, für die das Überleben im Sumpf ganz natürlich war, und erhielten dabei das Aussehen von Reptilien. Wenn Spinkser sie Echsen nannte, so beschrieb er sie wahrheitsgemäß nach ihrem jetzigen Äußeren — wo früher Haut gewesen war, trugen sie nun Schuppen. Arme und Beine waren kurz und krallenbewehrt, ihre Körper gelenkig wie die von Schlangen geworden.

Aber es bestand noch ein größerer Unterschied zwischen den Mwellrets und den anderen Arten von Trollen, die die dunklen Winkel der Vier Länder bevölkerten. Das erneute Voranschreiten der Mwellrets auf der Zivilisationsleiter war schneller erfolgt und von einer eigentümlichen und erschreckenden Fähigkeit zur Gestaltwandlung gekennzeichnet. Das Überleben hatte an die Mwellrets wie an alle anderen Trolle schreckliche Anforderungen gestellt; bei ihrem Lernprozeß der Geheimnisse des Überlebens hatten sie körperliche Veränderungen durchgemacht, die sie befähigten, ihre äußere Gestalt mit der Geschmeidigkeit von öligem Ton zu verändern. Zwar war ihre Kunst, ihre grundlegenden Charakteristika zu tarnen, weniger entwickelt, sie vermochten jedoch alle Körperteile zu verlängern oder zu verkürzen und konnten sich den Gegebenheiten jeder Umgebung, in der sie sich befanden, anpassen. Es war nur wenig darüber bekannt, wie dieser Gestaltwandel vonstatten ging. Es genügte das Wissen, daß es möglich war und daß die Mwellrets die einzigen Geschöpfe darstellten, die diese Kunst beherrschten.