Выбрать главу

Nur wenige außerhalb des Ostlandes wußten überhaupt von den Mwellrets, denn sie waren ein einsiedlerisches, abgeschiedenes Volk, das sich selten aus dem Schutz des unteren Anar hinauswagte. Keine Mwellrets hatten sich zu Zeiten der Ratsversammlungen auf Paranor sehen lassen. Keine Mwellrets hatten in den Kriegen der Rassen mitgekämpft. Sie lebten zurückgezogen in ihrer dunklen Heimat aus Wäldern, Sümpfen und Bergen.

Das hieß, außer was das Gnomen-Volk anbelangte. Nach dem Ersten Rat von Paranor, also vor über tausend Jahren, waren Mwellrets aus Sümpfen und zerstörten Wäldern in die bewaldeten Höhen vom Rabenhorn gezogen. Sie hatten die feuchten, fauligen Sümpfe des Tieflands jenen Geschöpfen überlassen, mit denen sie diese Gebiete seit der Zerstörung der alten Welt geteilt hatten, und waren ins höher gelegene Waldland gewandert, das von zerstreuten Gnomenstämmen bewohnt war. Die Gnomen waren ein abergläubisches Volk und fürchteten sich entsetzlich vor diesen Wesen, die ihre Gestalt wechseln konnten und anscheinend die schwarze Magie beherrschten, welche mit dem Erscheinen der Druiden aufgetaucht war. Zu jener Zeit machten sich die Mwellrets diese Ängste zunutze, um ihre Macht über die im Rabenhorn lebenden Stämme zu festigen. Mwellrets rissen die Rolle von Häuptlingen an sich, die Gnomen wurden zu Sklaven unterdrückt.

Anfangs bäumten sie sich noch gegen diese Kreaturen auf — diese Echsen, wie sie genannt wurden —, doch nach einiger Zeit brach aller Widerstand zusammen. Die Gnomen waren nicht stark und nicht organisiert genug, um sich erfolgreich zu widersetzen, und einige wenige abschreckende Beispiele, was man mit jenen anstellte, die sich nicht unterwerfen wollten, hinterließ bei den anderen einen nachhaltigen Eindruck. Unter der Knute der Mwellrets wurde die Festung von Graumark erbaut — eine massive Zitadelle, von der aus die Echsen die Stämme der umliegenden Region regierten. Jahre vergingen, und das ganze Rabenhorn geriet unter die Herrschaft der Mwellrets. Die Zwerge im Süden und die Gnomenstämme im Westen und Norden hielten sich von den Bergen fern, und die Mwellrets zeigten sich ihrerseits nicht geneigt, sich aus ihrer neu eroberten Heimat hinauszuwagen. Mit dem Auftauchen des Dämonen-Lords im Zweiten Krieg der Rassen kam ein Gerücht auf, es bestünde ein Abkommen mit den Echsen, daß diese dem Finsteren Herrscher eine Anzahl ihrer Gnomen-Untertanen zur Verfügung stellten — doch niemand konnte diese Behauptung jemals belegen.

Mit dem Ende des fehlgeschlagenen Dritten Krieges der Rassen — in dessen Verlauf Shea Ohmsford auf die Suche nach dem sagenumwobenen Schwert von Shannara gezogen und der Dämonen-Lord vernichtet worden war — hatten die Mwellrets unerklärlicherweise begonnen auszusterben. Alter und Krankheiten reduzierten ihre Zahl, und es gab nur wenige Geburten. Somit schwand allmählich auch ihre Macht über die Gnomenstämme im Rabenhorn. Stück für Stück bröckelte von ihrem kleinen Reich ab, bis es schließlich nur noch aus Graumark und den wenigen Stämmen bestand, die in diesem Teil der Welt lebten.

Und nun hat es den Anschein, als seien sie von dort zurückgetrieben worden in die Sümpfe, die sie herv orbrachten“, schloß Foraker seine Erzählung. „Welche Kräfte sie auch besitzen mögen, den schwarzen Wandlern haben sie damit nichts entgegenzusetzen. Wie die Gnomen, die sie einst beherrschten, würden sie zu Sklaven werden, wenn sie in den Bergen blieben.“

„Es wäre besser, sie wären ganz vom Antlitz der Erde ausgelöscht worden!“ warf Spinkser verbittert ein. „Sie verdienen es nicht besser!“

„Besitzen sie tatsächlich die Macht der schwarzen Magie?“ erkundigte sich Jair.

Foraker zuckte mit den Schultern. „Ich habe es nie miterlebt. Ich denke, ihre Kraft liegt im Gestaltwandel. Ach, es gibt Geschichten, auf welche Weise sie die Elemente beeinflussen können — Wind, Luft, Feuer, Erde und Wasser. Vielleicht ist daran sogar etwas Wahres, weil sie einfach ein Verständnis dafür entwickelt haben, wie die Elemente auf gewisse Dinge reagieren. Doch es ist weitgehend Aberglaube.“

Spinkser murmelte etwas Unverständliches und warf Jair einen finsteren Blick zu, der besagte, daß er nicht völlig konform mit dem Zwerg ging.

„Dir wird nichts geschehen, Ohmsford.“ Foraker lächelte ernst. Er hob die dunklen Brauen. „Wäre er töricht genug, innerhalb dieser Mauern die schwarze Magie anzuwenden, wäre er schneller tot, als du mit der Wimper zucken kannst!“

Vor ihnen fiel plötzlich Licht in den dunklen Gang, und die Vier stießen auf ein Quertunnel und eine Reihe von Türen, die rechts abgingen. Vor der nächstliegenden standen zwei Wachen Posten. Foraker begrüßte sie knapp und befahl dann, die Tür zu öffnen. Die beiden Wachen schauten einander an und zuckten mit den Schultern.

„Neh mt ein Licht“, empfahl der erste und reichte Foraker eine Ölfunzel.

„Die Echse läßt den Raum da drinnen stockfinster.“

Foraker entzündete die Lampe am Docht einer anderen, die neben der Tür hing, und warf dann seinen Begleitern einen aufmunternden Blick zu. „Fertig“, erklärte er den Wachen.

Schnappriegel klickten auf und eine Querstange wurde angehoben. Mit traurigem Stöhnen schwenkte die eisenbeschlagene Tür in totale Finsternis auf. Foraker setzte sich wortlos in Bewegung, die drei anderen folgten ihm auf den Fersen. Als der schwache Lichtkreis der Öllampe die Dunkelheit durchdrang, kamen die dunklen Umrisse von gestapelten Kisten, Schachteln und Säcken in Sicht. Der Zwerg und seine Begleiter blieben stehen.

Die Tür schlug krachend hinter ihnen zu.

Jair schaute sich ängstlich in dem dunklen Raum um. Ein ranziger, fauler Gestank schwängerte die Luft, ein Gestank, der von sterbenden, verfaulenden Dingen zeugte. Tiefe, schweigende Schatten lagen über allem rings um ihre kleine Lichtquelle.

„Stythys?“ Foraker sprach den Namen ruhig aus.

Lange Augenblicke kam keine Antwort. Dann durchbrach ein Rascheln zu ihrer Linken aus einer Ecke voller Kisten und Vorräte die Stille.

„Wer issst da?“ zischte jemand.

„Foraker“, antwortete der Zwerg. „Ich bin gekommen, um mit dir zu sprechen. Radhomm hatte dir ausrichten lassen, daß ich käme.“

„Hsss!“ Die Stimme schnarrte, als würde eine Kette über Stein gezogen. „Sssprich, wasss du möchtesst, Zwerg!“

Etwas rührte sich in der Dunkelheit — etwas Riesiges, Verhülltes, gleich dem Tod selbst. Eine Gestalt tauchte auf und erhob sich vage und finster neben den Regalen. Jair empfand einen plötzlichen, überwältigenden Widerwillen gegen das, was da stand. Bleib ganz ruhig, warnte eine Stimme in seinem Innern. Sag nichts!

„Kleine Leutchen“, murmelte die Gestalt ausdruckslos. „Zwerg und Elfen und Gnom. Müssst keine Angssst haben, kleine Leutchen. Tretet näher.“

„Tritt du näher“, fuhr Foraker ihn ungeduldig an.

„Hsss! Kann Licht nicht ausstehen. Brauche Finsssternisss!“

Foraker zuckte mit den Schultern. „Dann bleiben wir am besten beide, wo wir sind.“

„Bleib“, stimmte der andere ihm zu.

Jair schaute rasch zu Spinkser hinüber. Das rauhe Gesicht des Gnomen war zu einer Maske von Haß und Abscheu verzerrt, und er schwitzte. Er sah aus, als würde er jeden Augenblick davonstürzen. Edain Elessedil mußte diesen Ausdruck ebenfalls bemerkt haben, denn plötzlich ging er im Bogen um Jair und Foraker und stellte sich fast beschützend auf die andere Seite des verwirrten Gnomen.

„Alles in Ordnung“, murmelte Spinkser fast unhörbar und fuhr mit der Hand durch die Dunkelheit vor ihm.

Dann trat der Mwellret plötzlich an den Rand ihres Lichtscheins; eine hohe, verhüllte Gestalt, die sich aus der Finsternis zu materialisieren schien. In groben Zügen hatte er die Körperform eines Menschen, ging aufrecht auf zwei kräftigen, krummen, muskulösen Hinterbeinen. Unterarme reckten sich zögernd vor, und wo Haut und Haare hätten sein sollen, spannte sich nur eine zähe, rauhe Schuppenschicht, die in krumme Krallen auslief. In seiner Kapuze wandte der Mwellret ihnen nun das Gesicht zu; ein schuppiges, breites Reptilienmaul hob sich ins Licht und entblößte Reihen scharfer Zähne und eine Schlangenzunge. Nüstern blähten sich am stumpfen Ende der Schnauze; weiter oben, fast schon im Dunkel der Kapuze, funkelten grüne Schlitzaugen.