„Sstythyss weisss, warum ihr kommt, kleine Leutchen“, zischte das Ungeheuer langsam, „weisss esss gut.“
Stille trat ein. „Graumark“, erklärte Foraker schließlich.
„Geissster“, flüsterte der andere. „Ssty thy ss weisss. Zerssstörende Wandler. Kommen ausss den Gruben, ausss dem schwarzen Loch des Maelmordsss. Ausss dem Totenreich. Klettern zum Himmelsss-brunnen hinauf, um die Wassser des Sssilberflusssesss zu vergiften.
Vergiften dasss Land. Vernichten esss! Dasss Bössse kommt nach Graumark. Kommt, unsss ausss unssserer Heimat zu vertreiben. Unsss zu versssklaven.“
„Hast du es gesehen?“ fragte Foraker.
„Allesss gesssehen! Geissster kommen ausss der Finsssternisss, vertreiben unsss und reisssen un ssseren Besssitz an sssich!“
Spinkser spie plötzlich ins Dunkel und murmelte etwas vor sich hin, ehe er einen Schritt zurücktrat und gegen den Steinboden kickte.
„Bleib!“ fauchte der Mwellret plötzlich mit unmißverständlichem Befehlston. Spinksers Kopf fuhr in die Höhe. „Gnomen müsssen keine Angssst vor unsss haben. Sssind Freunde gewesssen — nicht wie die Geissster. Geissster vernichten allesss Leben, weil sssie nicht lebendig sssind. Sssind Geschöpfe desss Todesss! Schwarze Magie herrscht. Ihnen werden alle Länder zufallen!“
„Aber du weißt einen Weg, sie zu vernichten“, drängte Foraker.
„Hsss! Graumark gehört unsss! Geissster sind in unsere Heimat eingedrungen! Glauben sssich in Sssicherheit, wo wir fort sssind — täuschen sssich aber. Möglichkeiten, zu ihnen zu gelangen! Möglichkeiten, sssie nicht kennen!“
„Geheimgänge!“ rief Jair plötzlich aus und folgte der Erzählung des anderen so gespannt, daß er seinen Vorsatz für einen Augenblick vergaß.
Sogleich fuhr der Kopf des Mwellrets in die Höhe wie bei einem Tier, das in die Luft wittert. Jair wurde es eiskalt, als ihn das Vorgefühl von etwas entsetzlich Bösem überkam, während entsetzlich Bösem überkam, während er völlig reglos dastand.
Die Schlangenzunge des Mwellrets zuckte heraus. „Zauberkräfte, kleiner Freund? Du besitzt tatsächlich Zauberkräfte?“
Keiner sprach ein Wort. Jair schwitzte heftig. Foraker schaute grimmig zu ihm hin und wußte im Augenblick nicht recht, was vor sich ging.
„In deiner Ssstimme, kleiner Freund?“ lispelte der Mwellret. „Fühle sssie in deiner Ssstimme. Fühle sssie in dir. Zauberkräfte wie die meinen. Zeig sssie mal, ja? Sssprich!“
Etwas schien Jair zu umgarnen, eine unsichtbare Schlinge, die ihm die Luft abschnürte. Ehe er sich dagegen wehren konnte, begann er zu singen. Schnell und klar schlüpfte das Wünschlied zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor, und Wellen aus Farbe und Form spannten sich zwischen ihnen und tanzten wie Lebewesen durch Dunkelheit und Lampenschein.
Einen Augenblick später war Jair wieder frei, die Schlinge hatte sich gelöst. Das Wünschlied erstarb. Der Talbewohner japste vor Schreck nach Luft und fiel geschwächt auf die Knie. Spinkser war an seiner Seite, zerrte ihn zur Tür zurück, brüllte den Mwellret heftig an und grapschte mit seiner freien Hand nach Edain Elessedils Langmesser. Eilig riß Foraker sie auseinander und zückte sein eigenes Schwert, als er sich umdrehte und Stythys entgegenstellte. Der Mwellret war plötzlich geschrumpft und zog sich ins Dunkel seines Kapuzenmantels zurück, um wieder in die Finsternis einzutauchen.
„Was hast du mit ihm gemacht?“ fuhr Foraker ihn an. Der Mwellret wich noch weiter zurück, und seine Schlitzaugen blitzten aus der Dunkelheit. Foraker wirbelte unvermittelt herum. „Das genügt. Wir gehen.“
„Bleibt!“ jammerte der Mwellret plötzlich. „Sssprecht mit Sstythy ss! Kann euch von den Geissstern erzählen!“
„Kein Interesse mehr“, erwiderte Foraker und pochte mit dem Griff seines Schwerts an die Tür des Lagerkellers.
„Hss! Müssst mit Sstythy ss sssprechen, wenn ihr Mordgeissster vernichten wollt! Nur ich weisss, wie! Mein Geheimnisss!“ Die Stimme des Geschöpfs klang nun hart und unglaublich kalt, alle Heuchelei von Freundlichkeit war verflogen. „Kleine Freunde werden wiederkommen — müssen wiederkommen! Tut mir leid, wenn ihr geht!“
„Uns tut es leid, daß wir überhaupt gekommen sind“, gab ihm Edain Elessedil zurück. „Wir brauchen deine Hilfe nicht!“
Jair ging nun durch die offene Tür, gestützt auf der einen Seite von dem Elfenprinzen, auf der anderen von Spinkser, der mit jedem Schritt vor sich hinmurmelte. Der Talbewohner schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären, und schaute zu dem Mwellret zurück, einer verhüllten, gesichtslosen Gestalt, die sich tief in die Dunkelheit zurückzog, als Foraker die kleine Lampe aus dem Raum trug.
„Braucht meine Hilfe!“ sagte die Kreatur leise und hob einen schuppigen Arm. „Ihr werdet wiederkommen, kleine Freunde. Ihr kommt wieder.“
Dann verschlossen und verriegelten die Zwergenwachen wieder den Lagerraum, indem sie Schnappriegel und Querstange sorgfältig an ihre Plätze schoben. Jair holte tief Luft, richtete sich auf und schüttelte die Arme ab, die ihn stützten. Foraker hielt ihn fest, schaute ihm tief in die Augen, grunzte und drehte sich dann wieder in den Gang um, der sie hergeführt hatte.
„Sieht so aus, als fehlte dir nichts“, verkündete er. „Schnell wieder hoch an die Luft!“
„Was ist geschehen, Jair?“ wollte Edain Elessedil wissen. „Wie hat er das mit dir angestellt?“
Jair schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht recht.“ Immer noch ganz benommen ging er flankiert von dem Elfenprinzen und dem Gnomen hinter Foraker her. „Ich weiß es einfach nicht.“
„Schwarze Teufel!“ stieß Spinkser hitzig seinen Lieblingsausspruch hervor. „Die können einen ganz verdrehen.“
Der Talbewohner nickte knapp und ging weiter. Er hätte gerne gewußt, wie dieses Verdrehen vonstatten gegangen war.
21
Die Nacht sank schwarz, neblig und lautlos über Capaal hernieder. Die Berghöhen verdeckten Mond und Sterne, und nur die Öllampen der Zwerge und die Wachfeuer der Gnomen spendeten Licht in der tiefen Finsternis. Frost bildete sich auf Gestein und Sträuchern, wo die Feuchtigkeit weiß gefror, als die Temperatur weiter fiel. Eine unangenehme Stille hing über allem.
Von der Brustwehr der Zwergenfestung blickten Jair und Elb Foraker auf die Schleusen und Dämme hinab, welche die Kluft zwischen den Bergen, wo der Silberfluß strömte, schlössen.
„Die Anlage ist jetzt über fünfhundert Jahre alt“, erklärte der Zwerg, und seine Stimme klang tief und rauh vor dem nächtlichen Schweigen. „Wurde zu Zeiten von Raybur erbaut, als unser Volk noch Könige hatte. Nach dem Ende des Zweiten Krieges der Rassen.“ Jair starrte wortlos über die Zinnen in die Dunkelheit unten und folgte mit den Blicken den Umrissen des Komplexes im schwachen Licht der Fackeln und Lampen auf seinem Gestein. Es waren drei Dämme, die sich als breite Bänder gegen das Bett des Silberflusses wölbten, wo der sich in die darunter liegende Schlucht ergoß. Eine Reihe von Schleusen regulierte diesen Strom, deren Mechanik in ihrem Innern saß und durch die Dämme verborgen war, und die Festung beschützte beides. Die Burg erhob sich auf dem hohen Damm, spannte sich von einem Ende bis zum anderen und kontrollierte alle Gänge, die hineinführten. Hinter dem Staudamm dehnte sich der Cillidellan weit in die Dunkelheit. Die roten Wachfeuer des Belagerungsheeres umgürteten ihn, und doch lag er eigentümlich finster in der mondlosen Schwärze dieser Nacht. Zwischen dem Staudamm und den unteren Ebenen ergoß sich der Silberfluß auf dem Weg von den Höhen nach unten in zwei kleine Auffangbecken. Nackte Felswände flankierten beide Enden der unteren Stauebenen, und der einzige Weg hinab führte über Laufstege und durch unterirdische Passagen, die durch den Fels verliefen.