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„Aber das kann ich nicht!“ rief Jair enttäuscht aus.

Eine Grimasse verzerrte das schuppige Gesicht des anderen. „Kannsst nicht, kleiner Freund? Mein Volk muss wieder Zauberkünste bessitzen — die Mordgeisster dürfen ssie nicht erlangen. Du wirsst unss deine Zauberkünsste geben, Elfling. Im Gefängniss wirsst du ssie uns schenken. Du wirsst ssehen!“

Jair schaute fort. Es war bei Stythys das gleiche wie bei dem Gnomensedt Spilk — beide hatten den Besitz von etwas begehrt, das Jair ihnen nicht abtreten konnte. Er besaß die Magie des Wünschliedes, und er allein vermochte es einzusetzen. Es würde dem Mwellret ebensowenig nützen wie dem Sedt.

Und dann kam ihm ein furchterregender Gedanke. Angenommen, Stythys begriff das? Angenommen, der Mwellret wußte, daß er die Magie sich nicht aneignen konnte, sondern Jair benutzen mußte, um sie sich dienstbar zu machen? Der Talbewohner erinnerte sich, was der Mwellret in der Zelle von Capaal mit ihm angestellt hatte — wie er ihn dazu gebracht hatte, seine Zauberkünste zu enthüllen...

Er hielt den Atem an. Oh, gütige Geister! Angenommen, Stythys wußte... oder angenommen, er vermutete bloß... daß er noch andere Zauberkräfte besaß? Angenommen, er fühlte die Präsenz des Sehkristalls und des Silberstaubs?

„Du wirst sie nicht bekommen“, flüsterte er, fast ehe ihm bewußt wurde, was er da sagte. Aus seiner Stimme klang eine Spur Verzweiflung.

Die Antwort des Mwellrets war ein leises Zischen. „Das Gefängniss wird dich umstimmen, kleines Kerlchen. Du wirst ssehen.“

Danach lag Jair Ohmsford noch lange wach; er war wieder gefesselt und geknebelt und seinen düsteren Gedanken überlassen, während er auf das Plätschern des Regens und das Atmen des schlafenden Mwellrets lauschte. Dunkelheit lag über dem Eingang der kleinen Höhle; draußen trieb der Wind die Unwetterwolken über den triefenden Wald. Was sollte er machen? Hinter ihm lagen seine Mission und seine zerschlagenen Pläne zu Brins Rettung. Vor ihm lag der Gnomenkerker von Dun Fee Aran. War er erst einmal Gefangener dieser Mauern, mochte er vielleicht nie wieder herauskommen, denn es war gewiß, daß der Mwellret ihn dort behalten wollte, bis er alles, was er über die Geheimnisse des Elfenzaubers wußte, geoffenbart hätte. Doch er würde diese Geheimnisse niemals preisgeben.

Sie gehörten ihm, er mußte sie im Dienste des Silberkönigs einsetzen, um das Leben seiner Schwester zu retten. Er würde sie niemals aufgeben. Und doch fühlte er, daß trotz all seiner Entschlossenheit und aller Kraft, die er aufbieten mochte, um seinem Überwältiger zu widerstehen, Sty thys eine Möglichkeit finden würde, ihm diese Geheimnisse zu entlocken.

Irgendwo in der Ferne rollte der Donner tief und bedrohlich über das Waldland. Es dauerte lange, ehe die Erschöpfung ihn schließlich übermannte und er einschlief.

Als die Dämmerung des dritten Tages anbrach, nahmen Jair und der Mwellret ihre Reise nach Norden wieder auf; sie stapften durch Regen, Nebel und triefend nasse Wälder, und gegen Mittag gelangten sie in die Hochwarte. Das Gebirge war geheimnisvoll und zerklüftet, eine Gruppe gezackter Gipfel und Felsspitzen, die den Silberfluß gabelten, wo er aus dem hohen Waldland unter dem Rabenhorn herunterschoß. Die beiden erklommen das Gebirge in der Mitte, wo der Nebel sie verschlang, der an den Felsen hing, bis sie schließlich, als der Tag sich seinem Ende entgegenneigte und die Nacht bald hereinbrach, auf einem schroffen Steilhang mit Blick über die Festung Dun Fee Aran standen.

Dun Fee Aran war ein ausgedehnter, burgähnlicher Komplex aus Mauern, Türmen, Wachtürmen und Wehrgängen. Die ganze Festung wirkte grau und trostlos, wie sie aus dem Regen vor ihnen Gestalt annahm, doch Jair fühlte, daß sie selbst bei bestem Wetter diesen Eindruck vermittelte. Wortlos traten sie aus den Bäumen hervor, der hochgewachsene Mwellret in seinem Umhang führte den gebundenen Talbewohner, und sie schritten zwischen den Sträuchern und Büschen der Felswand hindurch zu dem unter Wasser stehenden Lagerplatz. Gnomen-Jäger und Gefolgschaft aller Dienstgrade und Ränge stapften an ihnen vorüber durch den aufgeweichten Grund, hielten Umhänge und Kapuzen dicht um sich geschlungen zum Schutz gegen das Wetter und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Niemand hielt sie auf. Keiner warf einen zweiten Blick auf sie. Sie schritten über steinerne Wälle und Laufplanken, über Mauern und Dämme, stiegen Treppen hinab und durchquerten Hallen. Der Abend brach herein, und das Tageslicht ließ nach. Jair hatte das Gefühl, als zöge sich die Welt um ihn zusammen, um ihn einzuschließen. Er nahm den Geruch der Festung wahr, den stehenden, fauligen Gestank von Zellen und menschlichen Leibern. Hier machte man sich nicht viel Gedanken um menschliches Leben, wurde ihm mit Schrecken klar. Man schloß Lebewesen hinter diese Mauern weg und vergaß sie.

Vor ihnen ragte ein riesiger, quaderförmiger Bau in die Höhe, dessen Fenster nicht mehr als winzige Schlitze im Stein waren, die Türen eisenbeschlagen und massiv. Sie betraten dieses Gebäude, und Stille umgab sie.

„Kerker, Elfling“, hörte Jair den Mwellret ihm zuflüstern.

Sie durchquerten ein Labyrinth dunkler, in tiefem Schatten liegender Korridore und Gänge mit vielen Türen, an deren Riegeln und Angeln Rost und Spinnengewebe sich ungehindert hatten festsetzen können. Jair fühlte sich kalt und leer, als sie an einer nach der anderen solcher Türen vorüberkamen. Ihre Stiefel hallten dumpf in der Stille wider, ansonsten drang nur das Geräusch von Eisengehämmer und Stein, der gemeißelt wurde, an ihre Ohren. Jairs Augen suchten bedrückt die Wände ab, die sich um ihn her erhoben.

Wie soll ich nur jemals hier herauskommen? fragte er sich insgeheim. Wie werde ich jemals herausfinden?

Dann flackerte eine Fackel im Korridor vor ihnen auf, und eine schmächtige, mit Umhang bekleidete Gestalt kam in Sicht. Es war ein alter, gebrechlicher Gnom, dessen Gesicht von irgendeiner namenlosen Krankheit so gräßlich entstellt war, daß Jair in seinen Lederfesseln zurückzuckte. Stythys ging weiter zu der Stelle, wo der Gnom stand, beugte sich über den häßlichen, kleinen Mann und machte ein paar rätselhafte Zeichen mit den Fingern. Der Gnom antwortete dementsprechend; mit einer knappen Bewegung der verkrüppelten Hand lud er sie ein, ihm zu folgen.

Sie drangen tiefer in den Kerker vor, wobei das Licht der Außenwelt sich allmählich ganz in den Biegungen von Stein und Mörtel verlor. Nur die Fackel wies ihnen den Weg, die in der Finsternis brannte und rauchte.

Schließlich hielten sie vor einer eisenbeschlagenen Tür an, die mit den Hunderten identisch war, an denen sie bereits vorübergekommen waren. Die Hände des Gnomen schlössen sich derb um den Metallriegel, und er zog den Bolzen heraus. Unter Knarren und Quietschen öffnete sich die schwere Tür. Stythys warf einen Blick zu Jair zurück, zog dann an der Leine und führte ihn in den dahinter liegenden Raum. Es war eine kleine, enge Zelle, die leer war bis auf ein Bündel Stroh in einer Ecke und einen Holzeimer neben der Tür.

Ein einziger schmaler Schlitz an der gegenüberliegenden Wand ließ einen dünnen Strahl grauen Lichts von draußen herein.

Der Mwellret drehte sich um, schnitt die Fesseln an Jairs Handgelenken auf und zog ihm den Knebel aus dem Mund. Grob stieß er den Talbewohner an sich vorüber auf das Strohlager.

„Dass isst für dich, Elfling“, zischte er. „Bleibe für kleiness Weilchen, biss du mir von der Zauberkunsst erzählsst.“ Der gekrümmte Finger deutete zurück auf die geduckte Gestalt des Gnomen.

„Dein Wärter, Elfling. Er gehört mir, isst einer, der noch gehorcht. Sstumm isst er — sspricht nicht und hört nicht. Zauberlied nützt nichtss bei ihm. Bringt dir zu essen und verssorgt dich, dass kann er.“ Er machte eine Pause. „Und tut dir weh, wenn du nicht gehorchsst.“

Das entstellte Gesicht des Gnomen wandte sich dem Jungen aus dem Tal zu, als Stythys sprach, enthüllte aber nichts von den Gedanken, die dahinter vorgehen mochten. Jair schaute sich deprimiert um.

„Ssag mir, wass ich wissen muß, Elfling“, flüsterte der Mwellret plötzlich. „Ssag es mir, oder du kommsst nie wieder hier herauss!“