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Tief in ihrem Innern empfand sie ein merkwürdiges Gefühl von Verlust, von etwas, das ihr entglitt.

„Viel Platz zum Schlafen ist hier nicht“, erklärte der Händler Stebb. „Hinten im Stall ist ein Geräteschuppen, wo ich in der Fallenstellerzeit meinen Helfer untergebracht hatte. Den kann ich euch anbieten. Dort stehen ein Ofen und ein Bett für deinen Freund, und für dich ist Stroh da.“

„Das wäre großartig“, murmelte Brin und stellte zu ihrer eigenen Verwunderung fest, daß sie weinte.

„Aber, aber.“ Der stämmige Holzfäller legte einen Arm um ihre Schultern und schützte sie vor den Blicken der anderen, die sich um den Tresen versammelten. „Laß sie das nicht sehen, Mädchen. Du mußt jetzt stark sein.“

Brin nickte wortlos, wischte die Tränen fort und stand auf. „Es geht schon wieder.“

„Decken liegen im Schuppen“, teilte ihr der Händler mit und erhob sich ebenfalls. „Dann wollen wir euch mal unterbringen.“

Mit Hilfe des Holzfällers hievte er Rone Leah wieder auf die Beine, geleitete ihn zum hinteren Teil der Handelsstation und einen kurzen, dunklen Gang hinab, der an einer Reihe von Lagerräumen vorüberführte. Brin sah noch flüchtig zu den Männern hinüber, die an der Theke hockten, und folgte dann den anderen. Sie kümmerte sich nicht um die Blicke der Burschen vom westlichen Bogengrat, die ihr hinterhergeworfen wurden.

Eine kleine Holztür an der Hinterseite des Gebäudes öffnete sich in die Nacht hinaus, und der Händler, der Holzfäller, Rone und Brin schlugen den Weg zum Stall und dem dazugehörigen Geräteschuppen ein. Der Händler schlüpfte vor ihnen hinein, nahm eine Öllampe von einem Wandhaken, entzündete sie und hielt dann die Schuppentür weit auf, um die anderen einzulassen. Der Raum hinter ihm war sauber, nur ein wenig muffig, und an den Wänden hingen Zaumzeug und Tressen. In einer Ecke stand ein kleiner Eisenofen im Schutz einer Steinnische, nicht weit davon entfernt war ein einzelnes Bett aufgestellt. Zwei mit Läden geschlossene Fenster sperrten die Nacht aus.

Der Händler und der Waldbewohner legten den fiebernden Hochländer vorsichtig aufs Bett und zogen die Decken über ihn, die am Fußende gefaltet lagen. Dann feuerten sie den Kanonenofen an, bis das Holz lodernd brannte, und holten eine Lage frisches Stroh für Brin. Als sie sich zum Gehen wandten, stellte der Händler die Öllampe auf das Steinsims am Ofen und wandte sich noch einmal kurz an Brin.

„Hier ist das Mittel gegen sein Fieber.“ Er reichte dem Mädchen eine kleine, bernsteinfarbene Flasche. „Gib ihm zwei Schluck - mehr nicht. Und morgen früh noch mal zwei.“ Er wiegte voller Zweifel den Kopf. „Ich hoffe, es hilft, Mädchen.“

Dann trat er mit dem Holzfäller im Schlepptau zum Ausgang, drehte sich aber noch einmal um. „Die Tür hat einen Riegel“, erklärte er und machte eine kurze Pause. „Sieh zu, daß er immer vorgeschoben ist.“

Er zog die Tür leise hinter sich zu. Sie konnte hören, wie die beiden Männer sich draußen unterhielten.

„Ein schlimmer Haufen, diese Clique vom Bogengrat“, brummte der Holzfäller.

„So übel, wie man sich nur vorstellen kann“, stimmte der Händler ihm zu.

Sie schwiegen für einen Augenblick.

„Zeit für mich, mich auf den Weg zu machen“, meinte der Holzfäller. „Brauche ein paar Stunden bis zum Camp.“

„Gute Reise“, entgegnete der Händler.

Sie entfernten sich vom Schuppen, und ihre Worte wurden leiser. „Ich empfehle dir, gut auf dich aufzupassen angesichts des Haufens dort drinnen, Stebb“, riet der Waldbewohner. „Paß gut auf dich auf.“

Dann verklangen die Worte vollständig, und die beiden waren fort.

In der Stille des Schuppens trat Brin wieder zu Rones Bett. Sie stützte ihn vorsichtig in die Höhe und flößte ihm zwei Schlucke der Medizin ein, die der Händler ihr zur Verfügung gestellt hatte. Danach legte sie ihn wieder hin und deckte ihn zu.

Dann setzte sie sich neben den Ofen, hüllte sich in ihre Decke und saß schweigend in der Stille. Auf der Wand des kleinen Raumes wuchs, von der einzigen Flamme der Öllampe geworfen, ihr Schatten wie ein dunkler Riese vor ihr in die Höhe.

Der verkohlte Stumpf des noch brennenden Holzscheits brach rumpelnd im Ofen nieder, als die Asche unter ihm nachgab, so daß Brin erschrocken in die Höhe fuhr. Sie rieb sich müde die Augen und schaute sich um. Im Schuppen herrschten Stille und Dunkelheit, die Flamme der Öllampe brannte schwach und einsam inmitten all der Schatten.

Sie mußte sogleich an Allanon denken. Es fiel ihr immer noch schwer zu akzeptieren, daß der Druide gestorben war. In ihr hielt sich immer noch die Erwartung, gleich könnte von der Tür ein deutliches Klopfen ertönen und seine Stimme würde nach ihr rufen. Wie ein Schatten, der mit der Veränderung des Lichts kam und ging — so hatte Rone den Druiden in der letzten Nacht beschrieben, ehe der sein Leben ließ...

Sie riß sich energisch zusammen und war seltsam beschämt, daß sie das Wort nur gedacht hatte. Aber Allanon war nun einmal gestorben, war fortgegangen aus der Welt der Sterblichen, wie es alle unausweichlich ereilt, und von den Vier Ländern in die Arme seines Vaters zurückgekehrt — vielleicht dorthin, wo Brimen Wache hielt. Sie dachte einen Augenblick lang über die Möglichkeit nach. Konnte es sein, daß er tatsächlich seinem Vater Gesellschaft leistete? Sie mußte an seine Worte denken: „Wenn deine Aufgabe erfüllt ist, Brin, wirst du mich hier finden.“ Hieß das, daß er sich ebenfalls in eine Zwischenexistenz zwischen den Welten von Leben und Tod versetzt hatte?

Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie wischte sie eilends weg. Sie durfte sich keine Schwäche erlauben. Allanon war fort, und sie war alleine.

Rone Leah warf sich unruhig unter den schweren Decken umher, sein Atem kam keuchend und unregelmäßig. Sie stand auf und trat an sein Bett. Das magere, sonnengebräunte Gesicht glühte heiß und trocken und war angespannt von dem Fieber, das in seinem Körper tobte. Ihn schauderte kurz, während ihr Blick auf ihm ruhte, als überkäme ihn ein plötzliches Frösteln, dann erstarrte er. Geflüsterte Worte kamen über seine Lippen, deren Sinn nicht zu begreifen war.

Was soll ich nur mit ihm machen? fragte sich das Talmädchen. Ich wünschte, ich besäße die Begabung meines Vaters. Die Medizin, die mir der Händler gegeben hat, habe ich ihm verabreicht. Ich habe ihn in Decken gewickelt, damit er nicht friert. Doch nichts von alledem scheint zu helfen. Was kann ich noch unternehmen?

Sie wußte, daß das Gift des Jachyras ihn infiziert hatte. Allanon hatte gesagt, das Gift wirkte nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die Psy che. Es hatte den Druiden umgebracht — und waren seine Wunden auch viel schlimmer gewesen, so war er doch Allanon und der entschieden Stärkere der beiden. Schon die leichteren Verletzungen des Hochländers erwiesen sich als mehr, als sein Körper verkraften konnte.

Sie sank neben ihm aufs Bett und nahm seine Hand zärtlich in die ihre. Ihr Beschützer. Sie lächelte traurig — wer sollte ihn jetzt beschützen?

Erinnerungen kullerten wie Quecksilber wirr und durcheinander durch ihr Denken. Sie hatten zusammen soviel durchgemacht, um bis zu dieser einsamen, hoffnungslosen Nacht zu gelangen, sie und Rone Leah. Und welchen schrecklichen Preis hatten sie dafür bezahlt. Paranor war dahin. Allanon war tot. Sogar das Schwert von Leah, das einzige wirkliche Stück Zauberkraft, das sie beide besessen hatten, war verloren. Ihnen blieb nur noch das Wünschlied.

Doch Allanon hatte versichert, das Wünschlied würde ausreichen...