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„Gegen die Wandler gibt es keinen Schutz!“ schnaubte Cogline.

Brin starrte den Hochländer einen Moment lang an und holte dann tief Luft. „Rone, wir müssen das Schwert vergessen“, wandte sie sich freundlich ihm zu. „Es ist fort, und wir haben keine Möglichkeit herauszufinden, was aus ihm geworden ist. Allanon prophezeite, es würde seinen Weg in Hände von Menschen finden, doch er sagte nicht, wessen Hände das wären und wieviel Zeit dabei verstreichen müßte. Wir können nicht...“

„Ohne den Schutz des Schwertes unternehmen wir nicht einen Schritt!“ Rones Kiefermuskeln spannten sich, als er Brin ins Wort fiel, daß sie ihren Satz nicht zu Ende führen konnte.

Es trat eine lange Stille ein. „Wir haben keine Wahl“, erklärte Brin. „Zumindest ich habe keine.“

„Dann los!“ Cogline verscheuchte sie beide, mit einer wedelnden Handbewegung. „Nichts wie fort, und laßt uns in Frieden — ihr mit euren verrückten Plänen, die Grube zu erklimmen und die Wandler zu vernichten; törichte, dumme Pläne! Los, fort aus unserem Zuhause, verdammte... Wisper, wo steckst du nur, du nichtsnutziges... Zeig dich oder ich... Ha!“

Er kreischte überrascht auf, als der große Katzenkopf aus der Dunkelheit an seiner Schulter auftauchte, mit leuchtenden Augen blinzelte und eine kalte Schnauze an seinen nackten Arm drückte. Cogline war wütend, daß der Kater ihm einen solchen Schrecken eingejagt hatte, schlug nach ihm und stapfte unter heftigem Fluchen ein paar Meter davon in die Weidenäste. Wisper starrte hinter ihm her, bog dann um die Bank und legte sich neben Kimber.

„Ich denke schon, daß Großvater sich überreden läßt, euch den Weg nach Osten zu zeigen — zumindest bis zum Rabenhorn“, sprach Kimber Boh nachdenklich. „Was du allerdings danach zu unternehmen vorhast...“

„Warte mal eine Minute... nur... laß uns das mal in Ruhe durchdenken.“ Rone streckte flehentlich die Hände in die Höhe. Er wandte sich an Brin. „Ich weiß, du hast beschlossen, die Mission zu Ende zu führen, mit der Allanon dich betraut hat. Ich verstehe, daß du das tun mußt. Und ich werde dich bis zum Ende begleiten. Aber wir brauchen das Schwert, Brin. Begreifst du das denn nicht? Wir brauchen es unbedingt. Wir besitzen keine andere Waffe, um uns gegen die Mordgeister zu verteidigen!“ Ratlosigkeit zeichnete sein Gesicht. „Um der Katze willen, wie soll ich dich denn ohne das Schwert beschützen?“

Brin zögerte, dachte plötzlich an das Wünschlied und was sie an Macht miterlebt hatte, die es gegenüber den Männern vom westlichen Bogengrat an der Rooker-Handelsstation ausgeübt hatte. Rone wußte nichts davon, und sie wollte auch nicht, daß er davon erfuhr, doch eine solche Macht stellte eine wirksamere Waffe dar, als sie sich ausmalen mochte — und sie verabscheute die bloße Vorstellung, daß sie ausgerechnet ihr innewohnte. Rone war so fest überzeugt, daß er sich die Zauberkraft des Schwertes von Leah zurückholen mußte. Aber irgendwie fühlte sie, daß die Magie des Schwertes von Leah, so wie jene des Wünschliedes und der Elfensteine zuvor, lichte und dunkle Macht zu erzeugen in der Lage war — daß es dem Benutzer ebenso Schaden zufügen, wie Hilfe angedeihen lassen konnte.

Sie schaute Rone an und sah in seinen grauen Augen die Liebe, die er für sie empfand, vermischt mit der Gewißheit, daß er ihr ohne die Magie, die Allanon ihm geschenkt hatte, nicht helfen konnte. Dieser Blick war verzweifelt — und doch gleichzeitig ohne Verständnis für das, worum er sie bat.

„Wir haben keine Chance, das Schwert wiederzufinden, Rone“, gab sie sanftmütig zu bedenken.

Sie saßen sich Auge in Auge wortlos auf der Holzbank im schattigen Dunkel der alten Weide gegenüber. Gib es auf, betete Brin insgeheim. Bitte, gib es auf. Cogline kam zu ihnen zurückgewankt und brummelte noch etwas zu Wisper, als er sich vorsichtig an einem Ende der Bank niederließ und mit seiner Pfeife herumzuspielen begann.

„Vielleicht gibt es eine Möglichkeit“, machte Kimber ihnen plötzlich Hoffnung, als ihre leise Stimme das Schweigen durchbrach. Aller Augen wanderten zu ihr. „Wir könnten den Finsterweiher fragen.“

„Ha!“ schnaubte Cogline verächtlich. „Ebensogut könntest du dich bei einem Erdloch erkundigen!“

Aber Rone rutschte sogleich nach vorn. „Was ist der Finsterweiher?“

„Ein Avatar“, antwortete das Mädchen ruhig. „Ein Geist, der in einem Teich nördlich vom Kamin zu Hause ist, wo das Hochgebirge beginnt. Er hat immer dort gelebt, sagte er mir, schon vor der Zerstörung der alten Welt, und er besitzt die Fähigkeit, Geheimnisse zu lüften, die lebenden Menschen verschlossen bleiben.“

„Könnte er mir sagen, wo ich das Schwert von Leah finde?“ drängte Rone begierig weiter, ohne auf Brins Hand auf seinem Arm zu achten, die ihn zurückzuhalten versuchte.

„Haha, schau ihn dir an!“ Cogline kicherte triumphierend. „Der Finsterweiher besitzt alle Geheimnisse der Erde geschenkmäßig verpackt und wird sie ihm darreichen! Das Schwierige ist nur, Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden. Haha!“

„Wovon redet er?“ fragte Rone ärgerlich. „Was meint er mit Dichtung und Wahrheit?“

Kimber warf ihrem Großvater einen strengen Blick zu, um ihn zum Schweigen zu bringen, und wandte sich dann wieder an den Hochländer. „Er meint, daß das Avatar nicht immer die Wahrheit spricht. Es lügt oft oder stellt Rätsel, die keiner lösen kann. Es macht ein Spiel daraus, indem es Realität und Phantasie so ineinander verwebt, daß der Zuhörer nicht entscheiden kann, was er nun glauben soll.“

„Aber warum tut es das?“ fragte Brin entsetzt.

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Schatten sind nun einmal so. Sie schweben zwischen der vergangenen und der zukünftigen Welt und haben nirgendwo richtig ihren Platz.“

Sie erklärte das mit solcher Bestimmtheit, daß das Talmädchen das Gesagte akzeptierte, ohne es weiter in Frage zu stellen. Abgesehen davon hatte das auf Brimens Schatten auch zugetroffen — zumindest teilweise. In Brimens Schatten existierte ein Gefühl bindender Verpflichtung, an der es dem Finsterweiher vielleicht mangelte; doch Brimens Geist offenbarte weder alles, was er wußte, noch äußerte er sich deutlich zum Bevorstehenden. Einiges von der Wahrheit ließ sich niemals vorherbestimmen. Die Zukunft lag niemals gänzlich fest, so daß die Vorhersage alle möglichen Alternativen in sich bergen mußte.

„Großvater ist es lieber, wenn ich mich vom Finsterweiher fernhalte“, erklärte Kimber Boh Rone. „Er mag die Lügereien des Avatars nicht. Aber die Unterhaltung mit ihm ist manchmal recht amüsant und wird für mich zu einem interessanten Spiel, wenn ich mich entschließe mitzumachen.“ Sie setzte wieder ihren ernsten Blick auf. „Natürlich ist es etwas völlig anderes, wenn du das Avatar bewegen möchtest, dir die Wahrheit über Dinge offenzulegen, die dir wirklich wichtig sind. Ich befrage es nie nach der Zukunft und höre mir nicht an, was es sagt, wenn es mir eine entsprechende Weissagung anbietet. Es ist manchmal ziemlich grausam.“

Rone wandte einen Moment lang den Blick zu Boden und sah dann wieder hoch. „Glaubst du, es könnte tatsächlich dazu bewegt werden, mir zu verraten, was aus meinem Schwert geworden ist?“

Kimber hob die Augenbrauen. „Nicht bewegt. Überzeugt vielleicht. Möglicherweise auch überlistet.“ Sie schaute zu Brin hin. „Aber ich dachte gerade nicht an die Suche nach dem Schwert, sondern vielmehr daran, einen Weg ins Rabenhorn und in den Maelmord zu finden. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, daß die Wandler dich nicht kommen sehen, müßte der Finsterweiher das wissen.“

Es trat eine lange, unbehagliche Pause ein. Brin Ohmsfords Gedanken rasten. Ein Weg in den Maelmord, der sie vor den Mordgeistern verbergen würde — das war der Schlüssel, den sie benötigte, um die Suche nach dem Ildatch zu beenden. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn das Schwert von Leah mit seiner Zauberkraft und seiner Macht verschwunden geblieben wäre. Aber was für eine Rolle spielte es, wenn es wiedergefunden, doch nicht gebraucht werden würde? Sie schaute zu Rone hinüber und sah seinen entschlossenen Blick. Für ihn war der Fall schon entschieden.