Ein Lächeln des Triumphs umspielte seine Lippen. »Das ist der Name der Christin! Jetzt weiß ich genug. Wir werden sie suchen lassen. Sie muß unter den Gefangenen der Insel San Pietro sein!«
»Ida!« schrie der Ritter, indem er verzweifelte Anstrengungen machte, sich aus den Eisenringen zu befreien. »Fliehe ... fliehe ... der Mirab ... der Normanne ... Amina ... fliehe!«
Dann fiel er wieder in Ohnmacht.
Auf ein Zeichen des Generalkapitäns banden ihn die Neger los. Er fiel wie eine hilflose Masse in ihre Arme.
»Was sollen wir mit ihm machen?« fragten sie ihren Herrn.
»Man könnte einen schönen Preis bei seinem Verkauf erzielen«, meinte dieser. »Wenn die Prinzessin meine Janitscharen massakriert und es Scherz nennt, so könnte ich mir einen ähnlichen Scherz mit ihr leisten ... ! Ist noch Platz im Bagno von Sidi Hassan?«
»Er ist voll, Herr.«
»Nun, für diese Christenhunde wird immer noch Raum sein! Schafft ihn vorläufig mit seinem Diener dorthin und laßt ihn wiederherstellen ... ! Sagt dem Gefängnisvorsteher, daß diese beiden Männer mir gehören und er mir mit seinem Kopfe für sie bürgt, daß sie nicht fliehen!«
Der Generalkapitän war im Begriff, sich zurückzuziehen, als ein Offizier seiner Wache die Ankunft einer Dame meldete.
»Schickt sie zum Teufel, ich habe anderes zu tun!«
»Es ist die Prinzessin Ben Abad, Herr!«
»Die kommt gerade zurecht. Sie wird schön toben! Aber sie macht Spaß, wenn sie wütend ist. Laßt sie herein ... ! Glücklicherweise ist alles erledigt, und wenn sie geht, wird der Christ schon fortgeschafft sein!«
Einen Augenblick später erschien Amina. Obwohl der Schleier nur die Augen freiließ, bemerkte Culkelubi doch, daß sie blaß war.
Ob sie bereut hat, ihn mir übergeben zu haben? dachte er.
»Nun, Culkelubi?« rief die Eintretende mit unsicherer Stimme. »Was habt ihr mit dem Baron gemacht?«
»Was ihr verlangtet«, entgegnete der Generalkapitän. »Wie sonderbar übrigens, ihr gebt mir den Auftrag, ihn zum Sprechen zu bringen, nachdem ihr ihn kurz vorher vor meinen Soldaten geschützt habt! Schön seid ihr, Amina, aber höchst launenhaft! Ihr mißbraucht eure hohe Stellung, wie meine Güte, und werdet euch bloßstellen vor dem Bey und den Gläubigen!«
»Pah, was liegt daran ... ! Aber: hat er gesprochen?«
»Wer könnte mir widerstehen ... Die Christin ist entdeckt!«
»Die Gräfin Santafiora!«
Amina war starr vor Überraschung.
»Die Christin, die mein Bruder liebt?« entfuhr es ihren Lippen.
»Ah«, sagte der Generalkapitän spöttisch. »Eine Neuigkeit! Zuleik liebt eine Christin!«
»Es ist unmöglich dieselbe! Ihr habt euch getäuscht!«
»Nun, der Baron hat den Namen im Fieberwahnsinn wohl zwanzigmal wiederholt!«
»Was, ihr habt ihn gefoltert?« fuhr die Prinzessin auf.
»Nur ein paar Wassertropfen gut angewandt nicht mehr!«
»Die ihn irrsinnig gemacht haben! Ich kenne eure Teufelskünste und hätte euch nicht trauen sollen!«
»Wäre mir der Mann nicht von einer Ben-Abdad übergeben worden, lebte er nicht mehr. Ein Christ, der als Nichtsklave in Algier überrascht wird, stirbt wie ein toller Hund!«
»Wo ist der Baron?«
»Schon weit fort! Wo, sage ich nicht!«
»Ich will ihn sehen!« rief sie herrisch.
»Um ihn zu retten!«
»Was geht euch das an!«
»Nun, ihr vergeßt, daß ich nicht nur Muselmann, sondern auch oberster Richter bin! Die Gräfin Santafiora will ich euch überlassen, doch der Baron bleibt als mein Gefangener in meiner Gewalt!«
»Wie, ihr wagtet das?« schrie die Prinzessin wutenbrannt. »Sant Elmo ist meines Bruders Gefangener!«
»Er ist mir als Christ denunziert und von euch ausgeliefert worden. Basta! Als Islam Verteidiger darf ich nicht anders handeln!«
»Ihr habt ihn getötet!«
»Ich schwöre auf den Koran, daß er noch lebt und in einigen Tagen wieder ganz wohl sein wird!«
»Und die Christin?«
»Ich kenne ihren Aufenthalt nicht, aber ich werde sie schon zu finden wissen. Was wollt ihr mit ihr anfangen?«
»Sie umbringen!«
»Ihr liebt den Baron? Wie kann eine maurische Prinzessin ... «
»Ob ich ihn liebe oder hasse, weiß ich nicht, gebt mir nur den Gefangenen zurück!«
»Unmöglich, man würde mich beschuldigen, in meinen alten Tagen noch Beschützer der Ungläubigen zu werden. Er wird Sklave wie die andern. Das ist alles, was ich für euch tun kann!«
»Nehmt euch in acht, Culkelubi! Ihr wißt nicht, wessen ich fähig bin!«
»Wollt ihr mir weiter Janitscharen töten lassen? Tut es, und der Baron stirbt!«
»Gut, Amina bietet euch Trotz!«
Damit legte sie den Schleier wieder vors Gesicht und verließ mit schnellen Schritten den Saal.
»Die Nachkommen der Kalifen von Granada und Cordova entarten«, murmelte Culkelubi vor sich hin. »Halten wir die Augen offen! Diese Furie ist imstande ... «
22. DIE VERFOLGUNG DES NORMANNEN
Während der Ritter und Eisenkopf nacheinander den Falknern in die Hände fielen, hatte der schlaue Normanne die Kabylen auf seine Spur gelockt, in der Hoffnung, so seinen Begleiter retten zu können und vor allem seine eigene Haut in Sicherheit zu bringen.
Er wußte, daß weder er, noch seine mutigen Seeleute auf der Feluke auf Gnade rechnen könnten, wenn sie in der Gewalt der Mauren wären.
Trotzdem sein Pferd erschöpft war, zwang er es doch, noch einmal den Galopp aufzunehmen. Um den Blicken der Falkner zu entgehen, jagte er in einen dichten Eichenwald, wohin ihn die Kabylen verfolgten. Er hatte einen Plan gefaßt, um sich von ihnen zu befreien.
Während das Pferd schnaufend zwischen den Baumstämmen dahineilte, entdeckte er eine hohe Eiche, deren einer starker Ast etwa 4 Meter über den Boden ragte. Schnell schwang er sich stehend auf den Sattel und von dort auf den Baum, in dessen dichter Krone er sich verbarg. Zuvor hatte er die Muskete weggeworfen und nur Pistolen und Yatagan in seinem Gürtel behalten.
Das von seiner Last befreite Roß jagte durch den Wald weiter. Noch hörte man seinen Galopp, als die Kabylen wie Sturmwind heransausten.
Da sie die List nicht bemerkt hatten, setzten sie die Verfolgung fort.
Der Normanne suchte sich nun eine bequeme Stelle auf dem Baume, band sich dort fest und ruhte aus. Obwohl die Kabylen jetzt verschwunden waren, wagte er es doch noch nicht, sein Versteck aufzugeben, so begierig er auch war, das Schicksal seines Gefährten festzustellen.
Das war ein gut gelungener Streich, dachte er.
Wenn die Wilden das reiterlose Pferd finden, werden sie glauben, daß ich mir den Schädel an einem Baum eingerannt habe und nicht weiter nach mir suchen.
Da aber Michele auch besorgt war, daß die Falkner auf seiner Spur sein könnten, so blieb er noch weiter in seinem Versteck. Verzehrt von Ungeduld, wollte er mehrmals abspringen, doch trieben ihn immer wieder irgendwelche Geräusche zurück. Bald war es ein knackender Zweig, bald eine flüchtige Gazelle.
Endlich kam der Abend, ohne daß von den Kabylen oder Mauren sich jemand gezeigt hätte. Nun glitt er zur Erde, lud für alle Fälle seine Pistolen und machte sich auf den Weg zu dem Hügel, wo er den Baron verlassen.
Die Dunkelheit war so stark, daß er fortwährend an die Baumstämme anstieß. Er hatte sich nicht nur vor menschlichen Feinden, sondern auch vor wilden Tieren in acht zu nehmen. Nicht selten schreckten ihn Laute.
Schon hatte er eine beträchtliche Strecke seines beschwerlichen Wegs zurückgelegt, als er hinter sich Schritte zu vernehmen glaubte.
Er drückte sich an eine Eiche, den Yatagan in der Faust, kühn entschlossen, die Ursache des verdächtigen Geräusches festzustellen.
Schon fürchtete er, daß ihm jemand gefolgt wäre.