»Wenn es so steht, müssen wir handeln!«
»Haben wir die Prinzessin auf unserer Seite, sind wir des Erfolges sicher. Nur Zuleik darf nichts erfahren, ich habe schon meinen Plan gefaßt!«
»Kann ich euch bei der Ausführung desselben nützlich sein? Bedient euch wenigstens meines Maultiers!«
»Das will ich tun. Halte dich in der Nähe des Bagno auf! Vielleicht kannst du etwas über den Baron in Erfahrung bringen! Wechsle aber zuvor die Kleider und vermeide die belebten Straßen! Heut abend sehen wir uns hier oder beim Renegaten wieder!«
Gegen 11 Uhr vormittags trat der Mirab in den Vorhof des Palastes der Ben-Abad. Er wurde demütig von den Wachen und Sklaven daselbst begrüßt.
Durch seinen langjährigen Aufenthalt in Algier kannten ihn alle. Seine Würde öffnete ihm alle Türen. »Meldet der Prinzessin Amina mein Kommen!«
Der Haushofmeister war herbeigeeilt und ließ ihm durch die Diener Eis, Mokka und Süßigkeiten aller Art, der Sitte gemäß, reichen.
Hierauf wurde der Greis über die marmorne Haupttreppe in das Empfangszimmer der Prinzessin geführt, dessen rosarote Tapeten, Teppiche und Vorhänge mit breiten Silberborten versehen waren. Der Duft von brennendem Aloepulver erfüllte den Raum.
Amina lag hingestreckt auf ihrem Diwan, erhob sich aber ein wenig beim Eintritt des Mirab.
Dieser grüßte sie ehrerbietig. Er bemerkte eine Wolke auf ihrer Stirn, die ihm anzeigte, daß sie ein innerer Kummer bewegte.
»Welchem Umstande habe ich den Besuch des heiligen Mannes zu verdanken?« fragte sie. »Handelt es sich um den Bau einer neuen Moschee oder Cuba? Dann stehe ich euch mit dem Schatze der Ben Abad zur Verfügung!«
»Mein Kommen betrifft keine Angelegenheit unserer Religion. Es handelt sich um die Rettung eines jungen Mannes, den die Prinzessin auch kennt!«
Die Maurin sah ihn erstaunt an.
»Um den Baron Sant Elmo«, fuhr der Alte fort, der sich ihr gegenübergesetzt hatte, »jenen Malteserritter, den ihr vor Culkelubis Janitscharen so mutig verteidigt habt!«
Ihr Erstaunen wuchs.
»Was, ihr, ein Mirab, ein fanatischer Muselmann, habt für einen Ungläubigen Interesse? Wie soll ich das verstehen?«
»Ich, das Haupt eines der mächtigsten Orden, schätze den Baron. Ein Christ ist für mich ein Mensch wie ein Muselmann, wie dieser ein Geschöpf Gottes!«
»Ihr seid wirklich ein heiliger Mann, und ich bewundere euch«, sagte Amina. »Aber kennt ihr denn den Malteserritter?«
»Ihn nicht, jedoch seinen Vater habe ich gekannt. Es sind viele Jahre her. Ich war damals jung und noch nicht Mirab ... «
»Und darum seid ihr für den Sohn besorgt?«
»Ich habe eine Dankesschuld abzuzahlen. Sein Vater hatte mir einst das Leben gerettet. Heut will ich versuchen, es dem Sohne zu retten. Wißt ihr, daß der Baron in Culkelubis Händen ist?«
»Ich weiß es«, antwortete sie mit bebender Stimme. »Es ist eine schwierige Aufgabe, ihn zu befreien. Ich bin zu euch gekommen, Prinzessin, um euch zu fragen: Wollt ihr mir dabei helfen?«
Eine Glutwelle stieg in ihr Gesicht.
»Wißt ihr denn nicht, daß ich ihn selbst dem Generalkapitän ausgeliefert habe?«
»Ihr, Prinzessin? Nicht möglich!«
»Ja, in einem Anfall von Tollheit! Aus Eifersucht habe ich es getan. Der elende Culkelubi wird ihn nicht wieder herausgeben!«
»Eifersucht? Auf wen?«
»Auf ein Christenmädchen, das er liebt, auf die Gräfin Santafiora!«
»Auf seine Verlobte? Prinzessin, ich weiß, daß man hier zu Lande die Ehre hoch hält, aber die Treue kennt man nicht, die Treue eines Mannes einem Weibe gegenüber. Sie bestimmt nicht Leidenschaft, Sinnlichkeit, Rausch sie liegt in der Tiefe des Gemüts und ist eng mit der Ehre verbunden ... «
Amina war aufgesprungen und erregt im Zimmer hin und her gegangen. Sie atmete schwer ...
»Ich bin sicher«, fuhr der Greis fort, »daß eure Schönheit auch auf den Baron Eindruck gemacht hat, aber er mußte euch widerstehen, da er der Gräfin sein Wort gegeben. Er muß die Treue halten, bis seine Augen für immer geschlossen. Geht in euch, Prinzessin, wollt ihr dem Ritter aus dieser Tugend einen Vorwurf machen?«
»Ihr habt recht, Mirab«, sagte sie tonlos. »Durch sein Gelöbnis ist er für mich verloren. Was ich gestern noch Haß nannte, als ich ihn auslieferte, war Liebe zu ihm, aber ich schwöre hier auf den Koran, diese Leidenschaft aus meinem Herzen zu reißen und die Schuld, die ich auf mich geladen, zu sühnen ... ! Ich stehe euch zur Verfügung!«
»Dank, Amina, ihr seid eine Ben Abad, würdig eurer Vorfahren. Ich wußte, daß ich nicht vergebens eure Großmut anrufen würde!«
Ihre schönen Augen schimmerten in einem feuchten Glanze, während sie, wie in Erinnerungen verloren, sprach: »Ich bewunderte den Baron, schon ehe ich ihn kannte, durch die Erzählungen meines Bruders von seinem Mut und seiner Tapferkeit bei der Verteidigung des Schlosses auf San Pietro. Ein inneres Gefühl sagte mir, daß ich ihn kennenlernen würde. Dann sah ich ihn, und Tage höchsten Glückes traten mir bei seinem Anblick vor Augen, er ähnelte jenem Ritter, den ich einst unter italienischem Himmel glühend geliebt ... Ich hoffte, mir Sant Elmo zu erobern, um jene wonnigen Tage nochmals zu erleben!«
»Prinzessin, Gott hat es nicht gewollt! Eine Verbindung mit dem Christen würde ein schwerer Verrat am Islam gewesen sein. Eine Nachkommin vom Kalifen hat Rücksicht auf ihr Volk zu nehmen, damit ihre Rasse sie nicht verdamme!«
Amina neigte das Haupt.
»Ihr seid alt, Mirab, und nicht meines Stammes. Ihr kennt nicht die Leidenschaft und das Rachegefühl. Ich hätte an dem Tage, als mich die Wut der Eifersucht ergriff, den Baron mit diesen meinen eigenen Händen erwürgen können. Ich rettete ihn vor mir selber, als ich ihn Culkelubi überließ. Jetzt ist der Traum vorbei, die Glut verrauscht. Ihr habt mich zurückgeleitet zu meiner Pflicht, zum Glauben meiner Väter ich danke euch. Was kann ich für den Ritter tun? Verfügt über meine Schätze, falls ihr sie zu seiner Rettung braucht!«
»Wir müssen ihn aus dem Bagno von Sidi Hassan befreien. Aber Culkelubi wird ihn streng überwachen lassen!«
»Ich habe Sklaven, die mir ergeben sind, stark wie Löwen«, sagte Amina. »Mit ihnen könnte man es wohl wagen ... Überlaßt mir die Angelegenheit, Mirab! Ich werde die Wächter bestechen und dem Generalkapitän ein Schnippchen schlagen!«
»Ich kann euch auch 12 Seeleute zur Verfügung stellen mit einem Kapitän, der keine Furcht vor Janitscharen hat!«
»Ah, jene Schiffsmannschaft, die den Baron nach Algier brachte! Meine Diener haben mir davon berichtet!«
»Ihr kanntet sie und habt die Feluke nicht denunziert?«
»Ich hasse die Christen nicht, nein, ich bedaure tief die Grausamkeiten, die man gegen sie verübt ... ! Sagt den Seeleuten, daß sie sich bereithalten sollen zur Unterstützung meiner Neger! Wir müssen sobald wie möglich handeln. Ich fürchte, der Kommandant hat etwas vor mit dem Baron. Noch heute werde ich erfahren, in welcher Zelle er sich befindet. Morgen abend soll der Plan ausgeführt werden!«
»Und nachher, Amina?«
»Wünscht ihr noch mehr?«
»Wir müssen unser gutes Werk vollenden! Es bleibt noch die Christin!«
Sie fuhr auf.
»Nein, das ist eure Sache! Ich rühre keine Hand für diese Dame, die mir wenn auch unbewußt so bitter Leid angetan hat!«
»Also auf morgen, Prinzessin, die Schiffsmannschaft soll unterrichtet werden!«
24. IM BAGNO VON SIDI HASSAN
Das Bagno von Sidi Hassan war eins der kleinsten Algeriens, aber ebenso berüchtigt wie das von Salé, das von den Christensklaven am meisten gefürchtet wurde.