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»Es gehört kein geringer Mut zu dem Abenteuer!«

sprach der Renegat. »Ich würde es nicht wagen, unter solchen Umständen meinen Fuß in die Burg zu setzen!«

»Man wird nichts merken«, meinte der andere. »Die Flucht muß so schnell wie möglich stattfinden!« »Liegt der seidene Strick im Koffer?«

»Gewiß, und Waffen habe ich auch dazu getan ... !« Die Sänfte hielt nicht vor dem großen Haupttor der Burg, sondern vor einer kleinen, eisernen Nebenpforte, wo die neue Sklavin den neugierigen Blicken der Janitscharen nicht ausgesetzt war. Sie wurde mitten in einem Vorsaal niedergesetzt, dessen bunte Fensterscheiben das grelle Licht der afrikanischen Sonne dämpften. Ein großer, älterer Mann mit hochmütigem Gesichtsausdruck, dessen dunkle, fast schwarze Hautfarbe von seinem weißseidenen Kaftan erheblich abstach, näherte sich den Ankömmlingen.

Der Mirab verneigte sich tief:

»Seid gegrüßt, Sidi Maharrem! Hier ist das Mädchen, das du erwartest!«

Der Obereununch – obgleich von niederer Herkunft, so doch eine wichtige Persönlichkeit am muselmanischen Hof – antwortete mit einer herablassenden Handbewegung.

Der Baron, der seine volle Ruhe wiedererlangt hatte, machte eine anmutige Verbeugung und entschleierte sich langsam.

»Das ist eine schöne Erwerbung für den Harem!« rief der Eunuche überrascht aus. »Ein reizendes Gesicht! Wo habt ihr diese seltene Blume gepflückt?«

»Ein Malteser Kapitän hat sie aus Marokko mitgebracht!« entgegnete der Alte.

»Wieviel kostet sie?«

»Tausend Zechinen!«

»Welche die Prinzessin Kodem bezahlt hat?«

»Natürlich, sie hat das Mädchen gekauft als Geschenk für die zweite Gattin des Bey!«

»Ah, sie ist das Doppelte wert!«

»Du wirst die doch protegieren!«

»Gewiß, in vierzehn Tagen ist die Sklavin eine Besleme! Und wer weiß, ob sie nicht gar Favoritin meines Herrn wird! Ein so schönes Mädchen macht Karriere bei uns! Nur schade, daß sie stumm ist!«

»Leider, von Geburt an!«

»Sie ist schlank und graziös, kann also eine Tamburintänzerin werden!«

Er machte dem Mirab ein Zeichen, daß die Audienz nun beendet wäre.

Hierauf öffnete er eine durch einen schweren Brokatvorhang versteckte Tür und winkte der Marokkanerin, wie den Negern, die ihren Mahagonikoffer trugen, ihm zu folgen. Der Baron verschleierte sich wieder. Er war froh, daß sein Eintritt in die Burg so glatt gegangen war.

Sie schritten durch eine Reihe von Bogengängen, deren Wände mit goldglänzenden Stoffen behängt und deren Fußböden mit kostbaren, aloedurchtränkten Rabatteppichen belegt waren. Dann ging es über eine Freitreppe hinunter in die Haremsgärten. Dort lagen, auf Teppichen hingestreckt, plaudernde und lachende Mädchen unter Palmen oder am Rande von Marmorbecken, wo weiße Schwäne schwammen. Sie hatten mandelförmige Augen und weiße Arme, waren von Schleiern umhüllt und trugen perlengeschmückte Kopfbedeckungen. Negerinnen mit mächtigen, bronzefarbenen Gestalten reichten ihnen Süßigkeiten und Kaffee. Aus den Gebüschen klangen Tiorbaspiel und das Schwirren von Tamburinen. Heitere Lieder wurden geträllert in allen Sprachen. Sicher waren auch viele christliche Sklavinnen darunter, Beute der Korsaren von den Küsten Europas.

»Laß jetzt deine Schüchternheit beiseite«, sagte der Obereunuche zum Baron, »und sei lustig wie die andern Mädchen! Morgen stelle ich dich deiner Herrin vor!«

Einige übermütige Beslemen hatten den neuen Ankömmling schon umringt und lachten über seine Verlegenheit. Sie zogen ihn an der Hand zu einem Tamarindenbaum, wo eine alte Negerin im Kreise von weißen und schwarzen Sklavinnen Märchen erzählte. Man bot ihm Kaffee und Leckereien an und bestürmte ihn mit Fragen. Der Baron hütete sich wohl zu antworten. Er hätte es bei seiner mangelhaften Kenntnis des Arabischen auch kaum vermocht.

»Ach, sie ist stumm!« rief eines der hübschen Mädchen mitleidig aus.

»Dann lehren wir sie tanzen und Musik machen!« sagte eine andere.

Und eine dritte: »Die Ärmste! Sie soll unsere Freundin werden!«

Während der Ritter der Märchenerzählerin andächtig zu lauschen schien, beobachtete er aufmerksam alle Personen, die sich im Garten zeigten. Er suchte unter den Gruppen nach Donna Ida ... Durfte er doch nicht nach ihr fragen! Da sah er, wie sich der Eunuche untertänig einer jungen Frau näherte, deren perlengeschmücktes Haupt auf einem blauen Seidenkissen lag. Ihre reiche Kleidung und ihre Juwelen ließen sie als hochgestellte Dame erkennen. Sicher eine Gemahlin des Beys. Von den plaudernd um sie gescharten Mädchen glich eine seiner Braut. Er mußte an sich halten, um sich nicht durch einen Ausruf zu verraten. Die Gruppe drüben löste sich auf. Auch der Ritter zog sich langsam aus dem Kreise um die Negerin zurück. Er legte sich unter ein dichtes Gebüsch, wo er bequemer Umschau halten konnte. Ein inneres Gefühl sagte ihm, daß die Geliebte nicht fern sei.

Plötzlich durchfuhr ihn ein heftiger Schreck. Er hatte am äußersten Ende einer schattigen Allee, die ziemlich verlassen lag, eine kleine, zierliche Gestalt entdeckt, die einen weißen, goldpunktierten Schleierschal über ihrem Gewand trug. Ohne Rücksicht auf seine Umgebung war er aufgesprungen und auf die Allee zugeeilt. Die Gestalt war bei seinem Erscheinen stehengeblieben.

»Ida«, rief er leise, mit erstickter Stimme.

Die junge Besleme konnte einen leichten Schrei nicht unterdrücken. So unwahrscheinlich es ihr auch schien, war ihr doch die Stimme bekannt vorgekommen.

»Ida«, wiederholte er, »Gott scheint uns zu beschützen!«

»Wer seid ihr ... ? Es ist nicht möglich! Träume ich denn?«

Er führte sie schnell entschlossen zu einem Bananengebüsch, dessen große Blätter sie vor den Blicken der andern verbargen.

Willenlos folgte sie.

»Schau mich an! Erkennst du mich nicht?«

»Carlo, du?« Zwischen Schluchzen und Lachen sprach sie es.

»Still, Liebchen, man könnte uns hören!«

Unter Tränen jauchzte sie: »Du lebst! Zuleik hat mir gesagt, du seist tot!«

»Alles ist zur Flucht bereit, Ida! So Gott will, werden wir noch diese Nacht die Burg verlassen und morgen schon fern von Algier sein!«

»Unmöglich! Du kennst die Kasbah nicht!«

»Die Minuten sind kostbar. Lange kann ich meine Rolle hier nicht durchführen! Wenn man mich als Mann entdeckt, bin ich verloren!«

»Dann sterbe ich mit dir!«

»Weißt du, wo der Westturm liegt?«

»Ja, ich werde dich führen! Aber wie können wir denn in der Galerie dem wachthabenden Eunuchen entgehen?«

»Ich habe Waffen ... «

»Wir müssen uns jetzt trennen, Carlo, damit es nicht auffällt!«

In diesem Augenblick bog eine Schar mit Musikinstrumenten in die Allee ein. Ida schloß sich ihnen an. Man schien die Entfernung der neuen Sklavin nicht bemerkt zu haben. Während letztere sich wieder zu der Negerin setzte, vergnügten sich die Gefährtinnen der Gräfin am Teiche, um die Schwäne mit Körnern anzulocken.

Bald brachten die Eunuchen und Dienerinnen Körbe mit allerlei Speisen, die auf silbernen Platten zum Abendessen serviert wurden. Man stellte sie in die Mitte der Gruppen. Einige der Frauen schmausten, auf Kissen gelehnt; andere lagen lang hingestreckt im Grase und ließen sich bei ihrer Mahlzeit von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne bescheinen. Als Nachtisch wurden von Negerinnen Süßigkeiten, Eis, Kaffee und parfümierte Zigaretten gereicht. Kadinen, Odalisken und Beslemen knabberten mit ihren Zähnen Mudjumpastillen und gewisse Süßigkeiten, die mit öligen und parfümierten Essenzen durchtränkt waren und leicht berauschten. Andere ließen sich auf vergoldeten Räuchergefäßen Wohlgerüche aus Aloe und Sandelholz bereiten.

Alle lachten, plauderten, scherzten und waren froh, der Langeweile für einige Zeit überhoben zu sein, welche weder der Luxus des Orients noch der Glanz der Fürstenhöfe bannen kann.