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»Vielleicht Boten des neuen Generalkapitäns für den Bey! Was fürchtest du denn, Michele?«

»Ich muß gestehen, daß ich unruhig bin. Mir ist, als ob uns irgendeine Gefahr droht!«

Sie lauschten und merkten jetzt deutlich, daß die Pferde nicht den Weg nach der Kasbah, sondern nach dem Haus des Renegaten einschlugen.

Der Schmuggler sprang auf und rief seinen Leuten zu: »Haltet die Waffen bereit!«

Er sah vom Dach aus zwei Reiter heransprengen. Die Renner hatten Schaum vor dem Munde.

»Öffnet!« rief eine Stimme.

»Beim Himmel, die Prinzessin! Ein schlechtes Zeichen!«

Michele stürzte zum Tor und ließ Amina und Eisenkopf ein.

»Weilt der Baron noch oben in der Kasbah?« fragte sie hastig.

»Ja!«

»Mein Bruder weiß, daß er wieder in Algier ist und daß er diesen Zufluchtsort hat!«

»Wer kann uns verraten haben?«

»Einer meiner Neger, den er gefoltert hat, um ihm das Geheimnis zu entreißen!«

»War es Hady, der unserer Flucht beigewohnt ... «

»Und der Verkleidung des Ritters!« ergänzte die Prinzessin. Er hat es mir noch vor dem Tode gestanden, als man ihn sterbend zu mir brachte. Vor kaum einer halben Stunde! Ich konnte ihn nicht mehr retten!

»Ahnt ihr, was Zuleik unternehmen wird?«

»Er ist schon mit Janitscharen unterwegs, um euch zu verhaften! Ihr werdet kaum 10 Minuten Zeit zur Flucht haben!«

»Weiß euer Bruder, daß der Baron in der Burg ist?«

»Ich vermute es!«

In diesem Augenblick schrien die Seeleute:

»Das Signal! Das Signal!«

»Endlich!«

Ein kleines, helles Pünktchen glänzte oben zwischen zwei Turmzinnen.

Der Normanne zündete sofort auf dem Dach zwei Schiffslaternen an und ließ die Pferde vorführen.

Die Prinzessin, wieder in der Tracht des Algeriers, saß schon im Satteclass="underline" »Sie kommen, die Janitscharen! Hört ihr?«

Ferne Hufschläge, wie von einer galoppierenden Reiterschar, erklangen vom Fuße des Hügels her.

»Fort!« rief Michele. »Sie sollen das Nest leer finden!«

»Ich begleite euch!« sagte Amina, die den Baron noch einmal wiedersehen wollte.

Sie jagten nun den Weg hinauf, der die Burg begrenzt. Bei einem Palmengebüsch ließen sie die Pferde in Obhut der Kabylen zurück und näherten sich zu Fuß dem Westturm, an dessen Zinnen der helle Punkt glänzte.

»Seht«, rief der Normanne, »eine dunkle Gestalt gleitet am Strick herunter!«

Eisenkopf und drei von der Schiffsmannschaft waren schon in den Wallgraben unterhalb des Turms gesprungen. Da lösten sich zwei Schatten von der Mauer, und eine barsche Stimme rief: »Wer da! Zu den Waffen, Janitscharen!«

Mit einem Satz war Michele, gefolgt von seinen Leuten, auf die zwei Wachtposten losgestürzt und hatte sie niedergemacht. Der blitzartige Angriff ließ letzteren nicht Zeit, ihr Gewehr zu gebrauchen. Aber ihr Ruf war auf den Bastionen gehört worden. Die Wachen schrien ebenfalls: »Zu den Waffen!«

Der Baron war indessen zur Erde geglitten. Er und die Gräfin fielen auf weiches Laub. Eisenkopf kam ihr zu Hilfe.

Auf den Bastionen hörte man Kommandorufe und sah Gestalten hin und her gehen. Die Wachen gaben jetzt Feuer, obgleich sie in der Dunkelheit nichts unterscheiden konnten.

Die Prinzessin, der Renegat und der Mirab, der plötzlich wie verjüngt war, hatten die Büchsen gespannt, um nötigenfalls auf die Gegner zu schießen.

Nun eilten alle zu den Pferden, die im Palmengebüsch standen.

Der Ritter, der das Frauenkleid abgeworfen hatte, unter dem er seine männliche Gewandung trug, bemerkte jetzt die Prinzessin, die an ihrem Sattel stand.

»Ihr hier, Amina?«

Dann führte er die Gräfin zu ihr.

»Hier, unsere Retterin, Zuleiks Schwester!«

Die Prinzessin bemeisterte ihr innere Erregung und reichte Donna Ida die Hand.

»Werdet glücklich!« hauchte sie. »Und verzeiht meinem Bruder!«

»Habt Dank für alles!« sagte der Ritter. »Um eurethalben sei ihm verziehen. Immer werden wir eurer, Amina, in Treue gedenken!«

Da hörte man deutlich Pferdegetrappel.

»Die Janitscharen!« rief der Normanne.

»Schnell in den Sattel! Wir umreiten die Kasbah!«

Noch ein letzter Scheidegruß für die Kabylen, und wie ein Sturmwind rasten sie, an der Cuba vorbei, in die Stadt hinunter.

Der Reiterschar Zuleiks waren sie ausgewichen, aber hier trat ihnen ein neuer Trupp Soldaten entgegen.

»Platz im Namen des Bey!« schrie der Schmuggler, der sie zu täuschen suchte.

Den Yatagan in der Rechten, die Pistole in der Linken und die Zügel zwischen den Zähnen, so jagten die zwölf Reiter durch die Feindesschar hindurch, indem sie rechts und links um sich hauten. Die Gräfin hatten sie in ihre Mitte genommen, um sie besser zu schützen. Schüsse folgten ihnen und wütendes Geschrei: »Haltet die Christen! Feuer!«

Aber schon waren diese ihren Verfolgern entschlüpft.

Da fiel von der Kasbah ein Kanonenschuß.

»Alle Teufel! Man alarmiert die Garnison der Stadt! Jetzt hat man unsere Flucht entdeckt!«

In der Ferne vernahm man den Lärm galoppierender Pferde.

»Setzt alle Kräfte ein«, schrie der Seemann. »Ich wette, wir haben Zuleik auf den Fersen! In fünf Minuten müssen wir an Bord sein!«

Die fortgesetzt gespornten Rosse rasten mit einem Höllenlärm durch die Straßen ... durch nächtliche Menschenansammlungen hindurch ... Schrecken erregend.

Wachen wurden überritten ...

Das Ufer war erreicht. Aber schon hörte man die Verfolger näher und näher kommen.

Die Feluke lag mit aufgezogenen Segeln an Land.

Alles stürzte hinein. Der Baron hatte die halb ohnmächtige Gräfin in seine Arme genommen.

Jetzt sah man aus allen Gassen Janitscharen heransausen.

Zum Glück wehte der Wind günstig vom Land her. Der »Soliman« war, unterstützt von Ruderschlägen, geschickt durch die vor Anker liegenden Kauffahrteischiffe hindurchgeglitten und den Augen der Verfolger für kurze Zeit entschwunden.

Die Janitscharen waren jetzt angelangt. Sie heulten wutentbrannt, daß ihnen die Flüchtenden entgangen waren.

»Ihnen nach!«

»Holt die Christen ein!«

»Boote! Boote!« übertönte sie eine Stimme, welche der Normanne als die Zuleiks erkannt hatte.

Er lud die beiden kleinen Kanonen auf der Feluke, während der Baron Donna Ida in die Kajüte trug und seinen Panzer anlegte.

Von dem nahen Bagno war ein Blitz aufge?ammt, dem ein donnerndes Getöse folgte. Der Schuß war für die Wachtschiffe ein Signal, den Hafen zu sperren.

Fluchend spähte der Schmuggler nach der Mündung der Bucht.

»Hoffentlich kommen wir bei dem Wind noch rechtzeitig aufs Meer hinaus!« rief der Ritter besorgt.

Michele schärfte seinen Leuten ein, nicht zu feuern, da das nur ihren Weg verraten würde. Er ergriff selbst das Steuer und befahl, durch ein viereckiges Segel das dreieckige zu verdecken, um nicht sofort erkannt zu werden.

Schon waren ihnen mit Soldaten gefüllte Schaluppen nachgeeilt, die fortgesetzt Flintenschüsse abgaben.

Der »Soliman« nahm die Richtung nach der östlichen Spitze des Hafens, wo noch kein Licht sichtbar war. Die Schatten der Felsen und Bäume der Küste verbargen ihn dort.

Da aber fielen auch von den andern Bagnos Kanonenschüsse, welche die im Westen des Hafens liegenden Wachtschiffe nach Osten dirigierten. Letztere antworteten.

»Sind wir noch nicht draußen?« fragte Sant’ Elmo erregt.

»Noch nicht! Das wird eine schöne Jagd geben! Dort jagen vier Boote den Wachtschiffen nach! Sicher wird Zuleik dabeisein!«

»Aber unsere Feluke ist schneller!«

»Wer weiß! Die Mauren segeln gut!«

»Wohin geht die Flucht?«

»Nach den Balearen-Inseln! Die sind am nächsten ... Achtung, Herr, sie schießen! Kopf runter! Streckt euch der Länge nach aufs Deck!«