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«Wo war er, als er von Treadstone angefordert wurde?«fragte Marie.»Was tat er da?«

«Er war Lehrer an einem kleinen College in New Hampshire. Er lebte dort recht einsam. «Crawford griff nach dem Aktendeckel.»Das sind die wesentlichen Fakten, Miss Saint Jacques. Die anderen Bereiche werden von Dr. Panov übernommen werden, der mir klargemacht hat, daß meine Gegenwart nicht vonnöten sein wird. Aber es gibt hier noch eine Einzelheit, die geklärt werden muß. Es handelt sich um eine direkte Anweisung des Weißen Hauses.«

«Der Schutz«, sagte Marie, und ihre Worte waren keine Frage, sondern eine Feststellung.

«Ja. Wohin auch immer er geht, gleichgültig, welche

Identität er annimmt oder wie erfolgreich seine Deckung sein wird. Er wird rings um die Uhr bewacht werden. So lange es nötig ist — selbst wenn es sich als überflüssig herausstellte.«

«Bitte erklären Sie mir das.«

«Er ist der einzige lebende Mann, der je Carlos gesehen hat. Als Carlos. Er kennt seine Identität, aber sie ist in seinem Bewußtsein vergraben, Teil einer Vergangenheit, an die er sich nicht erinnert. Aus dem, was er sagt, haben wir gelernt, daß Carlos vielen Leuten bekannt ist — eine sichtbare Gestalt irgendwo in der Regierung oder in den Medien oder im internationalen Bankwesen oder im gesellschaftlichen Leben. Das paßt in die vorherrschenden Theorien. Worauf es uns ankommt, ist, daß jene Identität Webb eines Tages wieder bewußt werden könnte. Wir wissen, daß Sie bereits einige Gespräche mit Doktor Panov hatten. Ich glaube, er wird das, was ich gesagt habe, bestätigen.«

Marie wandte sich zu dem Psychiater.»Stimmt das, Mo?«»Es ist möglich«, sagte Panov.

Crawford verließ den Raum, und Marie schenkte sich und dem Psychiater Kaffee ein. Panov ging zu der Couch, auf der der General gesessen hatte.

«Sie ist noch warm«, sagte er und lächelte.»Crawford hat geschwitzt, selbst an seinem berühmten Gesäß. Er hat auch allen Grund dazu, das haben die alle.«

«Was wird geschehen?«

«Nichts. Absolut nichts. Erst, wenn ich es ihm sage. Das kann noch Monate dauern, vielleicht sogar ein paar Jahre. Jedenfalls so lange, bis er bereit ist.«

«Bereit wozu?«

«Zu den Fragen und den Fotografien — Bänden von Fotografien, Stellung zu nehmen. Die bereiten gerade eine fotografische Enzyklopädie vor, die auf den losen Beschreibungen basiert, die er ihnen gegeben hat. Damit Sie mich nicht falsch verstehen; eines Tages wird er anfangen müssen. Er will das, und wir alle. Carlos muß gefangen werden. Zu viele Leute haben ihr Letztes gegeben; er hat zweifelsohne sein Allerletztes gegeben. Jetzt kommt zuerst er. Sein Kopf ist das Allerwichtigste.«

«Darauf wollte ich letztlich hinaus. Was wird denn nun mit ihm geschehen?«

Panov stellte seine Tasse ab.»Das weiß ich noch nicht genau. Ich habe zu viel Respekt vor dem menschlichen Bewußtsein, um Ihnen etwas Populärpsychologie aufzutischen; da wird zu viel falsch gemacht. Ich habe an allen Konferenzen teilgenommen — darauf habe ich bestanden — und habe mit anderen Kollegen und Neurochirurgen gesprochen. Freilich können wir operieren und die Sturmzentren erreichen, seine Ängste verringern, ihm eine Art Frieden geben. Ihn vielleicht sogar zu dem zurückbringen, was er war. Aber das ist nicht die Art Frieden, die er will… und es gibt da ein viel größeres Risiko, ein viel gefährlicheres. Wir können zu viel auslöschen, die Dinge wegnehmen, die er gefunden hat — die er weiterhin finden wird. Wenn wir sorgfältig vorgehen, geduldig.«

«Geduldig?«

«Ich glaube ja. Weil wir das Muster kennen. Es heißt: Erkennen, Wissen, Leben. Und ist mit einem oft schmerzhaften Erwachen verbunden. Verstehen Sie mich?

Marie blickte in Panovs dunkle, müde Augen; sie sah ein Leuchten in ihnen.»Ich glaube schon«, sagte sie.»Wir alle sind so.«

«Richtig. In gewisser Weise ist er wie ein funktionierender Mikrokosmos von uns allen. Ich meine, wir versuchen doch schließlich alle, herauszubekommen, wer, zum Teufel, wir sind, nicht wahr?«

Marie trat an das Fenster in dem Strandhäuschen mit den Dünen dahinter und den Drahtzäunen, die das Gelände umgaben. Und den Wachen. Alle fünfzig Fuß ein Mann mit einem Karabiner.

Sie konnte ihn ein paar hundert Meter entfernt am Strand sehen; er warf Muscheln ins Wasser, sah zu, wie sie über die Wellen tanzten, die sanft ans Ufer spülten. Die letzten Wochen hatten ihm gut getan. Sein Körper trug zwar viele Narben, war aber wieder in Ordnung, wieder kräftig. Die Alpträume waren immer noch da, und manchmal überfielen ihn selbst während des Tages Augenblicke der Angst, aber irgendwie war alles weniger schrecklich. Er begann, sich mit seiner Umwelt zu arrangieren; er begann wieder zu lachen. Panov hatte recht gehabt. Dinge nahmen um ihn herum Gestalt an; Bilder wurden klarer. Er begann, Zusammenhänge zu erkennen, wo vorher nur Leere gewesen war.

Jetzt war etwas geschehen! O Gott, was war es? Er hatte sich ins Wasser geworfen und schlug um sich, schrie. Und dann sprang er plötzlich heraus, sprang über die Wellen zum Strand. In der Ferne fuhr am Stacheldrahtzaun ein Wachtposten herum, riß einen Karabiner hoch, zog ein Funksprechgerät aus dem Gürtel.

Er begann, über den feuchten Sand auf das Haus zuzurennen, taumelte dabei, schwankte, seine Füße gruben sich wütend in die weiche Sandfläche, so daß hinter ihm Wasser und Sand aufspritzten. Was war passiert?

Marie erstarrte. Sie war auf den Augenblick vorbereitet, von dem sie wußte, daß er eines Tages vielleicht kommen würde.

Er platzte durch die Tür, und seine Brust hob und senkte sich, er rang nach Atem. Er starrte sie an, und seine Augen waren so klar, wie sie sie nie zuvor gesehen hatte. Und dann sprach er leise, so leise, daß sie ihn kaum hören konnte. Aber sie hörte ihn.

«Mein Name ist David… «

Sie ging langsam auf ihn zu.»Hallo, David«, sagte sie.