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Ich wollte antworten, aber in diesem Moment kam der Riese schon zurück und deutete mit einer knappen Handbewegung auf die offenstehende Tür hinter sich. »Mister Jameson erwartet Sie«, sagte er kurz angebunden.

Ich bedankte mich mit einem übertrieben freundlichen Kopfnicken - was mir einen zyankaligeschwängerten Blick des Vierschrötigen einbrachte -, winkte Bannermann, mir zu folgen, und trat durch die Tür.

Der Raum dahinter war so groß wie die Empfangshalle, entsprach aber schon mehr meiner Vorstellung eines Reedereibüros. Es gab den obligatorischen Schreibtisch und die ebenso obligatorischen Schiffsmodelle, dazu aber auch eine kleine bequem aussehende Sitzecke, auf die der Riese jetzt deutete.

»Mister Jameson kommt sofort«, knurrte er. »Nehmen Sie Platz.«

Wir gehorchten. Der Riese musterte mich noch einen Augenblick lang mißgelaunt, drehte sich auf dem Absatz herum und trollte sich. Bannermann sah ihm mit offenkundiger Besorgnis nach. Ich sah ihm an, daß er längst bereute, mich um Hilfe gebeten zu haben. Wahrscheinlich wünschte er sich jetzt weit, weit weg.

Es dauerte lange, bis Jameson kam. Sein »sofort« zog sich drei, vier, fünf Minuten hin, und schließlich stand ich auf und begann, eigentlich ziellos, im Raum auf und ab zu gehen. Nur, um mir die Zeit zu vertreiben, besah ich mir die Schiffsmodelle, die auf kunstvoll geschnitzten Sockeln im Raum standen.

Es waren wirklich sehr prachtvolle Modelle. Wer immer sie angefertigt hatte, mußte ein wahrer Künstler sein, denn sie zeigten jede noch so winzige Einzelheit ihrer Vorbilder. Vor allem das Modell eines gewaltigen, fünfmastigen Kriegsschiffes zog mich in seinen Bann.

Sein Original mußte ein wahrer Gigant sein; ein Ungeheuer mit vier Reihen übereinander angeordneter Geschütze auf jeder Seite, zwei gewaltigen, unter der Wasserlinie angebrachten Schaufelrädern und einem mächtigen Schornstein mittschiffs, der die Dampfturbine unter Deck verriet. Wie ich schon zu Bannermann gesagt hatte, verstand ich nichts von Schiffen und wußte mit Mühe und Not, daß das britische Empire die unumstritten größte Seemacht der Welt war. Trotzdem wunderte es mich ein wenig, noch nie von diesem Giganten der Meere gehört zu haben.

Dann fiel mein Blick auf das Messingschildchen daneben, das seinen Namen zeigte. Das Schiff hieß Dagon.

»Gefällt Ihnen das Modell?«

Die Stimme drang unangenehm schneidend in meine Gedanken, und ich wußte, daß mir ihr Besitzer nicht gefallen würde, noch bevor ich mich umdrehte und Jameson wie einen fetten Buddha unter der Tür stehen sah. In seinen kleinen, in fettig glänzende Wülste eingelassenen Augen stand ein mißtrauisch-lauernder Ausdruck, und das Lächeln auf seinen Zügen war nicht echt. Er war ungefähr so hoch wie breit.

Automatisch nickte ich. »Es ist... beeindruckend«, sagte ich. »Unter welcher Flagge fährt es?«

Jamesons Lächeln wurde wehmütig. »Unter keiner, fürchte ich.« Er zuckte mit den Achseln, schloß die Tür hinter sich und watschelte auf seinen kurzen Beinen näher. Irgendwie erinnerte er mich an eine bärtige Qualle. »Was Sie da sehen, Mister Craven«, sagte er, »ist eine kleine Marotte von mir. So eine Art Traum, wissen Sie? Ich habe mir immer gewünscht, einmal ein solches Schiff bauen zu können, aber ich fürchte, es wird stets ein Traum bleiben.« Er kam näher und strich mit seinen kurzen, dicken Wurstfingern beinahe liebkosend über den geschnitzten Achtersteven der Dagon.

»Was bedeutet der Name?« fragte ich.

Jamesons Lächeln wurde ein wenig unsicherer. »Dagon?« wiederholte er. »Nichts. Nichts, was irgendeine Bedeutung hätte, jedenfalls. Er geht auf eine alte Legende zurück. Ein Meeresgott, den die Maori verehren.« Er lächelte noch einmal, nahm plötzlich die Hand vom Mast des Schiffsmodelles und wurde übergangslos ernst.

»Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Mister Craven?« fragte er.

»Ich«, antwortete Bannermann an meiner Stelle.

Jameson erstarrte, drehte sich mit einer sonderbar mühsamen, abgehackten Bewegung herum und stieß ein ersticktes Keuchen aus.

»Bannermann!« krächzte er. »Sie... Sie wagen es, hierher zukommen?«

»Wie Sie sehen, ja.« Bannermann schob trotzig das Kinn vor und trat einen Schritt auf Jameson zu. »Es gibt da ein paar Dinge zwischen uns, die noch zu klären sind.«

»Ich wüßte nicht, was!« schnappte Jameson. Plötzlich war der Ausdruck auf seinen feisten Zügen nur noch blanke Wut. »Ich habe Ihnen verboten, jemals wieder hierher zu kommen, Bannermann«, sagte er. »Und ich dachte, ich hätte mich deutlich genug ausgedrückt.«

Ich sah, wie sich Bannermanns Hände zu Fäusten ballten, und trat rasch zwischen ihn und den Reeder, um das Schlimmste zu verhindern. »Kapitän Bannermann ist auf meine Bitte hin hier«, sagte ich schnell. »Er wollte es nicht, aber ich habe darauf bestanden, daß er mich begleitet, Mister Jameson.«

Jameson funkelte mich an. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, oder was Sie wollen, Craven«, sagte er leise. »Aber Sie sollten sich Ihre Freunde besser aussuchen.«

Sein überheblicher Ton brachte mich in Rage. Ich schluckte die noch halbwegs freundlichen Worte, die mir auf der Zunge gelegen hatten, herunter, bedachte ihn mit einem Blick, der einen Geysir zum Gefrieren gebracht hätte, und fuhr in hörbar kälterem Ton fort: »Gut, Jameson, vielleicht ist es besser, wenn wir gleich zur Sache kommen. Ich bin hier, um die Vorgänge zu untersuchen, die zum Untergang von Kapitän Bannermanns Schiff führten.«

»Untersuchen?« Jameson lachte häßlich. »Da gibt es nichts zu untersuchen, Craven. Und wenn, dann werden sich andere Stellen darum kümmern.«

»Die gleichen, die verhindert haben, daß gegen Kapitän Bannermann offiziell Anklage erhoben wurde, Jameson?« fragte ich.

Es war ein Schuß ins Blaue, aber er traf. Jameson erbleichte und aus den Augenwinkeln sah ich, wie Bannermann ebenfalls überrascht zusammenfuhr und mich verwirrt ansah. Aber das war noch lange nicht die einzige Überraschung, die ich parat hatte. Manchmal ist es ganz nützlich, über weitreichende Verbindungen zu verfügen.

»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Jameson unsicher.

»Nichts«, antwortete ich. »Aber ich verfüge über gewisse... sagen wir: Kontakte zu offiziellen Stellen. Ihr Bananenfrachter ist nicht das einzige Schiff, das in den letzten Monaten in diesen Gewässern gesunken ist, nicht wahr? Wenn meine Informationen richtig sind, hat Ihre Gesellschaft in den letzten drei Monaten genau so viele Schiffe verloren. Alle drei unter ungeklärten Umständen.«

Jameson atmete hörbar ein. Sein Blick irrte unstet zwischen Bannermann und mir hin und her. Ich spürte, daß ich ihn in die Enge getrieben hatte.

»Was... was geht Sie das an?« schnauzte er schließlich.

»Eigentlich nichts«, antwortete ich. »Vielleicht frage ich mich einfach, warum Ihnen als Besitzer der Scotia-Reederei so wenig daran gelegen ist, die genauen Umstände aufzuklären, unter denen Ihre Schiffe gesunken sind. Im Grunde brauchte mich das nicht einmal zu interessieren, aber ich habe prinzipiell etwas dagegen, jemanden für Dinge bezahlen zu lassen, an denen er unschuldig ist. Vor allem, wenn es sich dabei um einen Freund handelt.«

Jameson wand sich wie ein getretener Hund. »Das sind unhaltbare Anschuldigungen, Craven«, krächzte er. »Sie können nichts von dem beweisen, was Sie da behaupten.«

»Was habe ich denn behauptet?« fragte ich lauernd.

Jameson starrte mich an, fuhr sich nervös mit dem Handrücken über die Lippen und schluckte schwer. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt.

»Verschwinden Sie«, sagte er. Plötzlich klang seine Stimme ganz kalt. »Machen Sie, daß Sie wegkommen, Craven, bevor ich Sie hinauswerfen lasse.«

Bannermann wollte auffahren, aber ich brachte ihn mit einer raschen Geste zum Verstummen, hob meinen Spazierstock und stupste Jameson damit spielerisch in den Bauch. »Ich gehe«, sagte ich. »Aber ich verspreche Ihnen, daß ich wiederkomme, wenn ich nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden von Ihnen höre, Jameson.«