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Mit einem Eimer Wasser.

Prustend setzte ich mich auf, fuhr mir mit dem Handrücken über die Augen und sah einen riesigen Schatten, der wie ein Berg auf zwei Beinen über mir aufragte. Instinktiv griff ich nach meiner Waffe.

»Das ist nicht nötig, Mister Craven«, sagte eine dunkle Stimme.

Ich zog die Hand zurück, blinzelte nochmals nach oben und erkannte ein breites, kantig geschnittenes Gesicht, das sich über einer dunkelblauen Marineuniform erhob. Stahlblaue Augen musterten mich mit einer Mischung aus Sorge und unterdrücktem Spott.

»Wir stehen auf Ihrer Seite, mein Freund«, fuhr der Fremde fort. »Und so, wie es aussieht, haben Sie Verbündete bitter nötig.« Er grinste, beugte sich vor und streckte mir die Hand entgegen, um mir auf die Füße zu helfen. Sein Griff war sehr fest.

Verwirrt sah ich mich um. Ich konnte nicht sehr lange bewußtlos gewesen sein, denn ich befand mich noch auf derselben Straße, in der Bannermann und ich in den Hinterhalt von Jamesons Schlägern geraten waren. Von den Wegelagerern war keine Spur mehr zu sehen. Dafür gewahrte ich fast ein Dutzend Marinesoldaten, die mit angelegten Gewehren im Halbkreis um mich und mein Gegenüber herumstanden und sich bemühten, möglichst finster auszusehen.

Wen ich nicht sah, war Bannermann.

»Wer... wer sind Sie?« fragte ich stockend. »Und wo ist Bannermann?«

»Mein Name ist Spears«, antwortete mein Gegenüber. »Fregattenkapitän Jerry Spears vom Marinegeheimdienst Ihrer Majestät.« Er salutierte - eher spöttisch als militärisch präzise -, lächelte flüchtig und wurde sofort wieder ernst. »Wir sind leider eine Minute zu spät gekommen, Mister Craven. Ich fürchte, Kapitän Bannermann befindet sich in den Händen der Männer, die Ihnen aufgelauert haben.«

»Dann müssen wir ihn befreien!« sagte ich erschrocken. »Wir...«

Spears machte eine Handbewegung, die mich zum Verstummen brachte. »Immer mit der Ruhe, Craven«, sagte er. »Seien Sie froh, daß wir Sie rausgehauen haben.« Er runzelte die Stirn, sah mich von oben bis unten an und schüttelte den Kopf. »Nach allem, was ich über Sie gehört habe, hätte ich Sie nicht für so dumm gehalten. Ich schätze, ich werde mir einen mächtigen Rüffel von meinem Vorgesetzten einhandeln. Aber was geschehen ist, ist geschehen.«

»Wer sind Sie überhaupt?« fragte ich verstört. Ich begriff nichts mehr. »Sie sind doch nicht zufällig aufgetaucht, oder?«

Spears zögerte einen Moment. »Was wollen Sie hören?« fragte er dann. »Eine glaubhafte, kurze Ausrede oder die unglaubhafte und sehr lange Wahrheit?«

»Die Wahrheit«, grollte ich. Spears schien es zu lieben, in möglichst langen und komplizierten Sätzen zu reden.

»Wie Sie wollen«, sagte Spears. »Aber dann lassen Sie uns irgendwohin gehen, wo es sich besser redet.«

Es war wie ein Rausch. Ein Taumel von Gefühlen, die sie nie zuvor kennengelernt hatte, außer bei den wenigen Gelegenheiten, da sie ihren Körper mit den eigenen Händen erforschte, aber da war es anders gewesen. Sie war sich schmutzig und besudelt vorgekommen, und stets war das Gefühl dabei gewesen, etwas Verbotenes und Schlechtes zu tun. Jetzt empfand sie nichts dabei, nichts als Glück und das unvergleichbare Empfinden, frei zu sein. Alles, was sie empfand, war neu und berau schend, und doch war es, als hätte sich etwas in ihr schon immer danach gesehnt, als entdecke sie einen Teil ihres Selbst, von dem sie bisher überhaupt nicht gewußt hatte, daß es existierte. Seine Berührungen setzten sie in Brand, erweckten ein verzehrendes, unlöschbares Feuer in ihr. Sie spürte die Berührung seiner glatten, unmenschlich starken Arme, seine Küsse, das Streicheln seiner Hände auf ihrer Haut, auf dem Rücken, ihren Schultern, ihrer Brust, überall, auch an Stellen, an die sie bisher nicht einmal zu denken gewagt hatte, seine Küsse, die ihren Mund, ihre Augen, ihr Gesicht und schließlich jeden Quadratzentimeter ihres Körpers bedeckten.

Als er sie schließlich nahm, war es wie ein Schritt in eine neue Welt.

Plötzlich waren Gefühle in ihr, die zu beschreiben ihr die Worte fehlten, ein Taumel von Sinnlichkeit, der sie davonzuspülen schien. Sie war er und er war sie; für Sekunden, die sich zu Ewigkeiten dehnten, waren sie ein Wesen. Sie spürte seinen schlanken, kräftigen Körper, seine Umarmung, die so fest war, als wolle er sie zermalmen, die gleichzeitig weh und unglaublich wohl tat, sein Verlangen und Begehren, das von ihr erwidert wurde, ohne und fast gegen ihren Willen.

Irgendwann war es vorbei. Jennifer wußte nicht, wie viele Minuten oder auch Stunden vergangen waren. Es war ihr auch gleich. Nichts zählte mehr als die Erinnerung an dieses berauschende, unglaublich schöne Gefühl, seine Berührung, seine Wärme, das Empfinden, eins mit ihm zu sein. Da war ein winziger Teil in ihr, der ihr zuflüstern wollte, daß es falsch und gotteslästerlich sei, was sie getan hatte, daß er kein Mensch, sondern ein unbeschreiblich fremdes Wesen war, und das, was immer aus dieser Vereinigung erwachsen mochte, nur von Übel sein konnte. Sie verscheuchte den Gedanken.

Allmählich begann sie die Welt um sich herum wieder wahrzunehmen, und erst jetzt, fast, als hätte bisher ein Schleier über ihren Gedanken gelegen, der nur ganz allmählich zerriß, erin nerte sie sich wieder, wie sie hierher gekommen waren. Sie waren geschwommen, zuerst durch die schweigende Schwärze des Sees, dann durch schier endlose Stollen und Tunnel voll leuchtendem Wasser und sonderbaren Dingen, und schließlich hatte er sie hierher geführt, in ein phantastisches Reich tief auf dem Grund des Sees.

Sie öffnete die Augen, setzte sich auf und sah sich um. Er war nicht da, aber sie fühlte seine Nähe, als wäre sie jetzt wirklich ein Teil von ihm.

Ein paarmal rief sie nach ihm, bekam aber keine Antwort, und begann schließlich, ihre Umgebung auf eigene Faust zu erforschen. Das Gebäude, in dem sie war, war nur Teil einer gewaltigen, in ihren ganzen Dimensionen nicht überschaubaren Anordnung mehr oder weniger verfallener Häuser und Säulenhallen, die den Grund des Sees fast vollständig bedeckte.

Jennifer blieb eine Weile vor dem halb niedergebrochenen Eingang des Kuppelhauses stehen, wandte sich unschlüssig nach rechts und links und schwamm schließlich los, auf kein bestimmtes Ziel zu. Das Wasser spielte mit ihrem Haar und streichelte ihren Körper, und allein diese Berührung ließ abermals einen wohligen Schauer der Erinnerung durch ihren Leib fließen. Das Bizarre ihrer Situation kam ihr nicht einmal zu Bewußtsein. Alles, was vorher gewesen war, war vergessen. Sie war glücklich, und das allein zählte.

Eine Zeitlang schwamm sie ziellos zwischen den geborstenen Säulen und Wänden der versunkenen Stadt hin und her, spielte mit Fischen, die zutraulich näher kamen, oder ließ sich einfach in der Strömung treiben. Schließlich gewahrte sie einen Schattten, weit entfernt, fast am Rande der Stadt.

Neugierig schwamm sie darauf zu. Der Schatten wuchs heran und wurde zu einem Schacht, der senkrecht in den Meeresboden hineinführte und sich in Dunkelheit verlor. Jennifer spürte einen raschen Schauer eisiger Kälte, als sie sich ihm näherte. Salzgeschmack war auf ihren Lippen. Der Schacht mußte eine Verbindung zum Meer hin haben, dachte sie überrascht. Plötzlich glaubte sie eine Bewegung in der Schwärze tief unter sich zu erkennen. Etwas Dunkles, Glitzerndes wogte dort, und für einen ganz kurzen Moment spürte sie ein Gefühl, das an Furcht grenzte, aber es nicht wirklich war.

Sie verscheuchte es. Konnte es in diesem unterseeischen Märchenreich irgend etwas Schlechtes oder gar Gefährliches geben?

Jennifer drehte sich mit einer eleganten Bewegung herum und schwamm los. Die versunkene Stadt und der Grund des Sees blieben über ihr zurück, und Kälte und Dunkelheit begannen sie einzuweben wie das Netz einer unsichtbaren Spinne.

Wieder sah sie die Bewegung, und diesmal war sie so deutlich, daß sie sicher war, sich nicht getäuscht zu haben. Sie hielt inne, sah zu dem kleinen runden Fleck trübgrüner Helligkeit über sich hinauf und erschrak, als sie erkannte, wie tief sie bereits in den Schacht vorgedrungen war, ohne es zu bemerken. Die Bewegung wiederholte sich abermals, und Jennifer sah, daß sie von mehreren Stellen zugleich kam, als huschten tief unter ihr finstere Dinge über den Grund des Schachtes. Allmählich begann das Gefühl von Furcht in ihr stärker zu werden, aber im gleichen Maße nahm auch ihre Neugier zu; sie zögerte noch einen Moment, wandte sich dann entschlossen nach unten und schwamm weiter.