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Spears wiederholte seinen Befehl noch vier- oder fünfmal, aber er bekam keine Antwort.

»Verdammt!« murmelte er. »Wo steckt der Kerl? Fredkins, Leroy - sucht ihn. Aber ein bißchen dalli, wenn ich bitten darf!«

Die beiden Angesprochenen verschwanden lautlos wieder im Haus, um ihren Kameraden zu suchen, während sich die anderen dichter um uns zusammenzudrängen begannen. Obwohl der Hof groß genug war, der gut dreifachen Anzahl von Männern Platz zu bieten, wichen sie alle rein instinktiv so weit wie nur möglich von der aufgebrochenen Stelle und Jamesons Leichnam weg. Selbst ich vermochte mich einer dumpfen Bedrückung nicht zu erwehren. Immer wieder ertappte ich mich dabei, aus zusammengekniffenen Augen auf die aufgedunsene Leiche und das finstere Loch hinter ihr zu blicken. Meine Hand strich nervös über den Griff meines Stockdegens. Schließlich kamen die beiden Soldaten zurück. Sie waren totenblaß, und das Gesicht des einen war zu einer Grimasse verzerrt, während der andere mühsam um seine Fassung rang. Ich war nicht der einzige, der wußte, was sie sagen würden, noch bevor sie uns erreichten.

»Johnson ist tot, Sir«, stammelte einer der Soldaten. »Er liegt... im Keller. Und er ist...«

»Was ist er?« fauchte Spears, als der Mann nicht weitersprach.

»Tot«, wiederholte der Soldat. Seine Stimme zitterte so heftig, daß das Wort kaum zu verstehen war. »Genau wie Jameson. Er ist... etwas hat ihn... mein Gott!«

Spears starrte ihn einen Herzschlag lang an, ballte die Hände zu Fäusten und blickte zum Haus hinüber. Seine Kiefer mahlten. Als er sprach, konnte man seiner Stimme anhören, wieviel Mühe es ihn kostete, sich noch zu beherrschen.

»Im Keller? Wo genau?«

Der Soldat machte eine vage Kopfbewegung hinter sich. »Unten. Im...« Er stockte, suchte einen Moment sichtlich nach Worten und setzte erneut an: »Es gibt eine Treppe nach unten, Sir. Zur... Kanalisation. Er muß dort unten... er hat...«

Spears schnitt ihm mit einer befehlenden Geste das Wort ab, als er abermals zu stammeln begann. »Okay«, sagte er laut, trat einen Schritt zur Seite und deutete mit einer befehlenden Geste auf den ausgezackten Krater auf der anderen Seite des Hofes. »Korporal Jennings - Sie nehmen zehn Mann und steigen dort hinab. Die ändern kommen mit mir.«

»Sind Sie verrückt?« entfuhr es mir, aber Spears ließ mich nicht zu Wort kommen, sondern fuhr wie von der Tarantel gestochen herum und fauchte mich an:

»Halten Sie den Mund, Craven! Das hier geht Sie nichts an. Es ist mir ziemlich egal, wer Jameson umgebracht hat, und warum. Aber wenn einer meiner Männer getötet wird, dann will ich wissen, wer es war. Und er wird dafür bezahlen. Vorwärts, Jennings! Die anderen folgen mir. Und Sie, Craven«, fügte er, nach einer winzigen Pause und wieder an mich gewandt, hinzu, »werden entweder hierbleiben und Ihrer Wege gehen oder mitkommen und meinem Befehl gehorchen.«

Eine Sekunde lang starrte ich ihn an, dann nickte ich fast unmerklich und setzte mich in Bewegung, auf das Haus zu.

Der Tote sah aus wie Jameson, aber die Tatsache, daß er halb über den ersten Stufen der Treppe zusammengebrochen war, machte das Bild tausendmal schlimmer, denn sein Körper war wie eine haltlose Stoffpuppe die Stufen hinabgerutscht; es sah aus, als hätte er zusätzliche Gelenke in Armen und Beinen, dort, wo seine Glieder die Konturen der steinernen Treppe nachzeichneten. Seine Augen standen offen wie die Jamesons, aber wo im Blick des Reeders ein grenzenloses Entsetzengestanden hatte, las ich in seinem nur Erschrecken und Unglauben.

Jameson hatte gewußt, was ihn tötete, er nicht. Die Männer bewegten sich lautlos wie Schatten in die Tiefe, und obgleich sie sich instinktiv bemühten, ihrem toten Kameraden nicht näher zu kommen als unbedingt nötig, gingen sie in militärischer Präzision, die Waffen schußbereit in den Händen und mit ganz gespannter Aufmerksamkeit. Fast gegen meinen Willen mußte ich Spears und seinen Leuten Anerkennung zollen. Obwohl ich in solcherlei Dingen kaum Erfahrung hatte, spürte ich doch, daß ich mich inmitten einer Eliteeinheit befand. Der Mann, dessen Leichnam wir passierten, war zweifellos Opfer eines überraschenden Angriffes geworden. Wer immer versuchte, diese Männer auf die gleiche Weise zu überrumpeln, würde eine sehr unangenehme Überraschung erleben.

Was nicht bedeutete, daß ich mich etwa sicher fühlte.

Die Treppe führte auf einer Strecke von vielleicht zehn Yards steil in die Tiefe, knickte dann nach rechts ab und endete in einem gekrümmten, nicht ganz mannshohen Stollen, der bis auf einen schmalen Sims an der rechten Seite mit widerlich stinkendem Abwasser gefüllt war. Die Luft fühlte sich schleimig an, und der Geruch nach Fäulnis und Fäkalien, der von den braunen Fluten aufstieg, nahm uns schier den Atem.

Spears wartete, bis der letzte Mann den Fuß der Treppe erreicht hatte, deutete mit einer befehlenden Geste nach rechts, wo sich der Stollen in finsteren Schatten verlor, und entzündete eine Rumkorff-Lampe. Der bleiche Schein riß eine mannsbreite Spur aus Helligkeit in die Schwärze des Tunnels, aber das Licht schien die Dunkelheit dahinter eher noch zu verstärken. Das Wasser schoß gurgelnd zu unseren Füßen dahin, dunkle, formlose Dinge mit sich reißend.

Fast mit Gewalt löste ich meinen Blick von dem Anblick und sah in die andere Richtung. Ein Stück hinter uns, zwanzig, allerhöchstens dreißig Schritte entfernt, fiel blasses Licht durch ein gezacktes Loch in der Gangdecke. Darüber bewegten sich Schatten. Spears' Leute, die durch den zweiten Eingang in das Kanalsystem einzudringen versuchten. Von drei, vielleicht sogar vier Yards. Welche unglaublichen Gewalten waren nötig, diese Schicht aus Felsen und Erdreich zu durchstoßen?

Aber ich behielt meine Überlegungen auch diesmal für mich und sah Spears nur nachdenklich an. Der Fregattenkapitän rief seinen Leuten ein paar militärische Kommandos zu, die ich nicht verstand. Augenblicke später setzte sich der kleine Trupp, im Gänsemarsch und hintereinander auf dem schmalen Steinsims, dem bleichen Schein der Lampe folgend, in Bewegung. Der Kanal zog sich eine gute halbe Meile gerade wie mit einem Lineal gezogen dahin, dann vollführte er eine scharfe Wendung nach rechts und mündete in einen größeren Gang; aus dem schmalen schnellfließenden Bach neben uns wurde ein reißender Strom stinkend-braunen Wassers, und der Gestank wurde noch übermächtiger. Ich hatte das Gefühl, kaum mehr atmen zu können, und aus meinem Magen kroch langsam, aber unaufhaltsam, eine dumpfe Übelkeit empor. Im flackernden Licht der Lampen konnte ich erkennen, daß auch Spears' Männer bleich geworden waren.

Plötzlich erscholl irgendwo weit vor mir ein Schrei. Der Lichtkegel von Spears' Lampe begann einen Moment wild auf und ab zu hüpfen, strich an der Decke und den Gangwänden entlang und richtete sich schließlich auf die Wasseroberfläche. Unter den braunen Fluten war ein mächtiger, dunkler Umriß zu erkennen. Er war größer als ein Mensch, von länglicher Form und ungeheuer massig. Und er bewegte sich gegen die reißende Strömung!

»Was ist das?« brüllte Spears. »Fredkin - schießen Sie!« Ich begriff den Inhalt von Spears' Worten eine Sekunde zu spät. Im auf und ab hüpfenden Schein der Lampe konnte ich erkennen, wie der Angesprochene das Gewehr an die Wange riß und zielte. Aber mein Warnschrei ging bereits im Krachen des Schusses unter.

Der Lärm war unbeschreiblich. Der gekrümmte Gang fing das Krachen des Schusses auf und warf es tausendfach verstärkt zurück. Ein Bersten und Peitschen erscholl, als wäre direkt neben uns eine Kanone abgefeuert worden, und der gesamte Stollen schien zu beben.

Unmittelbar über dem dunklen Umriß spritzte das Wasser hoch. Das Ding zuckte, sackte wie von einem Faustschlag getroffen ein Stück in die Tiefe - und schoß wie ein schwarzer Blitz auf das Ufer und die Männer zu!

Die Soldaten begannen zu feuern. Über, neben und vor dem schwarzen Etwas explodierte die Wasseroberfläche unter den Einschlägen Dutzender von Geschossen, aber die Wirkung war gleich Null. Der Schatten kam rasend schnell näher, prallte mit einer Wucht, die ich durch den Stein hindurch spüren konnte, gegen das gemauerte Ufer und...