Ein halbes Dutzend Kerzen und eine fast heruntergebrannte Fackel verbreiteten schummeriges Licht, die Luft war verräuchert und stank nach kaltem Tabaksqualm, und zwischen den vieren kreiste eine bauchige Wermutflasche. Die Frau - sie war überraschend jung und hätte, wäre sie sauber gewaschen und anders als in Fetzen gekleidet gewesen, wahrscheinlich sogar gut ausgesehen - kicherte ununterbrochen vor sich hin und wankte beständig von rechts nach links, und auch die drei anderen schienen kaum weniger betrunken zu sein.
Schweren Herzens richtete ich mich auf, trat einen halben Schritt zurück und zog das Messer aus dem Gürtel. Ich hätte weiß Gott einen anderen Weg bevorzugt, Bannermann zu finden, aber so, wie die Dinge lagen, mußte ich an diesen vieren vorbei, ganz egal, wie.
Dann drehte einer der Männer, die mit dem Rücken zur Tür saßen, den Kopf, und als ich sein Gesicht sah, schmolzen meine Skrupel auf einen kümmerlichen Rest zusammen. Es war einer der Schläger, die Bannermann und mich in Aberdeen überfallen und den Kapitän entführt hattenl Mit einem wütenden Tritt schmetterte ich die Tür auf und sprang in den Raum. Die drei Männer fuhren in einer fast synchronen Bewegung hoch und wirbelten herum, während das Mädchen vor Schrecken nach hinten kippte und lallend liegenblieb. Der Dürre, den ich aus Aberdeen kannte, stieß ein zorniges Grunzen aus, zauberte ein Klappmesser aus der Tasche und ließ es aufschnappen.
Eine halbe Sekunde später wiederholte er selbst die Bewegung in umgekehrter Richtung, denn mein Knie kollidierte ziemlich unsanft mit seinem Magen. Beinahe gleichzeitig schlug ich dem zweiten den Ellbogen nieder, fuhr herum - und konnte mich gerade noch rechtzeitig ducken, um der mit aller Macht geschleuderten Wermutflasche zu entgehen, die der dritte nach mir schleuderte! Die Flasche zerbarst mit einem lauten Knall an der Wand hinter mir, und fast im selben Moment drang der dritte Mann auf mich ein. Er war so betrunken, daß er kaum auf den Füßen zu stehen vermochte. Ich wich seinen wirbelnden Fäusten mit Leichtigkeit aus, sprang ein Stück zurück und versetzte ihm eine Gerade auf die Nase, die wahrscheinlich selbst Rowlf gefällt hätte.
Ihn nicht.
Der Kerl verharrte mitten im Schritt, starrte mich eine halbe Sekunde lang aus runden Augen an und hob dann langsam die Hand ans Gesicht. Verblüfft starrte er auf das Blut, das aus seiner Nase lief, schniefte ein paarmal und hob abermals die Fäuste.
»Na warte, Bursche«, lallte er. »Das haschte nischt umschonscht gemacht.«
Mir blieb keine Zeit, ihn darüber aufzuklären, daß ich keinen Penny für den Hieb verlangte, denn er hob die Arme, blies mir eine gewaltige Alkoholfahne ins Gesicht und drosch mit aller Macht auf mich ein. Ich wich seinen Hieben aus, trat ihm nacheinander vor beide Knie und hämmerte ihm die Fäuste in den Magen, aber der Kerl hatte entweder die Konstitution eines Walfisches oder war einfach zu betrunken, um meine Hiebe überhaupt zu spüren. Schritt für Schritt trieb er mich vor sich her, ununterbrochen auf mich einschlagend und dabei aus Leibeskräften brüllend.
Schließlich stand ich mit dem Rücken zur Wand. Der Kerl grunzte triumphierend, ballte eine gewaltige schmutzige Hand vor meinem Gesicht und schlug zu. Ich duckte mich im letzten Moment. Seine Faust krachte gegen die Wand, daß ich den Stein knirschen hörte, und diesmal schien sogar sein Spatzengehirn so etwas wie Schmerz zu registrieren, denn er jaulte auf, klemmte die Hand unter die Achselhöhle und hüpfte mit einem Bein davon. Ich trat es ihm unter dem Leib weg. Als ich mich umwandte, waren mein dürrer Freund aus Aberdeen und sein Kamerad schon wieder auf den Beinen und läuteten die zweite Runde ein. Der Dürre hatte sein Messer wieder ergriffen, und die Art, in der er damit in der Luft herumfuchtelte, sagte mir deutlich, daß er ein Könner im Umgang mit dieser Waffe war.
Schritt für Schritt, leicht nach vorn gebeugt und mit gespreizten Beinen, wich ich vor den beiden zurück. Der Dürre wechselte mit einem hämischen Kichern sein Messer ein paarmal von der Rechten in die Linke und zurück, während sein Kumpan unentwegt die Hände schloß und öffnete. Hinter mir stemmte sich auch der dritte Kerl schon wieder auf die Füße. Ich mußte zu einer Entscheidung gelangen. Im Grunde zweifelte ich nicht einmal daran, mit den dreien fertig zu werden; ich hatte nicht umsonst einen großen Teil der letzten Jahre damit verbracht, alle möglichen Arten der Selbstverteidigung zu erlernen, und die drei waren so betrunken, daß auch ein weniger geschulter Mann als ich eine gute Chance gegen sie gehabt hätte. Aber ich hatte weder Zeit noch Lust, mich auf einen langen Kampf einzulassen. Ich war hier, um Bannermann zu befreien, nicht um mich mit Betrunkenen zu prügeln. Als der Dürre angriff, wartete ich bis zum letzten Moment.
Sein Messer zuckte in einem gemeinen Stich von unten herauf nach meiner Brust, aber ich hatte eine Gemeinheit wie diese erwartet, packte sein Handgelenk, verdrehte es und kugelte ihm den Daumen aus, als er das Messer fallen ließ. Der Dürre kreischte, aber ich ließ seine Hand nicht los, sondern packte ihn im Gegenteil mit der Linken an der Schulter, benutzte ihn als Angelpunkt und stieß ihn mit aller Kraft von mir. Der Dürre taumelte nach hinten, wie ich es gehofft hatte, fiel gegen seine Kameraden und riß sie von den Füßen.
Ich gab den beiden keine Chance, noch einmal aufzustehen, sondern setzte ihnen nach und betäubte sie mit zwei gezielten Schlägen. Dann wandte ich mich um, ging zu dem Dürren hinüber und riß ihn auf die Füße. Der Mann wimmerte, machte aber keinen Versuch mehr, mich anzugreifen. Vielleicht boxt es sich mit einem verrenkten Daumen auch nicht sehr gut.
»Hören Sie auf, Craven!« flehte er.
»Gut. Dann wissen Sie ja auch, warum ich hier bin, nicht?«
Der Mann fuhr zusammen wie unter einem Hieb. Plötzlich war in seinen Augen nur noch Angst. »Was wollen Sie?« keuchte er. »Ich... ich habe nur einen Befehl ausgeführt. Ich habe nichts gegen Sie, Craven. Er hat mich gezwungen. Er zwingt uns alle. Er bringt uns um, wenn wir seinen Befehlen nicht gehorchen!«
»Was glaubst du wohl, was ich mit dir mache, wenn du mir nicht sagst, wo Bannermann ist?« drohte ich. »Sprich endlich, Kerl! Ich weiß, daß ihr ihn hierher gebracht habt!«
Es war sonderbar - aber im selben Augenblick, in dem ich Bannermanns Namen erwähnte, hörte der Dürre auf zu zittern. Ein sonderbar fragender Ausdruck erschien in seinen Augen, und plötzlich war etwas Lauerndes darin, das ich mir nicht erklären konnte.
»Bannermann?« vergewisserte er sich.
Ich nickte, stieß ihn wütend gegen die Wand und schwenkte die Faust vor seinem Gesicht. »Sprich endlich, Kerl!« sagte ich. »Ich finde ihn auch alleine, aber ich schwöre dir, daß du dann mehr als nur einen verrenkten Daumen hast!«
»Aber, aber, Robert Craven«, sagte eine Stimme hinter mir. »Du enttäuschst mich. Es ist doch eigentlich gar nicht deine Art, Schwächeren mit Gewalt zu drohen.«
Eine einzige, endlose Sekunde lang blieb ich wie versteinert stehen. Dann ließ ich den Dürren fahren, wirbelte herum - und stieß einen krächzenden Schrei aus!
Ich stand einem Monster gegenüber - einem Wesen mit schmalem, grausam geschnittenem Gesicht, mit riesigen Fischaugen und Kiemenschlitzen am Hals. Seine Stimme glich kaum der eines Menschen, und seine mit Schwimmflossen versehenen Hände und die silbergrüne Schuppenhaut glänzten selbst im düsteren Licht des Keller wie polierter Smaragd.