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Natürlich war er nicht tot. Schon einen normalen Menschen hätte der Schlag allerhöchstens betäubt, und Dagon war alles andere als ein Mensch, geschweige denn ein normaler Mensch. Wahrscheinlich würde er schon in wenigen Augenblicken wie der aufwachen und so übler Laune sein wie ein Haifisch mit Zahnschmerzen.

Aber mit etwas Glück reichte diese Frist. Wenn ich erst einmal aus diesem verrückten Gebäude heraus und auf dem Weg nach oben war, hatte ich eine Chance.

Ich fuhr im Wasser herum, streckte die Arme aus und paddelte auf einen mannshohen Riß in der Wand zu, so schnell ich konnte.

Die Stadt war in Chaos versunken. Alles war voller hochgewirbeltem Schlamm und Erdreich, das Wasser schien zu kochen, und ein großer Teil der Gebäude, die ich auf dem Herweg beobachtet hatte, war jetzt eingestürzt. Eine Unzahl dunkler, kaulquappenähnlicher Umrisse flitzte in heillosem Durcheinander herum, und gerade als ich das Gebäude verließ und mich auf den Weg nach oben machen wollte, blitzte es schräg hinter mir grell auf, und ein weiteres Bauwerk barst in einer brodelnden Schaumexplosion auseinander. Die Druckwelle schleuderte mich herum, warf mich um ein Haar gegen einen zerborstenen Pfeiler und trug mich dann ein gutes Stück in die Höhe.

Und dann sah ich die NAUTILUS.

Wie ein bizarres Seeungeheuer schwebte sie über der Stadt, ein Gigant aus Stahl und Glas, aus dem der Tod auf die versunkene Tempelstadt und ihre Bewohner niederregnete. Sie hing, schwerelos wie ein bizarrer Ballon, gut hundert Yards über dem gewaltigen Krater, der im Meeresboden gähnte, in einen Kranz grellen, elektrischen Lichtes getaucht und dünne Schweinwerferstrahlen wie gleißende Finger in alle Richtungen schießend.

Ein Dutzend Männer in wuchtigen Tiefseemonturen hatte das Schiff verlassen und machte mit seinen Harpunen Jagd auf die Kaulquappenmonster, und eine weitere Anzahl gepanzerter Gestalten sank gerade in diesem Moment in den Krater, große, gewehrähnliche Instrumente in den Händen, aus denen sie auf das wimmelnde schwarze Leben an seinem Grunde schössen. Immer wieder blitzte es am Bug der NAUTILUS grell auf, und ich gewahrte dunkle, fast mannslange Körper, die an der Spitze sprudelnder weißer Schaumbahnen aus dem Schiff fegten und in die Stadt einschlugen.

Torpedos! Ich hatte von diesen Waffen gehört, teuflische Erfindungen, die niemals hätten gebaut werden dürfen. Jetzt sah ich sie zum erstenmal in meinem Leben wirklich im Einsatz, und obwohl es nichtmenschliche Bestien waren, gegen die sie abgeschossen wurden, ließ mich der Anblick schaudern. Das Böse wird nicht besser, wenn man es gegen sich selbst richtet. Wie von Sinnen schwamm ich los, direkt auf den gewaltigen schwarzbraunen Leib der NAUTILUS zu. Rings um mich herum versank das unterseeische Reich Dagons im Chaos, aber ich versuchte, es zu ignorieren, und näherte mich dem Unterseeboot.

Aber auch Dagons Kindern.

Als ich näherkam, wuchsen die dunklen Punkte, die die NAUTILUS wie ein Schwärm wütender Bienen attackierten, zu gewaltigen, kaulquappenähnlichen Monstern, und ich sah, daß eine große Anzahl von Nemos Tauchern in einen wilden Kampf mit den Bestien verstrickt war. Ihre metallenen Panzer schützten sie zwar gegen die mörderischen Gebisse der Ungeheuer, aber die Zahl der schwarzen Shoggoten-Kreaturen schien unerschöpflich.

Dann sah ich etwas, was mich den Kampf vor mir vergessen ließ.

Jennifer.

Die Explosion, die die Pyramiden zerstört hatte, mußte sie aus dem Gebäude geschleudert haben. Sie war bei Bewußtsein und regte sich, aber ihre Bewegungen waren fahrig und ziellos; wahrscheinlich war sie halb benommen. Und sie trieb direkt auf die NAUTILUS und die Unzahl von Shoggoten zu, die das Schiff umgaben.

Ich reagierte, ohne zu denken. Mit wenigen Schwimmzügen war ich bei ihr und ergriff das Mädchen bei den Hüften. Jennifer fuhr zusammen, wirbelte herum und begann um sich zu schlagen. Sie mußte halb wahnsinnig vor Angst sein und schien nicht einmal zu begreifen, daß ich gekommen war, um sie zu retten!

Es tat mir beinahe mehr weh als ihr, aber ich hob den Arm, ballte die Hand zur Faust und betäubte sie mit einem Hieb unter das Kinn. Das Mädchen erschlaffte in meinen Armen.

Noch einmal warf ich einen Blick zur NAUTILUS und dem bizarren Kampf, den sie ausfocht, hinauf. Dann drehte ich mich um, lud Jennifer sicher auf beide Arme und begann zur Oberfläche emporzuschwimmen, so schnell ich konnte.

Das Schiff erbebte wie im Sturm. Immer wieder dröhnte der Rumpf wie unter gewaltigen Hammerschlägen, und das Wummern der Maschinen war längst im Gellen zahlloser Alarmklingeln untergegangen. In die kühle Frischluft im Salon hatte sich ein beißender Gestank gemischt, und vor den beiden Sichtfenstern tanzten bizarre schwarze Schatten einen höllischen Totentanz.

Auf dem Pult vor Nemo war eine große Anzahl roter und gelber Lampen zu flackerndem Leben erwacht, und in den letzten Minuten war seine Bewegung immer fahriger und schneller geworden; Spears hatte gesehen, daß er ein paarmal Fehler gemacht hatte, denn er hatte seine Ruhe verloren und fluchte manchmal halblaut in seiner Muttersprache vor sich hin. Der Kampf schien sich seinem Höhepunkt zu nähern.

Unendlich langsam hob Spears die Hand, zog den Volant zur Seite und trat aus seinem Versteck. Während der letzten zwanzig Minuten hatte er ein halbes Dutzend Male dazu angesetzt, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, und genau so oft im letzten Moment wieder gezögert, denn stets war entweder ein Mann hereingekommen oder hatte Nemo aufgesehen oder war sonst etwas passiert, was es zu riskant erscheinen ließ, sein Versteck zu verlassen. Jetzt war der Moment gekommen. Die Männer, die bisher hektisch im Salon auf und ab gelaufen waren oder unverständliche Dinge getan hatten, waren gegangen. Das runde Metallschott am anderen Ende des Raumes war geschlossen, und Nemo war allein mit nur einem Mann seiner Besatzung zurückgeblieben.

Spears zweifelte nicht daran, daß dieses Alleinsein nur wenige Augenblicke dauern würde; aber mehr brauchte er nicht.

Lautlos trat er hinter das geschwungene Kommandopult, hob seine Schraubenschlüsselkeule - und schlug zu. Das Werkzeug traf den Matrosen neben Nemo im Nacken. Noch in derselben Bewegung zuckte die Keule herum, streifte Nemos Schläfe und landete auf seiner linken Schulter. Der Kapitän der NAUTILUS schrie auf, kippte aus seinem Sitze und krümmte sich auf dem Boden.

Spears schrie triumphierend auf, schwang seine Waffe und setzte ihm nach, aber Nemo reagierte schneller, als Spears es ihm zugetraut hatte. Sein Fuß zuckte hoch, traf den Sessel und schleuderte ihn direkt vor Spears Füße.

Spears stolperte, kämpfte einen Moment lang mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht und fiel schließlich der Länge nach hin. Der Schraubenschlüssel entglitt seiner Hand und flog scheppernd über den Metallboden davon. Aber der Wahnsinn gab Spears schier übermenschliche Kräfte. Mit einer blitzartigen Bewegung sprang er wieder auf die Beine, setzte seiner Waffe nach, riß sie in die Höhe...

und erstarrte.

Der Salon war nicht mehr leer. Die Tür hatte sich nicht geöffnet, dessen war sich Spears völlig sicher - aber vor dem Kommandopult Nemos waren urplötzlich zwei Gestalten erschienen.

Gestalten, die geradewegs aus einem Alptraum entsprungen zu sein schienen!

Die Kleinere von ihnen mußte an die zwei Yards messen, während die andere noch gute zwei Handspannen größer war, dabei so breitschultrig, daß sie schon fast mißgestaltet wirkte. Ihre Körper waren schwarz, besetzt mit schimmernden Riemen und kleinen, kupferfarbenen blitzenden Knöpfen, und wo ihre Hände sein sollten, prangten fürchterliche, dreifingrige Krallen aus Stahl.

Das Schlimmste aber waren die Köpfe: gewaltige, metallen blitzende Kugeln mit einem einzigen, riesenhaften Auge, das fast die gesamte Gesichtsfläche einnahm, dafür aber ohne Mund, Nase oder andere sichtbare Sinnesorgane. Zwei dicke, gewundene schwarze Schläuche verbanden die beiden Horror gestalten mit der Wand.