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»Sie wollten etwas von mir«, sagte ich. »Schon vergessen, Bannermann?«

Bannermann griff nach dem Glas und funkelte mich ärgerlich an, als ich abermals abwehrte. »Zum Teufel, geben Sie die Flasche her, Craven«, raunzte er. »Ich brauche einen Schluck!«

Ich blieb stur. »Warum sind Sie gekommen, Bannermann?« fragte ich scharf. »Wollen Sie meine Hilfe oder meinen Whisky?«

»Beides«, murmelte Bannermann.

»Das geht nicht. Sie können die Flasche haben und damit verschwinden - oder Marys vorzüglichen Kaffee trinken und mit mir reden. Entscheiden Sie sich.« Ich verkorkte die Flasche, stand umständlich auf und trug sie fort. Bannermanns Augen schienen zu brennen, als ich zurückkam. Seine Finger spannten sich so fest um die Tischkante, als wolle er das Möbelstück zerbrechen. Plötzlich nickte er.

»Sie haben recht. Entschuldigen Sie, Craven. Es tut mir leid.«

»Was ist geschehen?« fragte ich. »Was ist mit Ihnen passiert, Kapitän?«

Bannermann schürzte die Lippen. »Vergessen Sie den Kapitän«, sagte er. »Ich bin es nicht mehr.«

»Sie haben abgeheuert?« fragte ich überrascht.

Bannermann lachte rauh. »Nicht direkt. Ich habe mein Kapitänspatent zwar noch, aber es gibt im ganzen Empire keinen Reeder mehr, der mir noch sein Schiff anvertrauen würde.« Er schwieg einen Moment, und wieder schien sein Blick geradewegs durch mich hindurch zu gehen. Seine Kiefer preßten sich aufeinander.

»Ich bin am Ende, Craven«, sagte er. »Erledigt. Ich habe mein Schiff verloren. Mein Name steht ganz oben auf allen schwarzen Listen, die Sie sich denken können. Ich habe versucht, einen Job zu finden, aber niemand will mich mehr.« Einen Moment lang blickte ich ihn verständnislos an. »Ich begreife nicht ganz, wovon Sie reden«, gestand ich schließlich. »Dr. Gray sagte mir, er hätte die Sache in Ordnung gebracht, und...«

»Ich spreche nicht von der Lady«, unterbrach mich Bannermann. »Ihr Anwalt hat sein Wort gehalten. Das Seegericht hat mich freigesprochen.«

»Das will ich hoffen«, murmelte ich. »Der Spaß hat mich genug Geld gekostet.«

»Geld?« Bannermann runzelte die Stirn.

Ich nickte. »Aber natürlich. Warum, glauben Sie wohl, hat die Reederei nicht auf einer vollständigen Aufklärung der Sache bestanden? Ich habe die Lady of the Mist bezahlt, bis auf den letzten Penny. Ganz abgesehen davon waren Sie unschuldig.«

»Wen interessiert das schon?« murmelte Bannermann. »Ich werde mit Ihrer Reederei sprechen«, sagte ich. »Ich bin sicher, in dieser Angelegenheit etwas für Sie tun zu können. Schlimmstenfalls«, fügte ich mit einem nicht ganz echt klingenden Lachen hinzu, »kaufe ich Ihnen ein Schiff.«

Bannermann starrte mich an, und ich begriff, daß ich wieder einmal das falschestmögliche überhaupt gesagt hatte. In diesen Dingen begann ich ein gewisses Talent zu entwickeln.

»Geld«, murmelte er. »Sie gehören wohl auch zu den Menschen, die glauben, alles mit Geld erreichen zu können, wie?«

Er spie das Wort hervor, als wäre es eine Obszönität. »Zum Teufel, Craven, wenn ich Geld von Ihnen haben wollte, hätte ich Ihnen einen Brief geschrieben. Ich bin hier, weil ich am Ende bin. Ich... ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Wenn es mir nicht gelingt, meine Unschuld zu beweisen, finde ich nicht einmal mehr einen Job als Parkwächter. Wissen Sie, was einem Kapitän passiert, der zweimal hintereinander sein Schiff und den größten Teil seiner Mannschaft verliert? Sie könnten die gesamte englische Flotte kaufen, Craven. Niemand würde mehr unter meinem Kommando fahren.«

»Was ist passiert?« fragte ich zum zweitenmal.

Bannermann starrte mich an und schwieg, und nach einigen Sekunden stand ich auf, schenkte ihm noch einen Whisky ein. Seine groben Finger spannten sich so fest um das Glas, daß ich fürchtete, es würde zerbrechen. Aber er schüttete den Alkohol wenigstens nicht mehr in sich hinein wie Wasser, sondern trank langsam und fast bedächtig.

»Lesen Sie keine Zeitung?« fragte er plötzlich.

Ich verneinte. »Fast nie. Warum?«

»Sie wüßten, warum ich hier bin, täten Sie es«, antwortete Bannermann. »Es war vor... vor zweieinhalb Monaten. Ich habe ziemlich schnell wieder ein Kommando bekommen, nach der Geschichte mit der Lady, wissen Sie? Nichts Besonderes, nur ein altersschwacher Schoner, der Bananen und Taranteln von Britisch Kolumbien nach Aberdeen brachte, aber es war ein Kommando. Wir waren dicht unter der Küste, keine zwei Stunden mehr vom Hafen entfernt, als wir in einen Sturm gerieten. Nicht besonders schlimm, aber heftig genug, um draußen zu bleiben. Ich wollte... abwarten, bis das Schlimmste vorbei war, und dann in aller Ruhe in den Hafen einlaufen.« Er stockte, trank wieder einen kleinen Schluck und fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen.

»Ich habe das Schiff verloren«, sagte er plötzlich. »Außer mir ist nur ein einziger Mann der Besatzung mit dem Leben davongekommen. Wir sind gesunken.«

»Der Sturm?« fragte ich leise.

Bannermann starrte mich an, trank nervös und schüttelte plötzlich den Kopf. »Nein... Sie... Sie sind der einzige, dem ich es erzählen kann. Der einzige, der mir glauben würde. Ich habe versucht, die Wahrheit zu sagen, aber sie halten mich für verrückt. Sie glauben, ich wäre ein Feigling und Versager. Sie denken, ich hätte alles erfunden, um mich zu rechtfertigen.« »Was sollen Sie erfunden haben?« fragte ich.

»Das Ungeheuer«, antwortete Bannermann. Fragend sah ich ihn an, aber es dauerte eine geraume Weile, bis er begriff, daß ich nicht lachen würde, und weitersprach: »Ich weiß nicht, was es war.« Sein Blick wich dem meinen aus, und seine Finger fuhren in einer unablässigen Folge kleiner, unbewußter nervöser Bewegungen über den Rand des Glases, das ich ihm gereicht hatte. Seltsamerweise trank er nicht mehr. Es schien ihm zu genügen, es in der Hand zu halten. »Zuerst dachten wir es wäre ein Wal. Sie verirren sich manchmal in diese Gewässer, wissen Sie?«

Ich nickte, obwohl ich das ganz und gar nicht wußte, aber Bannermanns Frage war ohnehin rein rhetorisch gewesen. »War es einer?« fragte ich. Bannermann lachte, hob nun doch das Glas an die Lippen, trank einen mächtigen Schluck und hustete. »Nein«, sagte er, nachdem sich sein Atem wieder beruhigt hatte. »Es... es kam näher, und da konnten wir sehen, wie groß es war. Viel größer als unser Schiff. Viel zu groß für einen Wal. Mein Gott. Craven, ich... ich habe niemals ein Lebewesen gesehen, das so verdammt groß war.«

»Wie groß?« fragte ich betont. »So groß wie...«

»Wie das Ding, das die Lady vernichtet hat?« führte er den Satz zu Ende.

Ich nickte, und Bannermann schüttelte den Kopf.

»Nein. Es war größer, viel größer. Achtzig Yards, schätze ich. Wenn nicht mehr. Und es bewegte sich unglaublich schnell. Es... es kam näher wie ein Torpedo.«

»Sind Sie sicher, daß es ein Lebewesen war?« fragte ich.

Bannermann lachte rauh. »Was soll es sonst gewesen sein?«

»Es hat das Schiff ein paarmal umkreist. Es war riesig, groß wie ein Berg, aber es hat sich so elegant bewegt wie ein Delphin. Ein paarmal ist es untergetaucht und wieder hochgekommen. Und dann... dann...« Er stockte, leerte sein Glas mit einem hastigen Zug und hielt es mir hin. Ich schüttelte den Kopf.

»Was dann?« fragte ich.

»Dann hat es das Schiff gerammt«, sagte Bannermann. Seine Stimme begann zu zittern, und als ich in seine weit aufgerissenen Augen blicke, begriff ich, daß er in diesem Moment alles noch einmal erlebte.

»Es... es ging alles so schnell«, sagte er. »Ich weiß nicht einmal, was wirklich passiert ist. Es gab einen Schlag, und dann brach das Schiff auseinander, einfach so, wie von einer Breitseite getroffen. Ich selbst stand vorne am Bug, als es passierte, zusammen mit McGillycaddy.«