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Plötzlich tauchte Morgan vor ihm auf. Der bullige Mann aus Alabama saß auf einem kräftigen Rappen und hielt die beiden Pferde seiner Begleiter am Zügel.

Als er die Situation erfaßt hatte, ließ er die Zügel der beiden reiterlosen Pferde los, um mit der Linken einen seiner Remington-Revolver aus dem Holster zu ziehen.

Aber er war zu langsam. Er hatte die Waffe gerade aus dem Leder, als Cody ihn auch schon erreichte und ihn einfach umritt. Durch den Stoß verlor Morgan das Gleichgewicht und stürzte mit einem lauten Klatschen in den vom tagelangen Regen aufgeweichten Boden.

»So long, Morgan«, rief ihm Cody lachend zu, wandte dann den Kopf wieder nach vorn und lenkte seinen Braunen auf den engen Durchlaß zwischen zwei baumbestandenen Hügeln zu.

*

Fluchend stieß Jasper seinen leergeschossenen Colt zurück ins Halfter und lief auf Jones zu, der enttäuscht seinen Karabiner sinken ließ.

»Ich habe ihn leider auch verfehlt, Jasper. Der Bursche reitet wie der Teufel, vielleicht sogar besser.«

»Dann nimm deinen Colt«, zischte der Texaner mit vor Wut verzerrten Zügen und zeigte in die Richtung auf den Dean-Harding-Revolver an Jones' rechter Hüfte.

Jones schüttelte den Kopf. »Das hat keinen Sinn. Der verfluchte Kojote ist schon zu weit weg.«

Wortlos riß Jasper den 44er aus dem Holster seines Gefährten, zielte sorgfältig und gab dann einen Schuß nach dem anderen ab, bis die Trommel leer war. Obwohl der Texaner mit Revolvern umzugehen verstand, blieb der flüchtende Reiter unbehelligt. Nur den Hut riß ihm eine Kugel vom Kopf. Jones hatte recht: Die Entfernung war schon zu groß für gezielte Schüsse mit dem Revolver.

»Los, zu den Pferden!« befahl Jasper und gab dem anderen seine Waffe zurück. »Wir müssen ihm hinterher!«

»Warum denn, Jasper?« fragte Jones, der nicht zu Gottes klügsten Geschöpfen zählte. »Der Kerl kann uns doch egal sein.«

»Das glaube ich nicht. Dann wäre er nicht vor uns ausgerissen. Schätze, Quantrill läßt eine Extraprämie springen, wenn wir den Milchbart einfangen.«

»Woher willst du das wissen?«

Jasper tippte an seinen Kopf. »Weil ich das hier nicht nur als Hutständer benutze.«

Sie liefen Morgan entgegen, der sich gerade vom Boden erhob und sich bemühte, sein Gesicht und seine Kleidung vom Schlamm zu befreien.

»Der verdammte Hurensohn hat mich einfach über den Haufen geritten!« schimpfte der Mann aus Alabama.

»Wenn wir ihn erwischen, reiten wir ihn über den Haufen«, knurrte Jasper und wollte auf seinen Apfelschimmel steigen.

»Das hat doch keinen Sinn, Jasper«, meinte Jones. »Der Bursche reitet ein verdammt schnelles Pferd und stellt sich dabei recht geschickt an. Wir haben keine Chance, ihn einzuholen. Keins unserer Tiere ist so schnell wie sein Brauner. Höchstens Matt Boulders Schimmel. Aber der ist völlig ausgepumpt.«

Der Texaner nickte. »Schätze, du hast recht, Jones.

Manchmal sagst du richtig kluge Sachen. Aber vielleicht können wir den Burschen auf eine andere Art kriegen.«

Mit grimmiger Entschlossenheit im Gesicht zog er den Spencer-Karabiner aus dem Scabbard am Sattel seines Apfelschimmels, ging hinter einem Felsen in die Knie und stützte den Schaft der Waffe auf den Stein. Schnell, aber ohne übereilte Hast, klappte er die Kimme auf und peilte den kleiner werdenden Reiter, der auf den Durchlaß zwischen den beiden großen Hügeln zuhielt, über Kimme und Korn an.

Die Entfernung war groß, aber ein Treffer lag im Bereich des Möglichen, gerade noch. Jasper zielte auf Codys Rücken, stieß gleichmäßig den angehaltenen Atem aus und zog den Abzug durch. Der Schuß hallte in seinen Ohren wider.

*

Cody hatte den Paß zwischen den beiden Hügeln fast erreicht, als ihn etwas hart im Rücken traf. So hart, daß es ihn aus dem Sattel warf. Erst als er auf dem weichen Boden landete, hörte er die Detonation des Schusses.

Der Braune lief noch ein ganzes Stück weiter, bis ihm bewußt wurde, daß sein Reiter fehlte. Er wurde langsamer, blieb schließlich stehen und wandte seinen Kopf zu dem am Boden liegenden Mann um.

Cody wollte aufstehen, aber sein Körper und seine Glieder waren plötzlich schwer wie Blei. Es kostete ihn schon große Mühe, einen Finger zu krümmen. Sich zu dem Pferd schleppen zu wollen, war unmöglich.

Wie hatte doch der Prediger in seiner Kinderzeit immer gesagt, wenn er auf die Farmen gefahren war, um säumige Kinder in die Sonntagsschule zu holen: »Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muß der Berg eben zum Propheten kommen.«

Das versuchte Cody jetzt, als er den Braunen rief. Auch die Stimmbänder des jungen Mannes schienen von der lähmenden Schwere befallen zu sein, die seinen ganzen Körper am Boden hielt. Nur leise und langsam konnte er den Braunen rufen.

Der spitzte die Ohren, schien schließlich zu verstehen und trottete langsam auf seinen Reiter zu.

Zu langsam!

Hinter sich hörte Cody Hufgetrappel.

Dann schwanden ihm die Sinne.

*

»Sie müssen pressen, Ma'am, viel stärker pressen!« rief, ja schrie Beth fast verzweifelt.

Virginia Cordwainer warf sich unter Schmerzen in ihrem Bett hin und her, über und über mit Schweiß bedeckt, wie es auch die beiden anderen Frauen waren.

»Es. geht einfach, nicht.«, keuchte die Schwangere mit letzter Kraft und schmerzverzerrtem Gesicht. Ihre Züge entspannten sich ein wenig, und sie sah Irene an. »Es stimmt etwas nicht mit dem Kind, nicht wahr?«

Die junge Deutsche seufzte tief. Immer und immer wieder hatten sie es versucht, aber trotz aller Anstrengungen wollte es nicht gelingen, Virginias Kind auf die Welt zu holen. Als hätte es im letzten Moment erkannt, welch grausamer Krieg hier draußen tobte, und deshalb beschlossen, im warmen, sicheren Leib der Mutter zu bleiben.

Aber seine Mutter litt unsagbar unter den Schmerzen. Virginia strengte sich derart an, daß Irene befürchtete, sie könnte diesen Tag nicht überstehen.

»Antworten Sie doch, Irene!« bettelte die Frau im Bett, Tränen in den Augen.

»Wir befürchten, daß Ihr Kind quer liegt«, sagte Irene leise.

»O Gott«, stieß Virginia hervor, bevor sie wieder von den Schmerzen überwältigt wurde und laut zu stöhnen begann.

Irene blickte fast flehend zum Fenster hinaus und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, Dr. Hatfield möge es irgendwie schaffen, Quantrill zu entkommen und sich in die Stadt durchzuschlagen.

*

Als das Knacken der Zweige von irgendwo da draußen im dichten Unterholz an seine Ohren klang, zuckte Edwin Hatfield zusammen, sah erschreckt auf und benötigte ein paar Sekunden, um sich zurechtzufinden.

Gegen seinen Willen war er eingeschlafen, obwohl ihm Hickok eingeschärft hatte, auf der Hut zu sein. Aber der fehlende Schlaf und die hinter ihm liegenden Anstrengungen hatten den Arzt einfach überwältigt. Die täuschende Friedfertigkeit des ihn umgebenden Waldes hatte seine Sinne eingelullt und ihn schließlich in den Schlaf gewiegt.

Er saß auf einem großen Stein, mit dem Rücken an den mächtigen Stamm einer alten Eiche gelehnt. Jetzt erhob er sich hastig und zog den Revolver aus dem Waffengurt. Beides hatte einem von Quantrills Guerillas gehört. Doc Hatfield war nie ein Mann der Waffe gewesen, konnte aber zur Not recht leidlich mit Revolver und Gewehr umgehen. Als er mit Hickok die Miller-Farm verließ, hatte er die Waffen eines der dort liegenden verwundeten Partisanen an sich genommen.

Es war bereits Nachmittag, und sie hatten Blue Springs fast erreicht. Je näher sie der Stadt kamen, desto größer wurde die Gefahr, Quantrills Schwarzer Brigade in die Arme zu laufen. Hickok war allein vorausgeritten, um das Terrain zu sondieren. Hatfield sollte im Schutz dieses dichten Waldes auf ihn warten.