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Cynthia war zusammengebrochen; ihre Augen waren geschlossen, und sie hielt weiter die kleine Pistole umklammert. Aus einer Einschußwunde an ihrer linken Brustseite quoll Blut.

An der Tür zum Vorzimmer richtete Ruby Bowe sich aus der halb gebückten Haltung auf, in der sie mit ihrer 9mm-Pistole gezielt hatte.

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Die sensationelle Meldung von Cynthia Ernsts gewaltsamem Tod brandete wie eine Flutwelle durch Miami.

Und die Nachrichtenmedien überschlugen sich.

Das taten auch die beiden verbliebenen City Commissioners, die in hellem Zorn gegen die vermeintlich fahrlässige Erschießung ihrer Kollegin protestierten.

Noch bevor die Leiche abtransportiert werden konnte, nachdem ein Notarzt Cynthia Ernsts Tod festgestellt hatte, waren zwei Fernsehteams da, filmten im Rathaus und stellten Fragen, die niemand vernünftig beantworten konnte. Abgehörte Funkgespräche der Polizei hatten sie ebenso alarmiert wie andere Reporter und Fotografen, die rasch zu ihnen stießen.

Mit hastig angeforderter Verstärkung bemühten Sergeant Braynen und sein Partner sich, Ruhe und Ordnung zu bewahren.

Für Malcolm Ainslie und Ruby Bowe glichen die Ereignisse nach der Konfrontation einer Filmmontage mit verwirrend rasch wechselnden Szenen. Nach hastigen Telefongesprächen mit Assistant Chief Serrano wurden sie angewiesen, vorerst im Rathaus zu bleiben und mit niemandem zu sprechen, bis ein Ermittlerteam der Abteilung Innere Angelegenheiten eintraf -das übliche Verfahren in Fällen von dienstlichem Schußwaffengebrauch mit Verletzungen oder Todesfolge. Das aus einer Sergeantin und einem Kriminalbeamten bestehende Team traf wenig später ein und befragte Ainslie und Bowe eingehend, aber keineswegs feindselig.

Das Police Department, das selbst noch Informationen sammelte, lehnte es zunächst ab, sich zur Erschießung von City Commissioner Ernst zu äußern, versprach aber lückenlose Aufklärung bei einer Pressekonferenz um achtzehn Uhr, an der auch der Polizeipräsident teilnehmen würde.

Unterdessen teilte der Chief of Police dem Oberbürgermeister und den City Commissioners mit, er werde sie eine Stunde vor dieser Pressekonferenz anrufen und persönlich über die neuesten Erkenntnisse informieren. Eine Besprechung in seinem Büro wäre zweckmäßiger gewesen, aber das »Sonnenscheingesetz« Floridas bestimmte, daß die Commissioners nirgends zusammenkommen durften, ohne daß Medien und Öffentlichkeit informiert und zugelassen wurden.

Nach ihrer Befragung mußten Ainslie und Bowe in Assistant Chief Serranos Büro hinter verschlossener Tür Serrano und den Majors Yanes und Figueras ausführlich Bericht erstatten. Die beiden beantworteten alle Fragen wahrheitsgemäß; andererseits wurden keine allzu bohrenden Fragen gestellt - beispielsweise nicht danach, weshalb Malcolm und Ruby sich im Rathaus für kurze Zeit getrennt hatten. Ainslies Instinkt sagte ihm, daß die Reihen sich schlossen, weil das Police Department alles unternahm, um seine eigenen Leute zu schützen. Und er fragte sich, ob ihre Vorgesetzten daran dachten, was Major Yanes bei der letzten Besprechung über Cynthia gesagt hatte: Sie könnte sich anständigerweise eine Kugel in den Kopf jagen. Das würde allen eine Menge Scherereien ersparen. Empfanden sie kollektive Schuldgefühle, weil niemand gegen diese Äußerung protestiert hatte? Und spürten sie vielleicht, daß bohrende Fragen Dinge ans Tageslicht fördern könnten, die sie nicht hören wollten?

Diese Fragen, das wußte Ainslie, würden niemals beantwortet werden.

Zuletzt wurde die amtliche Version der Ereignisse von Serrano handschriftlich zu Papier gebracht, um abgetippt und als erste Pressemitteilung verbreitet zu werden:

Aufgrund dreier Anklagebeschlüsse einer Anklagekammer sollten zwei Kriminalbeamte - Sergeant Malcolm Ainslie und Detective Ruby Bowe - City Commissioner Cynthia Ernst verhaften. Als die Verhaftete scheinbar entwaffnet war, da sie die nachweislich in ihrem Besitz befindliche Pistole abgegeben hatte, und bevor ihr Handschellen angelegt werden konnten, zog sie überraschend eine versteckt getragene kleine Pistole. Aber bevor die Verhaftete auf Sergeant Ainslie schießen konnte, wurde sie von Detective Bowe mit ihrer Polizeidienstwaffe erschossen.

Diese Tatsachen bestätigten wenig später die beiden uniformierten Beamten, Sergeant Braynen und sein Partner, die sofort nach dem Schuß von Ainslie über Funk verständigt worden und nach kaum einer halben Minute am Ort des Geschehens gewesen waren.

Malcolm und Ruby redeten erst später in einem ruhigen Augenblick darüber, was wirklich passiert war.

»Nachdem ich ein paar Minuten gewartet hatte, bin ich nervös geworden«, berichtete Ruby. »Aber das war wohl gut so, nicht wahr?«

Ainslie legte beide Hände auf Rubys Schultern und sah ihr in die Augen. »Sie haben mir das Leben gerettet«, erklärte er ihr. »Falls ich jemals etwas für Sie tun kann, brauchen Sie's nur zu verlangen.«

»Sollte mir etwas einfallen«, sagte sie mit schwachem Lächeln, »melde ich mich bei Ihnen. Aber ich hab's auch aus eigenem Interesse getan. Ohne Sie wäre die Arbeit in der Mordkommission ganz anders. Sie haben uns allen viel beigebracht, waren uns immer ein leuchtendes Beispiel gewesen. Es macht Sie hoffentlich nicht verlegen, wenn ich das sage?«

Ainslie zuckte befangen die Schultern. »Ein bißchen, nehme ich an.« Dann fügte er mit Bedacht hinzu: »Die Zusammenarbeit mit Ihnen, Ruby, habe ich immer als ein Privileg empfunden.«

Dies war nicht der rechte Augenblick, fand er, ihr von seinem Entschluß zu erzählen, die Mordkommission und vielleicht auch das Police Department zu verlassen. Davon brauchten vorläufig nur Karen und er zu wissen.

Die Vorbereitungen für die Pressekonferenz wurden in fliegender Eile getroffen, während zugleich die Telefondrähte zwischen Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft heiß liefen. Man einigte sich darauf, alle Cynthia Ernst betreffenden Tatsachen bekanntzugeben: die drei Anklagebeschlüsse; Eleanor Ernsts Tagebücher; Cynthias sexueller Mißbrauch durch ihren Vater; ihre Schwangerschaft; Cynthias Mordkomplott gegen ihre Eltern; sogar die Tatsache, daß wichtiges Beweismaterial, das zur Aufklärung eines weiteren von Cynthia verheimlichten Doppelmords hätte führen können, eineinhalb Jahre unbeachtet in der Asservatenkammer der Polizei gelegen hatte. Und der letzte Punkt würde Cynthias Verheimlichung des Namens des Rollstuhlmörders sein.

Nach Beratungen mit dem Polizeipräsidenten und ihrem Pressesprecher Evelio Jimenez stellte Assistant Chief Serrano ganz richtig fest: »Das Ganze ist eine Riesensauerei, aus der niemand nach Rosen duftend rauskommen wird. Aber es könnte Probleme geben, wenn wir etwas zurückhalten, das irgendein cleverer Reporter dann doch erschnüffelt.«

Lediglich bestimmte Tatsachen, die für das Verfahren gegen Patrick Jensen und Virgilio wichtig sein konnten, würden vorerst nicht bekanntgegeben werden. Aber die Nachricht von Jensens Verhaftung und den ihm vorgeworfenen Straftaten war inzwischen durchgesickert.

Was Virgilio betraf, war sehr zweifelhaft, daß er jemals gefaßt und vor Gericht gestellt werden würde. Die Metro-Dade Police fahndete wegen seiner Beteiligung an dem Rollstuhlmord nach ihm, während das Miami Police Department ihn als mutmaßlichen Mörder des Ehepaars Ernst suchte. Aber Virgilio hatte sich in seine Heimat Kolumbien abgesetzt, die ihn wegen ihrer gespannten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten garantiert nicht ausliefern würde.

Die Pressekonferenz fand in der Eingangshalle des Präsidiums statt, an deren Haupteingang mehrere Polizeibeamte die Presseausweise kontrollierten. In der Nähe der Aufzüge im Erdgeschoß waren ein Podium und mehrere Mikrofone aufgebaut worden. Von dort aus würde Pressesprecher Evelio Jimenez - ein ehemaliger Journalist mit nüchtern-freimütiger Art - die Veranstaltung leiten.

Wenige Minuten vor der Pressekonferenz betraten Mitglieder der City Commission, die alle schon mit dem Polizeipräsidenten gesprochen hatten, die überfüllte Eingangshalle. Ihre Mienen verrieten Trauer und Entsetzen. Die Reporter umringten sie, aber sie beantworteten keine Fragen. Als jemand dem Oberbürgermeister ein Mikrofon unter die Nase hielt, knurrte er: »Weg damit! Hören Sie sich einfach an, was dort vorn berichtet wird.«