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Fernsehkameras liefen, ein Wald von Mikrofonen ragte auf, und Bleistifte und Laptops waren einsatzbereit, als der Pressesprecher ankündigte: »Chief Farrell Ketledge.«

Der Polizeipräsident trat vor. Er sprach ernst, hielt sich aber nicht mit langen Vorreden auf.

»Dies ist zweifellos der traurigste Tag meiner bisherigen Polizeilaufbahn. Ich habe Cynthia Ernst für eine loyale Kollegin und gute Freundin gehalten und werde sie trotz ihrer jetzt ans Tageslicht gekommenen Verbrechen teilweise so in Erinnerung behalten. Denn wie Sie bald im Detail hören werden, ist Miss Ernst eine Verbrecherin gewesen, die unter anderem an der schrecklichen Ermordung ihrer Eltern schuld gewesen ist... «

Ein kollektives Luftholen war im Raum zu vernehmen.

Mehrere Reporter sprangen auf, um zu ihren Übertragungswagen hinauszueilen, während andere ihre Mobiltelefone zum Einsatz brachten.

Der Polizeipräsident sprach weiter und erwähnte dabei den Doppelmord, den Cynthia in ihrer Dienstzeit als Kriminalbeamtin vertuscht hatte. »Heute vormittag ist der Beschluß einer Anklagekammer ergangen, sie wegen dreier Straftaten verhaften zu lassen. Bei der Verhaftung hat Miss Ernst plötzlich eine versteckte Waffe gezogen, mit der sie offenbar auf einen der Kriminalbeamten schießen wollte. Seine Kollegin hat dann einen sofort tödlichen einzelnen Schuß abgegeben.

Falls Sie das wünschen, können wir darauf später zurückkommen, aber jetzt möchte ich über die heutigen Ereignisse sprechen und mit den Anklagebeschlüssen gegen Cynthia Ernst beginnen. Daher bitte ich Mr. Curzon Knowles, den Leiter der für Mordsachen zuständigen Staatsanwaltschaft, diese Anklage und die Gründe dafür zu erläutern.«

Knowles, der diesmal einen formellen blauen Nadelstreifenanzug trug, trat aufs Podium, sprach autoritativ zehn Minuten lang und trug die meisten Tatsachen vor, die den Beschlüssen der Anklagekammer zugrunde lagen. Die Journalisten hörten gespannt zu, als er von Eleanor Ernsts Tagebüchern und dem Mißbrauch Cynthias durch ihren Vater sprach. »Soviel ich weiß«, fuhr Knowles fort, »werden die wichtigsten Seiten dieser Tagebücher kopiert und stehen Ihnen dann zur Verfügung.« Knowles mußte anschließend einige Fragen beantworten, die jedoch nicht aggressiv gestellt wurden.

Nach dem Staatsanwalt ergriff Assistant Chief Serrano das Wort. Er stellte Leo Newbold vor, der sich auf kurze Ausführungen beschränkte, danach war Malcolm Ainslie an der Reihe, der den Doppelmord an Gustav und Eleanor Ernst und den Versuch schilderte, ihn als Tat eines Serienmörders hinzustellen. Wie sich rasch zeigte, kannte Ainslie den gesamten Tatkomplex sehr genau, und er antwortete eine halbe Stunde lang mit klarer, deutlicher Stimme auf Reporterfragen.

Er war jedoch schon etwas mitgenommen, als eine Fernsehreporterin sagte: »Wie wir gehört haben...«, sie machte eine Pause, um einen Blick in ihr Notizbuch zu werfen, »...wie Lieutenant Newbold gesagt hat, haben Sie als erster den Verdacht gehabt, der Mord an dem Ehepaar Ernst gehöre nicht zu diesen Serienmorden. Wie sind sie darauf gekommen?«

»Weil's in der Offenbarung keine Kaninchen gibt«, antwortete er spontan. Aber er bereute diese Worte, sobald er sie ausgesprochen hatte.

Nach einer verwirrten Pause fragte die Reporterin weiter: »Würden Sie uns das bitte erläutern?«

Ainslie sah hilfesuchend zu Assistant Chief Serrano hinüber, der mit den Schultern zuckte und den Journalisten erklärte: »Wir beschäftigen talentierte Leute, die manche Fälle mit unkonventionellen Methoden lösen.« Er nickte Ainslie zu. »Los, erklären Sie's ihnen.«

Ainslie begann widerstrebend: »Angefangen hat alles mit Symbolen, die ein Serienmörder an vier Tatorten zurückgelassen hatte und die später als religiöse Symbole aus der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament erkannt worden sind. Am Tatort im Mordfall Ernst ist ein Kaninchen zurückgelassen worden. Es hat nicht zu den anderen Symbolen gepaßt.«

Während Ainslie die früheren Symbole beschrieb, fiel ihm ein, daß diese Informationen damals zurückgehalten und später nicht mehr veröffentlicht worden waren, weil dafür keine Notwendigkeit bestanden hatte. Elroy Doil war zuletzt nur wegen der Ermordung des Ehepaars Tempone verurteilt und hingerichtet worden - wegen eines Doppelmords ohne Symbole.

Danach zu urteilen, wie eifrig viele Reporter mit gesenkten Köpfen mitschrieben oder tippten, waren diese Informationen neu und offenbar faszinierend.

Als Ainslie fertig war, fragte eine Männerstimme: »Wer hat rausgekriegt, was diese Symbole bedeuten?«

»Das beantworte ich«, warf Serrano ein. »Sergeant Ainslie hat die Verbindung hergestellt, die uns zu mehreren Verdächtigen, darunter auch Elroy Doil, geführt hat.«

Ein altgedienter Pressemann fragte: »Stimmt es, Sergeant Ainslie, daß Sie früher Geistlicher gewesen sind? Kennen Sie sich deshalb so gut in der Bibel aus?«

Ainslie hatte gehofft, dieses Thema würde nicht angesprochen werden. Obwohl er nie versucht hatte, seine Vergangenheit geheimzuhalten, war sie außerhalb der Polizei nur wenigen bekannt. Jetzt antwortete er: »Ja, das stimmt, und meine Bibelfestigkeit dürfte genutzt haben.«

Dann eine Frauenstimme: »Warum haben Sie als Priester beschlossen, ein Cop zu werden?«

»Ich habe meinen Priesterberuf aus freiem Entschluß aufgegeben. Das hatte persönliche, hier nicht relevante Gründe, die ich nicht erläutern werde.« Ainslie lächelte. »Ich möchte nur feststellen, daß mein Verhalten einwandfrei gewesen ist - das dürfte meine Aufnahme in den Polizeidienst beweisen.« Trotz der ernsten Stimmung, die über allem lag, löste er damit gutmütiges Gelächter aus.

Wenig später wurde die Pressekonferenz offiziell beendet, weil viele Reporter es eilig hatten; einige Journalisten und Kamerateams blieben jedoch, um englische und spanische Einzelinterviews zu führen. Als besonders begehrter Interviewpartner harrte Ainslie noch vierzig Minuten aus. Und danach wurde er auf dem Weg zu seinem Auto noch von Reportern mit Fragen bedrängt.

An diesem Abend und an den folgenden Tagen war Malcolm Ainslie ein Fernsehstar, weil seine Aussagen verbreitet und dann im Zusammenhang mit neuen Entwicklungen mehrmals wiederholt wurden. Die Berichterstattung der großen Fernsehgesellschaften über den Fall Cynthia Ernst stellte Ainslie als den Polizeisprecher hin. In ihrer Sendung »Nightline« berichtete die ABC ausführlich über die rätselhaften Tatsymbole und ihre religiöse Bedeutung - wieder mit Ainslie als Star.

Auch die Presse berichtete über den Fall Ernst und interessierte sich in diesem Zusammenhang für Ainslies früheren Priesterberuf. Ein findiger Reporter grub seine Dissertation aus, schrieb über seine Arbeit als Wissenschaftler, erwähnte das theologische Standardwerk Die Evolution des menschlichen Glaubens, das Ainslie mitverfaßt hatte, und wurde damit in ganz Amerika zitiert. Time und Newsweek erwähnten Ainslie in ihren Reportagen an prominenter Stelle, und das sonntägliche Zeitungsmagazin Parade brachte eine Titelgeschichte mit der reißerischen Schlagzeile GELEHRTER EXPRIESTER ALS HOCHGELOBTER STARDETEKTIV.

Bei der Telefonzentrale des Miami Police Departments gingen zahlreiche Anfragen von Film- und Fernsehproduzenten ein, die Assistant Chief Serranos Aussage widerlegten, aus dieser Sache werde niemand nach Rosen duftend herauskommen. Auf Ainslie traf sie offensichtlich nicht zu.

»Ich wollte, damit wäre endlich Schluß«, vertraute Ainslie Leo Newbold an.

»Wie man hört, wäre das den Leuten in der Führungsspitze auch sehr recht«, bestätigte Newbold.