Выбрать главу

»Seit ich vor sechs Jahren Kuratoriumsvorsitzender geworden bin«, erklärte er Ainslie, »habe ich mir gewünscht, die SFU könnte eine Vorlesungsreihe über vergleichende Religionswissenschaft anbieten. Wir haben natürlich eine Fakultät für Theologie und Philosophie, aber dort kommt die vergleichende Religionswissenschaft meiner Überzeugung nach entschieden zu kurz.«

Allardyce machte eine Pause, während ein Ober als Hauptgericht Filet Mignon mit Sauce Bernaise servierte. »Ich hoffe übrigens, daß Ihnen der Wein schmeckt. Es ist ein Opus One, eine Kreation zweier mit Recht weltberühmter Winzer -Robert Mondavi im Napa Valley und der verstorbene Philippe de Rothschild in Bordeaux. Kosten Sie doch mal!«

»Süperb«, urteilte Ainslie wahrheitsgemäß. Er hatte von diesem berühmten Wein gehört, hätte ihn sich aber als Detective-Sergeant nie leisten können.

»Lassen Sie mich zur Sache kommen«, sagte Allardyce, »damit Sie wissen, weshalb ich Sie um dieses Gespräch gebeten habe. Heutzutage entscheiden die meisten Universitätsstudenten sich für die gängigen Fächer: Betriebswirtschaftslehre, Medizin, Jura oder Ingenieurwissenschaften. Aber ich möchte unseren jungen Menschen zeigen, wie wertvoll das Studium der vergleichenden Religionswissenschaft sein kann.

Die einzelnen Religionen sagen so viel - viel mehr als die konventionelle Geschichtswissenschaft - über die Zeiten aus, in denen Menschen leben, und über ihre Geistesverfassung in allen Epochen und Gesellschaften. Sie erzählen uns von ihren Hoffnungen und Freuden; sie geben Einblick in ihre bewußten und unbewußten Ängste, wobei die Angst vor dem Tod fast immer ganz oben rangiert, und beantworten die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod oder nur ein großes Nichts gibt -zweifellos die größte aller Ängste. Trinken Sie noch etwas Wein, Dr. Ainslie.«

»Nein, danke, im Augenblick nicht. Aber bevor Sie weitersprechen, möchte ich etwas sagen.«

»Ich will hier keineswegs Monologe halten. Bitte sehr!«

»Sie sollten wissen, Dr. Allardyce, daß die Weltreligionen mich zwar schon immer fasziniert haben, aber daß ich an keine von ihnen glaube. Schon lange nicht mehr.«

»Das weiß ich bereits«, antwortete Allardyce, »und es spielt keine Rolle. Vielleicht macht Sie das sogar objektiver. Möchten Sie wirklich nicht noch etwas Wein?«

»Danke, wirklich nicht.«

»Ich habe Sie hergebeten, weil ich erst vor kurzem genug Geld aufgetrieben habe, um auf dem Campus ein neues Zentrum für Theologie und Philosophie errichten zu können. Ein Großteil stammt von einem persönlichen Freund, der mehrere Millionen Dollar spenden will. Aber seit er von Ihnen und Ihrer einzigartigen Qualifikation gelesen hat, knüpft er Bedingungen an seine Spende. Er will zusätzlich eine Professur für vergleichende Religionswissenschaft finanzieren, für die ein angesehener Gelehrter gewonnen werden soll. Der springende Punkt dabei ist, Dr. Ainslie, daß mein Freund Sie will.«

Ainslie machte große Augen. »Ist das Ihr Ernst?«

»Durchaus.«

»Darf ich fragen, wer Ihr Freund ist?«

Allardyce schüttelte den Kopf. »Sorry! Reiche Spender ziehen es oft vor, anonym zu bleiben; dafür gibt es heutzutage gute Gründe. Jedenfalls würde die Universität Ihnen fürs erste einen Dreijahresvertrag anbieten, der mit hunderttausend Dollar im Jahr dotiert wäre. Entschuldigen Sie, daß ich von Geld spreche, aber das ist natürlich nicht zu vermeiden.«

Danach entstand eine Pause, bevor Ainslie antwortete: »Oh, das entschuldige ich gern, Doktor. Und vielleicht trinke ich doch noch ein Glas Wein.«

»Vor Ihrer Berufung sind ein paar Formalitäten zu erledigen«, sagte Allardyce wenige Augenblicke später. »Aber diese Hürden überwinden Sie leicht.«

Karen war von der angebotenen Position begeistert. »Oh, Liebling - das mußt du schaffen! Das wäre ideal für dich! Du bist eine Autorität auf diesem Gebiet und ein ausgezeichneter Lehrer dazu. Ich hab's dir bisher nicht erzählt, aber nach dieser Sache im Rathaus habe ich Ruby Bowe angerufen, um ihr zu danken, auch in Jasons Namen. Dabei hat sie mir erzählt, daß die jüngeren Kollegen anerkennen, was sie von dir gelernt haben, und wie sie dich alle achten.«

»Um den Posten zu bekommen, muß ich noch eine ganze Reihe Vorstellungsgespräche absolvieren«, sagte er warnend.

»Das schaffst du ohne Schwierigkeiten.«

Sein wichtigstes Vorstellungsgespräch führte Ainslie mit dem Kanzler der South Florida University. Dr. Gavin Lawrence war ein ruhiger, zurückhaltend wirkender Mann, der trotz kleiner Statur unverkennbare Autorität ausstrahlte. Der Kanzler, der eine aufgeschlagene Akte vor sich liegen hatte, hob den Kopf und stellte fest: »Akademisch gesehen erfüllen Sie jedenfalls alle Voraussetzungen für diesen Posten.«

»Es gibt etwas, das Sie unbedingt vorher wissen sollten.« Ainslie wiederholte seine schon vor Allardyce gemachte Aussage über seine Glaubenseinstellung.

»Das steht alles hier drin.« Der Kanzler legte eine Hand auf die Akte. »Hartley hat in seinem Bericht geschrieben, Ihre Ehrlichkeit sei sympathisch. Das finde ich auch - und ich stimme ihm zu, daß das kein Hindernis wäre.« Lawrence lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Tatsächlich habe ich gerüchteweise gehört, die Glaubensstärke mancher unserer Theologie- und Philosophieprofessoren habe mit zunehmendem Wissen abgenommen. So etwas kann vorkommen, finden Sie nicht auch?«

»Bei mir ist's so gewesen.«

»Nun, hier macht das keinen Unterschied, weil wir einfach nicht nach den religiösen Neigungen unserer Professoren fragen. Größten Wert legen wir jedoch auf fundiertes Wissen und engagierte Vorlesungen. Das ist hoffentlich klar.«

Ainslie nickte. »Völlig.«

Als nächstes sprach Lawrence ihn auf seinen auf drei Jahre befristeten Vertrag an. »Klappt alles gut, könnte danach ein Lehrstuhl zu besetzen sein - oder Sie erhalten einen Ruf an eine andere Universität. Es ist immer von Vorteil, wenn die Studenten einen mögen, und ich spüre, daß Sie beliebt sein werden. Im Grunde genommen hängt alles von unseren Studenten ab.

Noch ein letzter Punkt«, sagte der Kanzler. »Erzählen Sie mir ein bißchen darüber, wie Sie vergleichende Religionswissenschaft lehren würden.«

Ainslie war überrascht. »Darauf bin ich leider nicht vorbereitet... «

»Macht nichts, einfach aus dem Stegreif.«

Ainslie überlegte kurz. »Ich würde Tatsachen lehren - alle heute bekannten Tatsachen. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Religionswissenschaft große Fortschritte gemacht, die untersucht sein wollen. Und ich würde mich davor hüten, Urteile auszusprechen. Zu denen können die Studenten jederzeit selbst gelangen. Vor allem würde ich keine Proselyten machen; das und vergleichende Religionswissenschaft passen nicht zusammen.«

Lawrence nickte nachdenklich. »Und im größeren Zusammenhang des Bildungsauftrags unserer Universität - wie sehen Sie da Ihr Fachgebiet?«

»Oh, bestimmt als fünftausend Jahre weit zurückreichenden wichtigen Aspekt der Menschheitsgeschichte. In diesem Zeitraum haben Religionen unzählige Veränderungen bewirkt: Neuerungen und Zerstörungen, Krieg und Frieden, Gerechtigkeit und Tyrannei. Die meisten Religionen haben reichlich Heilige und Schurken hervorgebracht. Und die Mächtigen dieser Erde - Kaiser, Politiker, Heerführer, Söldner -haben sie benutzt, um die Macht zu erringen oder zu festigen.«

»Religionen weisen natürlich viele positive und negative Aspekte auf. Welche sind bedeutsamer? Läßt sich das objektiv beurteilen?«

»Ich könnte es nicht; vermutlich kann das niemand. Aber ich weiß, daß Religionen, unabhängig von der Bewertung ihrer historischen Rolle, der Aspekt menschlichen Verhaltens sind, der unser Leben über Jahrtausende hinweg am nachhaltigsten beeinflußt hat.« Ainslie schmunzelte. »Allein das dürfte die Bedeutung der vergleichenden Religionswissenschaft für unsere Zeit, für heute studierende junge Menschen beweisen.«