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»Und was er entdeckt hatte, war die verloren geglaubte Goldmine von Kildare.«

Diesmal hatte Äbtissin Ita ihre Gesichtszüge nicht unter Kontrolle. Sie brauchte einige Augenblicke, um ihre Fassung zurückzugewinnen, dann brachte sie ein verbissenes Lächeln zustande.

»Ja. Ich nehme an, du hast das vom tánaiste des Uí Failgi erfahren, der, wie ich höre, hier eingetroffen ist und sich unserer Gastfreundschaft erfreut. Dann weißt du auch, dass Sillán ein erfahrener Bergwerksmann war und Uí Failgi ihn hergeschickt hatte, um eine alte Goldmine ausfindig zu machen und auf ihre Ergiebigkeit hin zu überprüfen.«

»Das weiß ich, ja. Aber es war ein geheimer Auftrag. Nur Sillán, Uí Failgi und sein tánaiste wussten davon. Wie kommt es, dass auch du davon Kenntnis hattest?«

»Sillán hat mich von sich aus heute Nachmittag aufgesucht und es mir anvertraut.«

»Nicht schon früher?«

»Nein«, war die entschiedene Antwort.

»Dann erzähl, was er berichtet hat.«

»Es war in der Nachmittagsstunde, weit nach dem Angelusgeläut, als Sillán zu mir kam. Er eröffnete mir, weshalb er hier in Kildare war. Um ehrlich zu sein, ich hatte so etwas schon vermutet. Er war acht Tage zuvor mit allen Vollmachten des Uí Failgi hier eingetroffen. Aus welchen Beweggründen konnte sich ein Mann aus Kilmantan im Auftrag von Uí Failgi hier aufhalten? Ich wusste von den uralten Legenden über die verschwundene Goldmine in Kildare. Folglich argwöhnte ich etwas.«

Sie machte eine Pause.

»Und?«, drängte sie Fidelma.

»Er teilte mir mit, dass er sie gefunden hätte, die alte Goldmine, die man vor Jahrhunderten betrieben hatte, und dass er sich einige der Stollen näher angesehen hätte. Es gäbe sehr wohl noch Goldadern dort, die sich ohne weiteres schürfen ließen. Er würde morgen früh abreisen, um Uí Failgi von seinen Erkundungen zu berichten.«

»Aber weshalb hat er die Absprachen der Geheimhaltung mit Uí Failgi gebrochen und dir alles erzählt?«

»Sillán von Kilmantan hatte eine ehrfürchtige Haltung gegenüber unserer Gemeinschaft und wollte uns warnen. So einfach erklärt sich das. Unser Kloster liegt unmittelbar über dem Bergwerk. Ist das erst einmal bekannt, dürfte Uí Failgi nicht lange zaudern und dafür Sorge tragen, dass man uns hier vertreibt, uns vertreibt von dem gesegneten Fleckchen Erde, wo die heilige Brigid ihre Schüler um sich versammelt, und ihnen unter der großen Eiche gepredigt und hier ihre fromme Gemeinschaft begründet hat. Selbst wenn man von uns verlangt, nur ein Stückchen weiter zu ziehen, würde es bedeuten, den heiligen Boden aufzugeben, wo Brigid und ihre Nachkommen bestattet sind, wo ihre sterblichen Überreste sich mit der Erde mischen und sie so zu einem Heiligtum machen.«

Schwester Fidelma schaute ernst in das besorgte Gesicht der Äbtissin und überhörte auch nicht die nur mühsam unterdrückte Bewegung in ihrer Stimme.

»Du glaubst, sein einziger Beweggrund, dir das zu erzählen, war, die Gemeinschaft zu warnen?«

»Sillán war ein frommer Mann und fühlte sich von seinem Gewissen getrieben, mir nicht vorzuenthalten, was er entdeckt hatte. Er wollte unserer Gemeinschaft Zeit geben, uns auf das Unvermeidliche vorzubereiten.«

»Aber deshalb kann er doch nicht so aufgebracht gewesen sein.«

Die Äbtissin kniff den Mund zusammen. Als sie schließlich sprach, tat sie das mit fester und beherrschter Stimme.

»Ich versuchte, mit ihm vernünftig zu reden. Ich bat ihn, für sich zu behalten, dass er die Mine gefunden hatte. Ich beschwor ihn im Namen unseres gemeinsamen Glaubens, erinnerte ihn an die heilige Brigid, an das Wohl und Wehe unserer Gemeinschaft. Er ging nicht darauf ein, lehnte mein Ansinnen höflich, aber entschieden ab und sagte, er fühle sich auf Ehre und Gewissen verpflichtet, Uí Failgi von seiner Entdeckung Mitteilung zu machen.

Ich führte ihm vor Augen, zu welch weitreichenden Komplikationen es kommen würde. Verbreitete sich die Nachricht von der Goldmine, bestünde ähnlich wie in Cuillin die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen.«

Fidelma begleitete eine solche Vorstellung mit bedächtigem Kopfnicken, hatte doch auch sie ähnliche Befürchtungen.

»Ich bin der Vorgänge in Cuillin sehr wohl eingedenk, Ehrwürdige Mutter.«

»Du bist dir sicher auch bewusst, dass Kildare im Land der Uí Failgi liegt, in unmittelbarer Nähe der Stammesgebiete der Uí Faeláin im Nordosten und der Uí Máil im Südosten. Lediglich die trostlose Ebene des Hochmoors von Aillín befindet sich zwischen uns und ihnen. Das Wort ›Gold‹ wird in den Stammesfürsten einen wahren Rausch entfachen, denn ein jeder von ihnen ist auf Macht versessen. Den uns ans Herz gewachsenen, grünen Flecken hier, friedlich und unbeschadet wie er ist, wird man mit dem Blut von Kriegern und dem der Menschen tränken, die hier einst in Harmonie mit der Natur lebten. Der Gemeinschaft von Kildare wird es nicht anders als der Spreu vom Weizen ergehen – sie würde in alle Winde verweht werden.«

»Und doch bleibt die Frage offen: Was hat Sillán so verärgert?«

Äbtissin Ita gab sich als Schmerzensreiche.

»Als ich ihm das alles auseinandergelegt hatte und er immer noch dabei blieb, es wäre seine Pflicht, Uí Failgi von seinem Fund zu berichten, wies ich ihn darauf hin, dass er die volle Verantwortung für sämtliche Folgen trüge. Gottes Fluch sei ihm sicher, weil er den Frieden des Landes gestört hätte. Verdammt würde er sein, sowohl in dieser als auch in der nächsten Welt. Der Name Sillán würde fortan für die Zerstörung des heiligen Schreins der Brigid von Kildare stehen.«

»Und was geschah dann?«

»Sein Gesicht wurde rot vor Zorn, er verließ empört den Raum und beteuerte, noch im Morgengrauen abzureisen.«

»Wann hast du ihn dann wiedergesehen?«

»Erst zur Vesper.«

Schwester Fidelma schaute sie ernst an. Nur schwer hielten die bernsteinfarbenen Augen ihrem prüfenden Blick stand.

»Du glaubst doch nicht etwa …«, flüsterte die Äbtissin, blass geworden, denn sie las in dem jüngeren Gesicht vor ihr den Verdacht.

Schwester Fidelma blickte sie weiter unverwandt an.

»Ich bin als dálaigh hier, Äbtissin Ita, nicht als Mitglied deiner Gemeinschaft. Mir geht es um die Wahrheit, nicht um Wohlverhalten. In der Abtei liegt ein Toter. Vergiftet. Aus den Umständen ist zu schließen, dass er sich nicht selbst vergiftet hat. Daraus ergibt sich die Frage, wer hat das getan und weshalb? Wollte man Sillán davon abhalten, Uí Failgi von der verloren geglaubten Goldmine zu berichten? Das wäre eine logische Schlussfolgerung. Wer aber würde etwas davon haben, wenn man die Wiederentdeckung des Stollens geheim hielt? Einzig und allein die Gemeinschaft dieses Klosters, Ehrwürdige Mutter.«

»Und die Menschen im Umland!«, ereiferte sich Äbtissin Ita heftig. »Vergiss das nicht, wenn du die Rechnung aufmachst, Schwester Fidelma. Denk auch an all das Blut, das in den kommenden Jahren nicht vergossen wird.«

»Recht kann nicht mit Unrecht erzwungen werden, so sagt es das Gesetz. Und ich muss mich an das Gesetz halten. Du weißt sehr wohl, dass ich als dálaigh am Gericht der Brehons dem Gesetz verpflichtet bin und dass das nichts mit meinen Pflichten als Mitglied dieser Gemeinschaft zu tun hat. Warum hast du dennoch mich gebeten, diesem Fall nachzugehen? Du selbst hättest doch Nachforschungen anstellen können. Warum ausgerechnet ich?«

»In einem so gewichtigen Fall wie diesem würden die Darlegungen einer dálaigh am Gerichtshof der Brehons bei Uí Failgi mehr zählen.«

»Hast du darauf gesetzt, dass ich die Existenz der Goldmine verschweigen würde?«, fragte Fidelma mit Nachdruck.

Äbtissin Ita war erregt aufgestanden. Auch Fidelma erhob sich, so dass sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.

»Antworte mir geradeheraus, Ehrwürdige Mutter: Hast du Sillán vergiftet oder veranlasst, dass er vergiftet wird, um zu verhindern, dass er mit Uí Failgi spricht?«