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«Ich habe ihn selbst in der Hand gehabt.«

«Maria! Welch ein Gefühl ist das, Doctor?«Saltos Augen glänzten.»Kann man da nicht verrückt werden?«

«Nein!«Dr. Mohr schüttelte den Kopf.»Hätte ich vorher gewußt, wieviel Unglück dieser verfluchte Stein bringt, ich hätte ihn mit dem Hammer zertrümmert.«

«Es wären immer noch Millionen geblieben!«

«Ich hätte ihn in die Schlucht geworfen!«

«Dann lebten Sie jetzt nicht mehr, Doctor. Zapiga hätte Sie im gleichen Augenblick umgebracht! Und jeder von uns hätte ihn verstanden.«

«Sie hätten nicht anders gehandelt, Leutnant? Sie, ein Polizeioffizier?«

«Keinen Moment, Doctor. Ein solcher Stein rechtfertigt alles. Menschen gibt es genug. 200karätige Smaragde nur alle hundert Jahre, vielleicht.«

Kapitel 13

Es regnete. Regnete ohne Unterlaß. Es regnete neun Tage lang. Neun Tage gab es nur eine graue, untergehende Welt. Neun Tage eine Dämmerung, aus der das Wasser rauschte.

Die Straßen wurden unpassierbar, aus den Bergen schossen me-terhoch die zu Flüssen verwandelten Bäche, in der Stadt stand das Wasser kniehoch und konnte nicht mehr ablaufen, Autokolonnen kamen zurück und berichteten, daß Penasblancas abgeschnitten sei. Der Weg nach Bogota war versperrt, Brücken waren weggerissen, die breite Straße unterspült und eingesunken. Nur über Funk war noch eine Verbindung zur Außenwelt möglich. Die Telefonleitungen hingen zerfetzt an den umgerissenen Masten. Und aus den Bergen wälzte sich ein alles erstickender Brei aus Lehm, Steinen und Gehölzen, eine Lawine, die Stück für Stück das Land unter sich begrub.

An diesem neunten Tag kam Leutnant Salto nach oben in die erste Etage, wo Dr. Mohr und Margarita wohnten.

«Ein Funkspruch aus Muzo«, sagte er bedrückt.»Ich muß es Ihnen sagen, Doctor. Zwei Hubschrauber haben gestern unter lebensgefährlichen Bedingungen die Gebiete abgeflogen, die am meisten von der Katastrophe betroffen sind. Sie… sie waren auch bei Ihnen.«

Dr. Mohr starrte den jungen Leutnant an. Sein Herzschlag setzte aus. Er spürte, wie Margaritas Hand nach ihm tastete.

«Sprechen Sie es aus.«, sagte Dr. Mohr mühsam.

«Sie konnten nichts mehr sehen. Nur Wasser und Geröll. Der halbe Berg muß heruntergebrochen sein. sie. sie sind so tief geflogen, wie es möglich war. Sie haben nichts mehr erkennen können. kein Hospital, keine Kirche.«

«O mein Gott!«Dr. Mohr schloß die Augen. Margarita umarmte ihn, preßte sich an ihn und versuchte, ihn mit ihren Lippen, die über sein Gesicht tasteten, zu trösten. Jetzt sind wir allein, dachte sie. Du und ich! Ganz allein. Kein Vater mehr. Keine Mama. Keine Schwester. Der Berg hat uns alle vernichtet. Dieser verfluchte Berg, in dem Millionen liegen, wie Vater glaubte. Er war stärker. Er hat gesiegt.

«Nur noch Geröll?«

«Das ganze Gebiet!«Leutnant Salto schluckte krampfhaft.»So etwas hat man noch nicht gesehen! Da hat niemand überlebt. Da darf man nicht mehr an Wunder glauben.«

Am fünfzehnten Tag ließ der Regen endlich nach und ging in ein leises Rieseln über. Der Himmel war noch immer eine unendliche graue Masse, die um die Erde geschlungen war wie ein Sacktuch. Aber es war etwas heller geworden. Die Sonne, irgendwo in der nassen Weite schwimmend, kämpfte sich mit ihrem Licht durch.

Längst wußte die ganze Welt, was in den kolumbianischen Bergen passiert war. Fernsehreporter hatten von der Luft aus die Katastrophe gefilmt, die Regierung riefüber das Kordillerengebiet den Notstand aus, Militär wurde zusammengezogen, um die Geröllberge zu erobern und nach Überlebenden zu suchen. Befreundete Staaten schickten Medikamente, Zeltstädte, Ärzte, Nahrungsmittel; man lagerte sie zunächst in Bogota, wohl in der weisen Erkenntnis, daß es andere notleidende Gebiete in Kolumbien gab als ausgerechnet die Minengebiete mit dem unbekannten Heer der Rechtlosen und Vogelfreien. Auch die Kolonnen mit den Baggern und Raupenfahrzeugen wurden zunächst nur bis Muzo und Cosques gefahren, bildeten dort einen riesigen Fuhrpark und warteten ab.

Was sollte man mit Baggern gegen ein Gebirge ausrichten? Lohnte es sich überhaupt, die im normalen Zustand schon halsbrecherischen Straßen wieder freizuschaufeln? Für wen denn? Für die Gua-queros? Millionen Pesos für diese zerlumpten Burschen hinausschleudern? War es nicht ihr eigener Wunsch gewesen, in den verlassenen Minen zu wühlen? Hatte die Regierung nicht das Interesse an diesen Smaragdbergwerken verloren? Und: Bestahlen nicht die Guaqueros den Staat jährlich um Millionen Dollar, indem sie die heimlich gefundenen Edelsteine über Wiederaufkäufer außer Landes brachten?

Eine Kommission flog das Katastrophengebiet ab. Sie kam zu der Ansicht, daß man zwar ein Überschwemmungsgebiet — wie in Indien — wieder nutzbar machen konnte, daß es einfach war, ein Erdbebengebiet — wie in Marokko — zu sanieren, daß es aber völlig undurchführbar war, weite Berggegenden, die von abgerutschten Bergen zugeschüttet waren, auszugraben, nur zu dem einen Zweck, die Landschaft wieder wie früher herzustellen.

In einer langen Karawane mit Mulis oder zu Fuß, mit Karren oder mit Tragestangen kamen die Überlebenden aus den Felsschluchten. Elendsgestalten, vor Entkräftung schwankend. Kaum jemand war unverletzt. Die meisten hatten sich schwere Prellungen, offene Wunden, Quetschungen oder Brüche zugezogen. Sie strömten aus der zusammengebrochenen Hölle, belagerten Penasblancas, Muzo, Chi-vor und Cosques, errichteten Flüchtlingslager am Rande der kleinen Städte und brachten Terror mit.

Innerhalb von 36 Stunden stieg die Mordrate um das Dreifache. Aus Bogota rückten neue Militäreinheiten und ein Polizeibataillon mit Panzern an. Die Lager wurden mit Stacheldraht eingezäunt. Aus den Gefangenen der Berge wurden die Gefangenen der Städte. Fahrbare Küchen versorgten vor allem Frauen und Kinder. Die Männer wurden zum erstenmal in ihrem Leben registriert, fotografiert und zu Arbeitskolonnen unter Militärbewachung zusammengestellt. Ein sofort erlassenes Sondergesetz regelte diese Neuerung.

Jeden Tag standen Margarita und Dr. Mohr stundenlang an den Auffangstellen von Penasblancas, wo die Flüchtlinge aus den Bergen sich melden mußten. Unermüdlich gingen sie von Zelt zu Zelt und fragten:»Habt ihr etwas gehört von Adolfo Pebas? Hat einer Pater Cristobal gesehen? Wo sind hier Männer aus der >Burg<? Weiß einer, wo Dr. Simpson geblieben ist?«Viele kannten diese Namen — sie hatten bereits einen sagenhaften Klang bekommen —, aber niemand konnte sagen, was aus den Personen geworden war. Ein Schwerverletzter, der in einer Hängematte, von seinen beiden Söhnen getragen, herausgebracht worden war, sagte stockend:

«Sie sind der Medico, nicht wahr? Der einzige hier draußen, der uns liebte. Wie gut, daß wenigstens Sie noch da sind.«

«Und. und die anderen?«fragte Dr. Mohr mit Mühe.

«Kommen Sie zu uns zurück Doctor?«

«Ja. Bestimmt. Jetzt baue ich ein richtiges, großes Krankenhaus

für euch. - Wo sind Pater Cristobal, Dr. Simpson und die anderen?«

«Ihr Gebiet, Doctor, war am schlimmsten dran. «Der Alte hustete und verzerrte das Gesicht vor Schmerzen.»Alles war ja unterhöhlt. Mine an Mine… die Berge waren ja von innen her morsch, leer, Hohlräume… alles nur eine starre Haut. Das ist alles zusammengebrochen. da ist die Welt untergegangen, Doctor.«

Am nächsten Tag kam Major Gomez mit einem großen Hubschrauber nach Penasblancas. Man hatte ihm das Kommando über das ganze Gebiet übertragen, und er griff hart durch. Seit zwei Tagen liefen die Erschießungen aller Plünderer und Totschläger. Im Schnellverfahren wurden sie verurteilt und dann an Ort und Stelle hingerichtet.

«Anders geht es nicht!«sagte Gomez kalt.»Wir kehren zurück ins Mittelalter. Ich lasse die Toten zur Abschreckung einfach liegen! Das ist die einzige Sprache, die verstanden wird!«Er nickte zu dem Hubschrauber hinüber.»Wollen Sie mitfliegen, Doctor?«