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«Zu… zu mir.?«fragte Dr. Mohr leise.

«Ja. Wenn wir es können, landen wir bei Ihnen. Ich habe Fotos gesehen. Die Schlucht hinter Ihrem Hospital gibt es nicht mehr. Sie ist voller Geröll. Der Berg vor Ihnen, wo Pebas und die anderen wohnten und arbeiteten, ist zur Hälfte abgebrochen. Das Tal mit der >Burg< gibt es auch nicht mehr. Dort steht ein neuer Hügel wie eine Insel in einem See, denn die Ausgänge des Tals sind ebenfalls verschüttet worden. Da hat sich so etwas wie eine Talsperre gebildet.«

«Also keine Hoffnung mehr. «Dr. Mohr starrte in den grauen Himmel mit dem leisen, jetzt fast zärtlichen Regen.

«Wir sollten so stark sein, Doctor, und uns sagen: Als der Berg abbrach, war es ein schneller Tod.«

Zwei Stunden später kreisten sie über die Stelle, an der einmal das Hospital und die kleine Kirche gestanden hatten. Es gab nur noch Felstrümmer, nur noch rauschende Wasser, nur noch einen Berg, dessen ganze Flanke aufgerissen war und aus dessen Wunden jetzt mehrere Wasserfälle auf das Plateau stürzten, das keines mehr war.

So tief wie möglich ging der Hubschrauber hinunter und überflog das Chaos. Dr. Mohr starrte sprachlos auf die Verwüstung, auf diese Urweltlandschaft, die hier entstanden war.

«Wir können nicht landen«, sagte Major Gomez leise und legte die Hand auf Mohrs Arm.»Das Wasser reißt uns mit. Können Sie noch etwas erkennen?«

«Nichts. «Dr. Mohr schüttelte den Kopf.»Er hat es geahnt.«

«Wer?«

«Cris.«

«Der Pater?«

«Er nahm Abschied, als sei es für immer. Kann man so etwas ahnen?«

«Das nicht. es sei denn, man hat die Gabe, Dinge vorauszusehen. Es soll solche Menschen geben. War der Pater so einer?«

«Er hat nie darüber gesprochen. Aber jetzt glaube ich, er hat oft mehr gewußt, als er sagen konnte. «Dr. Mohr drückte sein Gesicht gegen die Glaskanzel.»Dort muß das Hospital gestanden haben«, sagte er heiser.»Dort die Kirche. Da war das Bettenhaus. voll belegt. 43 Kranke, alle gehunfähig. Man kann es nicht fassen.«

Sie kreisten noch einmal über das Gebiet, überflogen den neuen See, wo einmal die >Burg< gewesen war, und drehten dann ab nach Muzo. Unter ihnen zog ein Land vorbei, das kein Gesicht mehr hatte, aber aus den Sprüngen und Rissen sprudelte das Wasser. Eine zerstörte Welt weinte.

«Was werden Sie jetzt tun?«fragte Gomez, als sie die Berge verlassen hatten. Das flachere Land unter ihnen glich einem See mit vielen Inseln. Auf zwei noch gangbaren Straßen zogen immer neue Kolonnen aus den Bergen. Überlebende, die das Wunder ihrer Rettung selbst kaum begriffen.»Bleiben Sie in Bogota?«

«Ich bleibe in Penasblancas.«

Gomez starrte Dr. Mohr an, als habe dieser einen Rundumschlag ausgeteilt.

«Habe ich mich verhört?«fragte er gedehnt.

«Nein! Ich fahre morgen nach Bogota, um Nuria und die Kin-der abzuliefern und einige private Dinge zu erledigen. Dann kehre ich mit Margarita nach Penasblancas zurück. Sie wird dann Senora Mohr heißen.«

«Mohr? Wieso Mohr?«

«Ich bin kein Kolumbianer, Major. Morero war ein falscher Name.«

«Du lieber Gott! Tun Sie mir das nicht an und seien Sie ein Krimineller! Wer sind Sie? Sind Sie überhaupt Arzt?«

«Ich heiße Mohr. Dr. Peter Mohr. Chirurg aus Hamburg.«

«Ein Deutscher!«

«Ja!«

«Daher die Sturheit! Jetzt kann ich mir auch erklären, warum ich mich immer über Sie gewundert habe. Jeder andere hätte in Ihrer Situation hundertmal gesagt: Leckt mich doch am Arsch! — und wäre gegangen. Aber nein. Sie wurden noch dickköpfiger! Ein Deutscher! Und Sie wollen zurück zu diesen Verrückten?«

«Ja. Jetzt brauchen Sie mich noch mehr als vorher!«

«Haben die grünen Steine Sie auch verzaubert?«

«Nein, Major. «Dr. Mohr lehnte sich zurück.»Ich habe immer geglaubt, ich sei ein harter Bursche. Vielleicht war ich das auch, für europäische, für normale Begriffe. Wer legt denn bei uns diese Maßstäbe wie hier in den Kordilleren an! Und plötzlich entdecke ich, daß ich auch sentimental sein kann.«

«Sie? Das ist ein Witz, Doctor!«

«Ich muß hier bleiben, Major; wegen Pater Cristobal, wegen Simpson, wegen Pebas und Maria Dolores, wegen all der Kranken, die dort oben unter den Geröllhaufen liegen, wegen des halbblinden Pepe Garcia, der mit seiner Höhle in die Schlucht stürzte, wegen der Männer von der >Burg<. Sie erwarten von mir, daß ich nicht aufgebe, daß ich nicht flüchte vor der Natur, daß ich nicht so feige bin, den Fluch der grünen Steine zu glauben. Sie erwarten, daß ich weitermache und wieder aufbaue, was sie mit mir geschaffen haben. Das ist meine Sentimentalität, Major. Ich werde in Bogota von Minister zu Minister gehen, ich werde Klinken putzen, betteln, die Menschen überzeugen. Ich will ein neues großes Hospital bauen und den Vergessenen eine Heimat schaffen.«

«Mit Ihnen kann man nicht diskutieren«, sagte Major Gomez beleidigt und wandte sich ab. Der Hubschrauber ging tiefer, unter ihnen lag der Militärflugplatz von Muzo.

«Sie zerhämmern einem das Herz und betäuben die Vernunft, Doctor, lohnt sich das denn?«

«Es lohnt sich immer, wo ein Mensch gerettet werden kann. Ein Mensch, Major — und hier sind es Tausende.«

Juan Zapiga wartete in einem kleinen Hotel auf Nuria und die Kinder. Weinend fielen sich alle in die Arme, und dann saßen sie in einer der Kirchen von Bogota vor dem Altar und beteten für die Seelen ihrer drei Kinder, die sie den grünen Steinen geopfert hatten.

Seinen Riesenfund hatte Zapiga noch bei sich. Er mißtraute jedem, selbst den Banken mit ihren Stahltresoren. Mit der Maschinenpistole im Arm schlief er auf dem Millionenstein. Am Tag band er den Ledersack um seinen Leib und ließ ihn zwischen den Beinen schaukeln.

Ewald Fachtmann, Mohrs Freund, der eigentlich an allem schuld war, raufte sich die Haare und beschwor Mohr, sofort nach Hamburg zurückzufliegen.»Nimm Margarita mit und hau ab!«sagte er eindringlich.»Junge, laß dich bloß nicht auf diese Geschäfte ein, davon verstehst du nichts! Soll dieser Zapiga seinen Stein allein losschlagen. Du läßt die Finger davon! 200 Karat an einem Stück! Das ist ja Wahnsinn! Dafür machen sie hier eine Revolution! Und du willst ihn auf den Markt bringen! Das ist Irrsinn!«

«Ich will mit Camargo sprechen. Vereinbare mit ihm einen Termin.«

«Othello… das ist Selbstmord! Du stehst sowieso auf seiner Liste, nachdem bekannt geworden ist, daß Hospital und Kirche auch Smaragdsammelstelle werden sollten. Und jetzt rückst du an mit 200 Karat!«»Und einem harten Preis.«

«Wir fahren nachher in die Stadt und suchen dir einen schönen geschnitzten Sarg aus. Dann kaufen wir eine Grabstelle und melden dich zur Beerdigung an.«

«Wenn du zu feige bist, komme ich auch ohne dich an Don Alfonso heran.«

«Warum kann dieser Zapiga den Stein nicht allein losschlagen?«

«Eben aus den von dir erwähnten Gründen. Man würde ihn sofort umbringen.«

«Ist das dein Bier?«

«Meine ganze Brauerei! Ich erzähle es dir später. Dieser verdammte Stein hat drei Kindern das Leben gekostet, zwei waren mir anvertraut! Das muß Don Camargo mitbezahlen.«

«Du redest schon wie ein Guaquero!«rief Fachtmann entsetzt.»Du mußt sofort zur Heilung nach Deutschland zurück!«

«Wenn der Stein verkauft ist, kannst du mich in Penasblancas besuchen. Du brauchst dazu keine schußsichere Weste mehr, Penasblancas ist so sicher wie Eppendorf geworden.«

«Es war eine hirnrissige Idee, dich nach Kolumbien zu holen«, sagte Fachtmann erschöpft.»Aber wer konnte ahnen, daß aus dem flotten Othello von Heidelberg ein Missionar mit Märtyrerambitionen wird? — Also gut! Ich rufe Don Camargo an und wasche meine Hände in Unschuld.«

Am Nachmittag stand Dr. Mohr wieder nach etlichen Kontrollen in dem großen Zimmer und setzte sich, als aus dem versteckten Lautsprecher die Stimme Camargos klang. Sie war neutral, höflich. Es war ein Genuß, sein reines Spanisch zu hören. Ein vollendetes Kastilianisch.