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Der alte Robert Hunter zeigte sich nicht gerade erfreut, als er von Custis und der plötzlich aufgetauchten Virginia vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, aber er verweigerte seinem Sohn und dessen Auserwählter seinen Segen nicht.

Drei Tage vor der auf Starcrest geplanten Hochzeit griffen Byron Cordwainer und seine Jayhawkers die Plantage an.

Cordwainer hatte die Bürger von Blue Springs, aus denen er seine Freiwilligenkompanie rekrutierte, aufgestachelt, indem er die Hunters als Sklavenschinder und Verbrecher hinstellte und aus Virginias Flucht eine gewaltsame Entführung machte. Armstrong Lawrence spielte das falsche Spiel mit und versicherte, Custis wäre mit mehreren Männern in sein Haus eingedrungen und hätte Virginia unter Waffengewalt mitgenommen.

Vielleicht glaubten nicht alle, die mit Cordwainer ritten, diese Geschichte. Aber der Bürgerkrieg und der blutige Buschkrieg, der schon seit Jahren im Grenzgebiet zwischen Kansas und Missouri tobte, hatte die Emotionen aufgestachelt. Viele Männer waren nur zu gern bereit, unter einem fadenscheinigen Vorwand gegen die verhaßten Sklavenhalter vorzugehen.

»Sie haben Custis und seinen Vater erschossen und anschließend das Haus und alle anderen Gebäude niedergebrannt«, berichtete Virginia unter Tränen.

»Und doch haben Sie Byron Cordwainer geheiratet?« vergewisserte sich Irene ungläubig. »Den Mann, der für den Tod Ihres Geliebten verantwortlich ist?«

»Was sollte ich denn tun? Nach Custis' Tod hatte ich niemanden mehr, der zu mir hielt? Wo hätte ich hingehen sollten mit ... mit dem Kind?«

»Sie wußten schon, daß Sie schwanger waren?«

»Bei der Hochzeit mit Byron wußte ich es.«

»Wußte Byron es auch?«

»Ich habe es ihm am Morgen vor der Hochzeit gesagt.«

»Es hat ihm nichts ausgemacht?«

»Ich weiß es nicht. Er hat seine Gefühle nicht gezeigt. Er hat nur gesagt, er würde für das Kind sorgen. Ich solle nicht erwarten, daß er es lieben würde. Genauso wenig wie ich erwarten solle, daß er ... mich lieben würde.«

Virginia hatte sehr stockend gesprochen, und immer wieder gingen ihre Worte in ein Schluchzen über. Nach den letzten Worten wurde sie von einem regelrechten Weinkrampf geschüttelt. Die lange aufgestauten Gefühle brachen aus ihr heraus.

Irene nahm sie in die Arme wie eine Mutter ihr Kind, strich über ihr Haar und sprach ihr tröstende Worte zu.

Dabei dachte Irene an Byron Cordwainer. Bisher hatte sie eine Art Held in ihm gesehen, weil er die Verteidigung von Blue Springs mit solcher Gewissenhaftigkeit organisierte. Aber offensichtlich hatte sie sich in ihm getäuscht. Der Mann hatte auch seine dunklen Seiten, das stand fest. Genau genommen, war er ein Mörder wie dieser Quantrill.

War es das, was ein Krieg bewerkstelligte? Machte er aus allen Beteiligten Mörder?

Sie konnte diesen Gedanken nicht weiterführen, weil Virginias Weinen in ein lautes Stöhnen überging und ihr Körper unter heftigen Schmerzen zusammenzuckte. Erst nach zwei, drei Minuten ließ es nach.

»Es ist das Kind«, sagte Virginia mit leiser, geschwächter Stimme. »Es spürt, das es nicht geliebt wird.«

Irene schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist doppelt falsch. Es wird von seiner Mutter geliebt.«

»Soll ich es lieben und als Byrons Kind großziehen?«

»Auch wenn es Byron Cordwainers Namen trägt, Custis Hunter wird in ihm weiterleben.«

Virginia überlegte lange und meinte dann: »Sie haben recht, Irene. Ich werde das Kind immer lieben, weil es ein Teil von Custis ist. Von Custis und mir. Aber was meinten Sie damit, ich hätte doppelt unrecht?«

»Die Schmerzen, die Sie ausstehen müssen, kenne ich von mir selbst. Die Wehen setzen bei Ihnen ein.«

Die Frau im Bett erbleichte. »Aber das kann nicht sein! Es ist doch erst in zwei Monaten soweit.«

»Vielleicht hat Ihr Sturz letzte Nacht etwas damit zu tun. Ich könnte es mir vorstellen. Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, daß es Ihr Kind sehr eilig hat, auf diese Welt zu kommen.«

»Ausgerechnet jetzt!«

»Was meinen Sie damit?« erkundigte sich Irene.

»Doc Hatfield, der einzige Arzt in Blue Springs, ist gestern zur Miller-Farm hinausgeritten. Ich weiß nicht, ob er schon zurück ist.«

»Dann sollten wir uns danach erkundigen«, schlug Irene vor.

Virginia schickte einen Boten zu Doc Hatfields Haus, der mit der Nachricht zurückkam, daß der Arzt noch nicht wieder da war.

»Es wird doch eine Hebamme im Ort geben«, sagte Irene hoffnungsvoll.

»Nur die alte Emmy McBain.«

»Na also.«

»Die Witwe McBain ist letzten Monat gestorben.«

»Oh«, machte Irene nur und überlegte, was man noch für Virginia tun konnte.

Diese umklammerte plötzlich mit beiden Händen Irenes Rechte, so fest, daß es fast schmerzte. »Sie bleiben doch bei mir, nicht wahr? Sie werden mich nicht allein lassen. Ich habe doch sonst niemanden. Versprechen Sie mir bitte, Irene, daß Sie mich nicht allein lassen!«

»Ich werde bei Ihnen bleiben, bis Ihr Kind neben Ihnen im Bett liegt«, sagte Irene und sah der anderen Frau fest in die Augen. »Das verspreche ich Ihnen, Virginia!«

*

Edwin Hatfield dankte Gott. Wie er es immer tat, wenn der Herr es zuließ, daß der Arzt einen Menschen vor dem Tod bewahrte.

Es war eine schwierige Operation gewesen. Die Kugel hatte dicht neben Gus Petersons linkem Lungenflügel gesessen. Jetzt lag das blutige Stück Blei auf einem zerbeulten Blechteller, und der junge Clerk trug einen frischen Verband. Mitten in der Operation war Gus aus seiner Ohnmacht erwacht, aber Hatfield hatte ihn betäubt, indem er soviel Whiskey in ihn reinschüttete, wie er nur konnte. Jetzt schließ Gus wieder einen tiefen Schlaf, und das war im Moment auch das beste für ihn.

Danach kümmerte sich Doc Hatfield um Ben Miller. Der Farmer war von der Kugel zum Glück nur gestreift worden und lag jetzt in einem Bett mit seiner kranken Tochter Susan. Schlimmer als die Verletzung war für Ben Miller der Gedanke daran, daß sich seine Familie in Quantrills Händen befand. Seine Reiter galten als unberechenbar. Die Sorge um das, was seiner Familie noch zustoßen konnte, bewegte Miller.

Auch die verwundeten Rebellen versorgte Hatfield ohne Ansehen der Person, tatkräftig unterstützt von Agnes und Cora Miller.

Ben Millers Frau hatte in den knapp vierzig Jahren, die sie jetzt an der Grenze lebte, schon einiges gesehen, und ließ sich durch den Anblick der teilweise übel zugerichteten Freischärler nicht aus der Fassung bringen.

Ihre Tochter mußte mehrmals mit der in ihr aufsteigenden Übelkeit kämpfen, hielt sich aber ebenfalls tapfer. Nur einmal mußte sie vor die Tür laufen und sich übergeben, als Hatfield nicht umhin kam, den vom Wundbrand angefressenen Arm eines Mannes zu amputieren. Der Südstaatler protestierte heftig und gab erst Ruhe, nachdem er den Whiskey geschluckt hatte, der in Gus Peterson keinen Platz mehr gefunden hatte.

Als Hatfield mit seiner Arbeit fertig war, glich die Wohnstube der Millers einem Schlachthaus. Die beiden Frauen machten sich daran, Wasser vom Brunnen vor dem Haus zu holen, um das Blut wegzuwaschen, bevor es antrocknete.

Hatfield trat vor die Tür und sog die frische Morgenluft tief in seine Lungen. Jetzt erst bemerkte er, daß es nicht mehr regnete, zum erstenmal seit vielen Tagen. Die frische Luft tat ihm gut, vertrieb die Müdigkeit aus seinen alten Knochen. Es ging ihm nicht gut. Schon als er von den Millers wegfuhr, hatte er gespürt, daß er sich bei der kleinen Susan angesteckt hatte. Ausgerechnet er, der immer so stolz darauf war, daß ihm keine Krankheit etwas anhaben konnte. Der >eiserne Doc< nannten sie ihn deshalb auch in Blue Springs. Aber er wurde alt, und das Eisen rostete.

Während im Haus noch die Lampen brannten, herrschte draußen das Dämmerlicht des beginnenden Tages. Und im Lager der Freischärler herrschte rege Betriebsamkeit. Die Männer bereiteten sich auf den Abmarsch vor, um wie ein Schwarm hungriger Heuschrecken über Blue Springs herzufallen.