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»Wenn ihr so mißtrauisch seid, bleibt ihr beide auf der Farm und gebt auf den Doc und die Farmerfamilie acht«, entschied Quantrill. »Ihr müßtet die optimalen Wachhunde sein.«

Auf den Gesichtern der beiden Streitsüchtigen zeichnete sich große Enttäuschung ab.

»Das können doch die Verwundeten übernehmen«, protestierte der Mann mit der roten Schärpe. »Wir hatten uns schon so auf den Raid gefreut!«

»Ihr bleibt als zusätzliche Aufpasser hier«, beharrte Quantrill. »Das ist ein Befehl!«

Die beiden Männer, die es auf Hatfield abgesehen hatten, blickten enttäuscht und wütend drein. Aber der Arzt glaubte, für einen kurzen Moment in den Augen des Jüngeren Befriedigung aufblitzen zu sehen.

Er kam nicht dazu, sich weiter darüber Gedanken zu machen, weil ihn Quantrill fragte, wie es Gus Peterson ging.

»Den Umständen entsprechend, wie es bei uns Ärzten heißt. Er wird aller Voraussicht nach durchkommen, aber es wird sehr lange dauern, bis er wieder auf dem Damm ist.«

»Er soll rauskommen!« verlangte Quantrill.

»Was?« fragte Hatfield ungläubig. »Gus ist noch nicht mal in der Lage, seinen Arm zu heben. Er kann unmöglich herauskommen!«

Quantrill wandte sich zu Jesse James und Cole Younger, die links von ihm standen. »Dann holt ihn!«

Die beiden jungen Guerillas betraten das Farmhaus.

Hatfield starrte ihnen skeptisch nach. Er konnte sich nicht vorstellen, was Quantrill von Gus Peterson wollte. Und er sorgte sich um den jungen Clerk, der größter Ruhe bedurfte, um sich von der schweren Verwundung zu erholen.

Der Arzt verschaffte seinem Unmut gegenüber dem Guerillaführer Luft, wurde aber mitten im Satz durch die unerwartete Detonation eines Schusses unterbrochen. Der laute Knall ließ ihn zusammenzucken. Ängstlich starrte Hatfield auf die Türöffnung, das Schlimmste befürchtend.

Jesse James und Cole Younger bestätigten seine Befürchtungen, als sie zurückkehrten, einen reglosen Gus Peterson mit sich schleppend. Sie ließen ihn einfach vor Quantrill in den Schlamm fallen. Mitten in Petersons Stirn klaffte ein blutiges Loch.

»Wir haben ihn gleich erledigt«, sagte Jesse James. »Sein Gestöhne ging uns auf die Nerven. Er hätte den Ritt eh nicht überstanden.«

»Wohl nicht«, sagte Quantrill und starrte auf den Toten. »Legt ihn auf sein Pferd!«

Ungläubig und bestürzt verfolgte Hatfield wie die jungen Freischärler ihr Opfer wieder aufnahmen und es zur Pferdeherde schleppten.

Der Arzt konnte noch gar nicht richtig fassen, was da eben geschehen war. Er dachte an den jungen Clerk und Mary Calder, seine Braut, die in Blue Springs auf ihn wartete. Er dachte an die schwierige Operation, die er, davon war Hatfield überzeugt, nur mit Gottes Hilfe erfolgreich durchgeführt hatte.

Und jetzt hatten die Guerillas das junge Leben, das er in mühevoller Arbeit gerettet hatten, mit der Bewegung eines einzigen Fingers ausgelöscht!

Er sah Quantrill und seine Unterführer an und flüsterte fast tonlos: »Mörder. Ihr seid nichts weiter als gewissenlose, gemeine Mörder!«

»Jeder hat seine Meinung«, erwiderte der zierliche Guerillaführer mit einem Achselzucken. »Für Sie mögen wir Mörder sein, Doc. Aber für den Süden sind wir Soldaten, die einen harten Krieg führen.«

»Ein Krieg, in dem Wehrlose erschossen werden?«

»Es werden noch mehr sterben«, sagte Quantrill und wandte sich an seine Männer. »Brechen wir auf. Blue Springs erwartet uns schon!«

Wenige Minuten später saß seine Streitmacht im Sattel. Quantrill, hinter dem ein Mann mit einer großen, schwarzen Flagge ritt, führte seine fast zweihundert Reiter starke Truppe in Richtung Blue Springs.

Als Hatfield, der noch immer vor dem Haus stand, den Männern nachblickte, wünschte er sich zum erstenmal, nicht das Skalpell, sondern der Revolver möge sein Handwerkszeug sein. Ja, er wünschte all diesen Männern den Tod!

Sein Blick kreuzte sich mit dem der beiden Streithähne, die jetzt seine Bewacher waren und ganz in der Nähe standen. In ihren Augen lag ein seltsamer Schimmer.

*

»Ist das hier eine Versammlung?« fragte unwirsch Byron Cordwainer, der, von den Frauen unbemerkt, das Schlafzimmer seiner Frau betreten hatte.

Virginia und Beth, das schwarze Hausmädchen, das Irene helfen sollte, der werdenden Mutter bei der Geburt beizustehen, erstarrten in ihren Bewegungen und sahen den großen, hageren Mann ängstlich an.

Dessen stechende Augen bohrten sich geradezu in seine Frau. »Warum liegst du noch im Bett, an einem Tag wie diesem?«

»Gerade an einem Tag wie diesem!« fuhr Irene ihn an und stemmte ihren Hände in die Hüften. »Ihre Frau wird noch eine ganze Weile im Bett bleiben!«

Cordwainer, der seine blaue Offiziersuniform trug, warf ihr einen unmißverständlichen Blick zu, der ausdrückte, was er von der Deutschen hielt. Für ihn besaß die mittellose Auswanderin keine Bedeutung und kein Recht, das Wort gegen ihn, den angesehenen Sohn des Bürgermeisters und Kommandeur der örtlichen Freiwilligenkompanie, zu erheben.

»Wie soll ich das verstehen?« schnappte er.

»So, wie ich es sagte«, hielt Irene seinem vernichtenden Blick stand. »Ihre Frau wird noch eine ganze Weile im Bett liegen müssen, wenn sie die Sache hinter sich gebracht hat.«

»Welche Sache?« fragte der Mann mit dem knochigen, asketischen Gesicht verständnislos.

»Die Geburt.«

»Die Geburt.« Ungläubig musterte Cordwainer die Frauen der Reihe nach. »Aber es ist doch noch gar nicht soweit!«

»Das Kind ist da wohl anderer Ansicht«, meinte Irene.

Cordwainer kniff seine sowieso schon schmalen Lippen zusammen. Offensichtlich war ihm die Situation unangenehm. Verständlich: Seine Frau gebar ein Kind, das nicht von ihm stammte, sondern von seinem Rivalen, für dessen Tod er die Verantwortung trug.

Ganz bewußt hatte es Irene vermieden, gegenüber Cordwainer von seinem Kind zu sprechen. Das war es höchstens nach dem Gesetz, aber - nach allem, was sie jetzt wußte - bestimmt nicht nach seinen und Virginias Gefühlen.

»Dann viel Erfolg«, knurrte der Mann und schlug die Tür hinter sich so laut zu, daß Jamie zu schreien begann.

Irene und Beth hatten das Kinderbett mit Jamie in Virginias Schlafzimmer gestellt, damit Irene auf ihren Sohn achtgeben konnte, während sie sich um die Schwangere kümmerte.

Die Deutsche nahm ihr Kind aus dem Bett, drückte es an ihre Brust und wiegte es sanft hin und her, um es zu beruhigen.

Sie dachte an den lieblosen Byron Cordwainer und hoffte, daß Jamie eines Tages einen Vater haben würde, der voller Liebe für seinen Sohn war.

Aber würde dieser Vater Carl heißen?

Oder Jacob?

*

Quantrill und seine Männer waren zwischen den Bäumen des die Miller-Farm umgebenden Waldgürtels verschwunden. Das Getrappel der achthundert Hufe, Pferdegewieher und vereinzelte Rufe der Reiter drangen noch an die Ohren der Zurückgebliebenen, wurden aber allmählich leiser.

Die Guerillas, die nur leichte Verletzungen hatten, waren mit Quantrill geritten. Auf der Farm befanden sich jetzt noch acht Südstaatler mit mittleren bis schweren Verwundungen, die Miller-Familie und Edwin Hatfield.

Und die beiden Männer, die zuvor versucht hatten, einen Streit mit dem Arzt vom Zaun zu brechen. Jetzt traten sie erneut auf ihn zu, und niemand war mehr da, Hatfield vor ihnen und ihren Revolvern zu beschützen.

»Wir sind ganz unter uns«, sagte da auch schon der Hakennasige laut und versetzte dem Arzt einen Stoß, der ihn gegen die Hauswand warf. »Was sagen Sie dazu, Doc? Wir werden jetzt ein ernstes Wort miteinander reden!«

Er packte den Arzt am Kragen seines ehemals weißen, jetzt vom Blut seiner Patienten rosa gefärbten Hemdes und schleppte den älteren, körperlich weit unterlegenen Mann hinter das Haus, wo der aus einem Baumstamm gehauene Block zum Holzhacken stand.