»Wie sehr wünscht’ ich«, antwortete Fotis, »daß ich dir gewähren könnte, was du von mir verlangst, lieber Lucius! Wenn nur meine Frau nicht immer aus Abgunst die Einsamkeit suchte und jedermanns Gegenwart mied, sobald sie dergleichen heimliche Sachen vornimmt. Indessen soll dennoch dein Begehren meiner Gefahr vorgehen und bei erstem gelegenem Augenblick, den ich wahrnehme, ihm Genüge geschehen. Aber du mußt in dieser wichtigen Sache auch hübsch verschwiegen sein, so wie ich es gleich anfangs von dir gefordert habe.«
Während dem Gespräche waren unvermerkt unsere Lüste und Begierden wach geworden und hatten unsere Sinne erregt.
Wir entledigten uns jeglicher Hülle und überlassen uns also dem Taumel der Wollust.
Schon ermattete ich und glaubte alles Vergnügen erschöpft, als Fotis aus eigener Freigebigkeit eine neue Quelle der Lust mir eröffnete und zum Beschluß mich noch der Freuden Übermaß schmecken ließ.
Nun sank auf unsere vom Wachen schweren Augenlider der Schlaf und schloß sie bis zum hellen Morgen.
Kaum waren uns auf diese Art noch ein paar Nächte in Wonne verstrichen, als Fotis eilfertig und schüchtern eines Tags zu mir hereingehuscht und mir verkündigt: Diese Nacht würde ihre Frau sich befiedern und zu ihrem Geliebten hinfliegen; denn ihre übrigen Künste wollten bei dieser ihrer Liebe alle nicht anschlagen. Ich sollte mich also fertig halten, diesen wichtigen Prozeß insgeheim mitanzusehen.
Sobald es Nacht war, holt sie mich ab und führt mich leisen, unhörbaren Tritts hinauf an die Erkerstube. Da zeigt sie mir eine verborgene Ritze in der Tür und läßt mich hindurchgucken; wo ich denn folgendes sah:
Allererst zieht sich Pamphile fasernackt aus. Nachher schließt sie eine Lade auf, woraus sie verschiedene Büchschen nimmt. Eines von diesen Büchschen öffnet sie und holt daraus eine Salbe, die sie so lange zwischen beiden Händen reibt, bis sie völlig zergangen ist, alsdann beschmiert sie sich damit von der Ferse bis zum Scheitel.
Nun hält sie ein langes, heimliches Gespräch mit ihrer Lampe.
Darauf schüttelt und rüttelt sie alle ihre Glieder. Diese sind nicht sobald in wallender Bewegung, als daraus schon weicher Flaum hervortreibt. In einem Augenblick sind auch starke Schwungfedern gewachsen, hornicht und krumm ist die Nase; die Füße sind in Krallen zusammengezogen.
Da steht Pamphile als Uhu!
Sie erhebt ein gräßliches Gekrächze und hüpft zum Versuche am Boden hin. Endlich hebt sie sich auf ihren Flügeln in die Höhe und in vollem Fluge hinaus zum Erker!
Also ward Pamphile vorsätzlicherweise durch ihre magische Wissenschaft verwandelt. Sonder Zauber aber und vor bloßem Wunder über das Gesehene wußte ich nicht, was aus mir geworden war. Die Haare standen mir auf dem Kopfe zu Berge, ohne alle Besinnung phantasierte ich.
Ich rieb mir lange Zeit die Augen und fragte, ob ich wirklich wache.
Wie ich endlich wieder zum Bewußtsein meiner selbst und dessen, was vorgegangen, gelangt war, so ergriff ich Fotis’ Hand und drückte sie gegen meine Augen und sprach:
»Teures, liebes Mädchen! schlage mir jetzt, da die Gelegenheit sich dazu darbietet, den seltensten Beweis deiner Zuneigung nicht ab! Bei deinen schönen Augen bitte ich dich: gib mir von der Salbe da und verbinde dir durch diese unaussprechliche Wohltat deinen Sklaven auf ewig! Mache, daß ich befiedert hier neben dir stehe, wie der Venus zur Seite Cupido[36]!«
»So?« versetzte sie hastig. »Ei, über dich schlauen Gast! Ich sollte mir so selbst eine Grube graben? sollte meinen Lucius den thessalischen Mädchen mutwillig in die Hände spielen? Nein, nein, guter Freund, daraus wird nichts, laß dir das vergehen! Wo in aller Welt sollt’ ich dich suchen, wenn ich dich zum Vogel gemacht hätte, und wann würde ich dich wohl einmal wiedersehen?«
»Behüten mich die Götter vor der schweren Sünde«, war meine Antwort, »daß selbst als Adler, dessen stolzem Fluge der ganze Himmel offensteht, der Botschafter des erhabenen Zeus und rüstiger Waffenträger ist, da, sag’ ich, trotz aller Würde des Königs der Vögel ich dennoch nicht beständig hier herab als in mein geliebteres Nest steigen sollte! Ich schwöre dir bei diesen deinen verschlungenen Locken, die mir das Herz gefangen haben, daß unter der Sonne mir kein Mädchen lieber ist denn du, meine Fotis! Bedenkst du denn auch nicht, daß, wenn ich einmal durch diese Salbe zu solchem Vogel geworden bin, ich vorsichtig alle Häuser zu meiden habe? Denn geschweige, daß ein Uhu eben kein so reizender Liebhaber für die Schönen ist, so darf sich der arme Kauz auch nur in einem Hause blicken lassen, gleich hat man ihn bei den Schlafitten und nagelt ihn an die Tür, wo er unter jämmerlichen Qualen für alle bösen Vorbedeutungen, die je sein unseliger Flug den Leuten gegeben hat, büßen muß. Aber hätt’ ich doch bald mich zu erkundigen vergessen, was ich denn nachher zu sagen oder zu tun habe, um die Federn abzulegen und wiederum Lucius zu werden?«
»Was dies betrifft, sei ganz unbesorgt«, versetzte Fotis, »meine Frau hat mir schon alles gezeigt, was wiederum zum Menschen umwandelt, und nicht etwa aus Wohlgewogenheit hat sie’s getan, sondern lediglich, damit ich ihr, wenn sie nach Hause kommt, zu ihrer Wiedermenschwerdung hilfreiche Hand leiste. Übrigens solltest du nicht glauben, mit wie wenigen unbedeutenden Kräutern solch ein Wunderwerk öfters zu bewerkstelligen ist! Heute zum Beispiel bereite ich ihr nur ein Bad und einen Trunk Brunnenwasser mit etwas Dille und ein paar Lorbeerblättern vermischt.«
Unter hohen Beteuerungen, daß dies die genaue Wahrheit sei, schleicht sie zitternd und zagend in den Erker, nimmt in der Geschwindigkeit eine Büchse aus der Lade und bringt sie mir.
Ich empfange diese mit Entzücken, küsse sie inbrünstig und bete, sie wolle mir eine glückliche Reise durch die Lüfte verleihen.
Und nun mit allen Kleidern herunter, gierig die Hände in die Salbe, eine ganze Menge genommen, und über und über alle Glieder meines Leibes gerieben.
Schon schwinge ich zu wiederholten Malen die Arme und versuche zu fliegen. Hoch klopft mir vor Verlangen das Herz, mich nun als Vogel zu sehen.
Umsonst! Nicht Busen, nicht Federn wachsen hervor.
Zu kurzen Borsten erstarren alle Haare an meinem Leibe, statt der zarten Haut umhüllt mich ein dickes derbes Fell.
Die Zahl der Finger und Zehen verliert sich in jeder Hand du jedem Fuße in einem Huf, und am Ende des Rückgrats hinten streckt sich ein langer Zagel hinunter.
Unförmig wird das Gesicht und dehnt sich je mehr und mehr. Mit großem Maule, weit offenen Nasenlöchern und schlotternden Lippen schließt es unten. Oben recken sich ein paar lange, rauhe, spielende Ohren empor.
Das einzige, was in dieser unglücklichen Verwandlung noch meinen Trost hätte abgeben können, wenn für mich Armen nun noch eine Fotis gewesen, war der Zuwachs des Werkzeugs des sechsten Sinnes.
Wie ich mich nun betrachte, seh’ ich mit Entsetzen, daß ich statt des Vogels zu einem Esel geworden bin.
Ich wollte mich bei Fotis beklagen, allein mit menschlicher Stellung und Gebärde hatte ich zugleich auch die Sprache verloren. Alles, was ich tun konnte, war, daß ich mit bebender Unterlippe und nassem Blick sie von der Seite ansah und also stillschweigend ihr Vorwürfe machte.