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›Nein, lieber Sokrates‹, schrie ich, ›das ist arg, das ist wundersam! Nun bin ich gleichfalls angst und bange, und hebt mir das Herz vor Furcht im Leibe, daß deine Alte diese unsere Gespräche nicht auch durch Hilfe eines Geistes wieder erfahre. Laß uns also nur früh Schicht machen, damit wir bald ausschlafen und uns morgen mit dem allerfrühesten aus dem Staube machen können!‹ – Ich hatte dies noch nicht ausgeredet, so war der gute Sokrates, weil er des Weines ungewohnt und vom Tage her müde war, schon eingeschlummert und schnarchte überlaut. Ich klemme also flugs die Türe zu, schiebe die Riegel ganz fest vor, stelle auch noch zur größeren Sicherheit mein Bette ganz dicht wider die Angeln und werfe mich hinauf. Die Furcht hielt mich erst eine lange Weile wach; endlich, um Mitternacht, fallen mir die Augen allgemach zu. Kaum war ich recht eingeschlafen, so wird auch mit einmal mit größerm Ungestüm, als sich von Dieben erwarten läßt, die Tür eröffnet oder vielmehr gesprengt und holter polter übern Haufen gerannt, daß die Angeln in Stücken zu Boden fallen. Mein Bette, ohnedies klein, dreibeinig und morsch, fliegt um und um und bleibt, da ich herausgepurzelt, um gestürzt über mir stehen. Da erfuhr ich, daß manche Affekte sich von Natur auf widersprechende Art äußern. Denn wie man oftmals vor Freude Tränen vergießt, so konnte ich mich auch jetzt bei meinem großen Schrecken des Lachens nicht erwehren, da ich so aus Aristomenes zu einer Schildkröte geworden. Wie ich aber auf der Erde unter meinem Bette hervorvigiliere, was es denn gibt, so seh’ ich zwei ziemlich betagte Mütterchen. Eine trägt eine helle Leuchte; einen Schwamm und einen bloßen Dolch die andere. In dem Aufzuge stehen beide am Bette des Sokrates, der in tiefem Schlafe lag. Die mit dem Dolche fängt an: ›Hier, Schwester Panthia, hier siehst du meinen treuen Endymion[10], meinen Ganymed[11], der so Tag als Nacht meine Schwäche gemißbraucht hat und der nun meine Liebe mit Füßen tritt, meinen guten Namen schändet und mich auf ewig fliehen will. Aber daß ich mich doch von diesem arglistigen Ulysses[12] hintergehen ließe und wie ein zweite Kalypso[13] um ihn in ewiger Sehnsucht und Einsamkeit weinte! Mag indessen‹, fuhr sie fort, mit ausgestreckter Rechten der Panthia mich zeigend, ›sein feiner Ratgeber da, Aristomenes, der ihm die Flucht in den Kopf gesetzt hat, jetzt aber, dem Tode nahe, nach aller Länge unter dem Bett ausgestreckt liegt und hier nach uns herschielt, mag er doch immerhin wähnen, allenthalben meine Schmach auszuposaunen; er soll mir schon über lang oder kurz, vielleicht nur allzubald, ja wohl gar noch jetzt, den Augenblick, all seine angebrachten Spötteleien so wie seine gegenwärtige Keckheit schmerzlich genug bereuen!‹

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10

Ein schöner, von Luna entführter Jüngling; er wurde in ewigen Schlaf versetzt.

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11

Wurde seiner Schönheit wegen von einem Adler Jupiters entführt und Mundschenk der Götter.

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12

Der listenreiche Odysseus.

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13

Die Nymphe, die Odysseus 7 Jahre auf ihrer Insel zurückhielt.