Der Gemahl kam. Nach den ersten Umarmungen der Liebe sinkt er in tiefen Schlaf.
Nun überwältigt Psychen ihr böses Schicksal. Sie, sonst an Leib und Seele gleich zärtlich, ist jetzt stark und kühn genug, Lampe und Messer herbeizuholen. Sie ist kein Mädchen mehr.
Allein, was entdeckt sie, als nun des Lichtes Schimmer das Geheimnis beleuchtet? – Von allen Ungeheuern das holdeste, das liebenswürdigste!
Es ist – Cupido. Der süße Gott der Liebe ist es! Da liegt er in all seiner Schönheit. Auch die Lampe freut sich seines Anschauens und flammt heller auf, und dem Messer tut es weh, daß es so scharf ist.
Psyche stutzt. Es faßt sie Reue und Entsetzen; außer sich, leichenblaß und bebend sinkt sie in die Knie. Verbergen möchte sie das Messer; aber in ihrer Brust. Sie hätte es auch getan, wäre nicht der Stahl aus Scheu vor einem so großen Verbrechen ihrer frevlen Hand entsunken und weit von ihr hinweggeflogen.
Allgemach erholt sie sich wieder von der Schwachheit; denn ihr Auge erquickte sich an der göttlichen Schönheit des Schlummernden, und jeder Blick auf ihn war für sie ein neues Leben. Ach welch ein Anblick! In der Haare Gold das niedlichste Köpfchen eingehüllt. Ambrosiaduftende Locken in zierlichem Gewirre über Rosenwangen und einen Nacken, weiß wie Marmor, hinab auf Brust und Rücken irrend. Umher Glanz verbreitend, daß selbst der Lampe Licht davor erbleichte. Blendendpurpurne Fittiche an den Schultern des kleinen Fliegers, die Schwingen zwar ruhig, aber die zarten Busen der Federn in zitternder Wallung und mutwilliger Unruhe. Überhaupt ein Leib so glatt, so glanzvoll, so ganz schön, so ganz seiner Mutter, der göttlichen Venus würdig!
Am Fuße des Bettes lagen Bogen, Köcher und Pfeile, des mächtigen Gottes seliges Geschoß. Unstillbares Verlangen ergreift jetzt Psychen; neugierig beschaut sie die Waffen ihres Gemahls, befaßt sie, bewundert sie. Sie zieht einen Pfeil aus dem Köcher und versucht mit zartem Finger dessen Spitze. Noch hatte sich das Zittern der Glieder nicht gelegt, stärker als sie will, berührt sie das Eisen und verletzt sich, daß gleich Tröpfchen rosigen Blutes ihre Hand betauen. Von nun an liebt sie Amor. Ihre eigene Schuld, doch ohne ihr Wissen.
Mit jeglichem Augenblicke wird diese Liebe brünstiger; schmachtend hängt sie eine Weile über ihn hin und verliert sich im Genusse des Anschauens. Endlich sinkt sie sanft auf ihn nieder, heftet ihre Lippen an ihn und berauscht sich in Wollust: ›Ach, daß er noch nicht erwache, daß er noch nicht erwache‹, lallt ihr Herz in unnennbarem Taumel.
Allein indem sie so trunken von Entzücken sich und alles außer ihr vergißt, so weiß ich nicht, war es Meineid oder Mißgunst, was der unglücklichen Lampe anwandelte; oder fühle auch sie sich hingerissen, solch einen Leib zu berühren und gleichsam zu küssen, genug, sie sprühet einen Tropfen glühenden Öls auf die rechte Schulter des Gottes.
Weh und Fluch dir, verwegene Lampe! Du erfrechst dich, selbst den Urheber alles Feuers zu brennen? Ist das der Dank, womit du der Liebe lohnst? Sie, die dich schuf, ihren Genuß die Nacht hindurch zu verlängern!
Vor Schmerz springt der Gott aus dem Schlafe auf. Er sieht, wie Psyche schändlich wider ihr Versprechen gehandelt hat, und gleich, ohne ein Wort zu sagen, entflieht er aus ihren Armen. Zwar erhascht ihn das unglückselige Weib noch mit beiden Händen beim Fuß und bestrebt sich, ihn zurückzuhalten. Aber jämmerlich reißt er sie also mit sich empor, bis ihr die Kräfte entgehen und sie dann zur Erde zurückstürzt.
Der Gott liebte sie. So an der Erde, vermochte er nicht, sie zu verlassen.
Er flog auf die nächste Zypresse, und als dem luftigen Wipfel derselben sprach er in heftiger Bewegung also zu ihr hernieder:
›Sieh, was du nun angerichtet hast, zu leichtgläubige Psyche! Ich habe den Befehl meiner Mutter hintangesetzt, und statt dich, nach ihrem Willen, durch Liebe und Ehe dem allernichtswürdigsten der Menschen zu verbinden, bin ich selbst dein Liebhaber geworden. Ja, ich war noch leichtsinniger, ich herrlicher Bogenschütze, habe mich selbst mit meinen eigenen Pfeilen verwundet und dich zu meiner Gattin gemacht, und das alles, damit du mich für ein Ungeheuer hieltest, mit einem Messer mir den Kopf abschnittest, aus dem diese Augen dich so liebevoll anblickten? Ich hatte dir deswegen so oft auf deiner Hut zu sein geheißen, hatte dich immer so wohlmeinend gewarnt. Allein deine trefflichen Ratgeberinnen sollen mir auch auf der Stelle ihren schändlichen Unterricht büßen. Dich aber strafe allein meine Flucht.‹
Mit den letzten Worten erhob er sich auf seinen Fittichen in die Luft.
Psyche, am Boden liegend, sah, so weit ihre Augen reichten, unter entsetzlichem Jammer und Händeringen dem Fluge ihres Gemahls nach. Als ihn aber endlich das Ruder der Flügel in unermeßlicher Höhe ihrem Gesichte entführte, riß sie sich auf und stürzte sich in Verzweiflung von dem jähen Ufer in den nahen Fluß.
Es scheute der milde Fluß den Gott, dessen Flamme auch selbst dem Gewässer furchtbar ist, und schonte der Unglücklichen. Sorgfältig trug er sie auf unschädlichen Wellen an das blumenreiche Gestade.
Dort saß eben der Gott Pan[50]. Er hielt seine geliebte Syrinx in dem Rohre umfaßt worin sie war verwandelt worden, und lehrte sie allerlei liebliche Töne angeben. Seine Ziegen schweiften um ihn her und hüpften und weideten und kletterten am Rande des Ufers.
Der geißfüßige Gott, von Psychens Unfall unterrichtet, ruft mitleidig sie zu sich und spricht ihrem herben Schmerz sanften Trost ein.
›Artiges Kind‹, redete er sie an, ›ich bin zwar nur ein schlechter Hirt, doch hat mich eine lange Reihe wohltätiger Jahre mit vieler Erfahrung ausgerüstet. Wenn ich dann deinen ungewissen wankenden Tritt, dein bleiches Ansehen und dein tiefes Stöhnen richtig auslege (weissagen heißt bei klugen Leuten nichts mehr), so ist unglückliche Liebe dein ganzes Leiden. Folge mir also, suche nicht wieder dein Leben auf irgendeine gewaltsame Art zu enden, sondern gib dich zufrieden und weine nicht so untröstlich. Richte nur dein Gebet fleißig an den Cupido, den größten der Götter. Er ist jung, zärtlich, liebreich, er wird sich deiner gewiß erbarmen.‹
Psyche antwortet dem Hirtengotte nicht, sondern betet stillschweigend diese günstige Gottheit an und geht weiter.
Sie hatte sich noch nicht lange in der Irre trauernd herumgeschleppt, als sie auf einem unbekannten, einen Abhang herunterleitenden Fußpfade zu einer Stadt kommt, worin der Gemahl einer ihrer Schwestern seinen königlichen Sitz hatte.
Als Psyche das erfährt, läßt sie sich bei ihrer Schwester melden. Sie wird sogleich angenommen und zu ihr geführt.
Umarmungen von beiden Seiten! Dann folgt eilfertig Gefrage der Schwester, welcher glückliche Zufall denn Psychen zu ihr bringe?
›Du weißt wohl‹, antwortete ihr diese, ›daß ihr mir rietet, dem Ungeheuer, das unter dem erlogenen Namen meines Gemahls bei mir schlief, die Kehle abzuschneiden, bevor es mich arme Unglücklichselige verschlänge. Als ich mich nun dazu anschickte und mit der Lampe in der Hand – gleichfalls nach eurem Rate – dem Bette mich näherte, wurde ich von dem allerunerwartetsten, himmlischsten Anblick überrascht. Lag doch der Sohn der Göttin Venus, Cupido selbst, in sanfter Ruhe eingeschlummert da! Freude und Fülle der Wollust durchströmte mich, als ich ihn erblickte. Nur zu bald aber verwirrten sich meine Sinne über dem staunenden Betrachten seiner göttlichen Schönheit, und lüstern nach mangelndem Genusse, vergaß ich mich. Da mußte, zu meinem Unglück, die verwünschte Lampe von siedendem Öl überwallen und dem Gott die Schulter verletzen. Der Schmerz schreckte ihn den Augenblick aus dem Schlafe auf, und da er mich mit Feuer und Stahl bewaffnet vor sich sah, rief er: Abscheulich! Du? Mich? Auf der Stelle räume das Ehebette. Nun habe ich mit dir weiter nichts zu schaffen! Nein! Deine Schwester – und hier nannte er deinen Namen – soll deine Stelle vertreten, sie nehme ich förmlich zur Gemahlin. Und sogleich ließ er mich vom Zephyr weit aus dem Bezirk seines Palastes wegtragen.‹
Kaum hatte Psyche ihre Erzählung vollendet, als jene schon, von dem Sporn wütender Begierden und boshaften Neides getrieben mit einer schnellgeschmiedeten Lüge vom Tode ihrer Eltern, ihren Mann hintergeht, sich zu Schiffe begibt und in aller Eile nach dem Felsen hinsegelt.