Oben sein, ausrufen: ›Empfange, Cupido, deine würdige Gattin, und du, Zephyr, nimm deine Gebieterin auf!‹ und, ganz blind vor ungeduldiger Hoffnung, hinabspringen, obgleich ein ganz anderer Wind bläst, ist eins.
Allein auch nicht einmal tot gelangt sie an den erwünschten Ort.
An den hervorragenden Klippen zerschmetterte und zerstückte sich im Fallen ihr Leib, und, nach Verdienst, werden ihre umher zerstreuten Glieder ein Raub der Vögel und der wilden Tiere.
Die Strafe der anderen Schwester verzögerte sich auch nicht lange. Denn, indem Psyche wiederum irrend umherschweifte, gelangte sie ebenfalls bald zu der Stadt, worin sich diese aufhielt.
Gleiche List, gleiche Wirkung. Mit eben derselben lasterhaften Begierde als die erste eilte auch diese nach dem Felsen hin und fand auch da den nämlichen Tod.
Mittlerweile Psyche Cupido bei allen Völkern aufsuchte, lag er in dem Zimmer seiner Mutter und seufzte und litt an der verletzten Schulter große Schmerzen.
Eine Seemöwe bekommt das zu wissen. Geschwind taucht sie sich in den Ozean und fährt bis in die unterste Tiefe hinab, wo Venus sich eben mit Baden und Schwimmen belustigte.
Da erzählt sie ihr, ihr Sohn habe sich verbrannt, er liege am Wundfieber sehr krank, und es sähe mißlich um seine Wiederherstellung aus. Überhaupt, setzt sie hinzu, stände ihr Sohn sowohl als auch sie selbst auf der ganzen Welt eben nicht im besten Rufe. Von ihm sage man, er verbuhle seine Zeit im Gebirge bei einer Beischläferin, und sie lebe in Herrlichkeit und in Freuden beim Ozean im Bade. Unterdessen gehe es auf Erden bunt zu. Lust, Witz und Grazie seien davon entflohen. Alles sei wild, rauh, ungesittet. Man kenne gar Ehe, Freundschaft und kindliche Liebe nicht mehr. Die abscheulichsten Ausschweifungen und die gräßlichsten Laster herrschten überall.
Also schwatzt der schmähsüchtige Vogel und verleumdet Amor bei seiner Mutter.
›Wie?‹ ruft Venus voll jähen Zornes, mit lauter Stimme aus, ›also hätte mein allerliebstes Söhnchen sich schon ein Mädchen zugelegt! Geschwind, sage mir ihren Namen, o du, die du mir allein noch mit Liebe zugetan bist! Nenne mir die, welche den unschuldigen Knaben verführt hat! Ist’s eine Nymphe, Hore oder Muse oder eine von meinen Grazien?‹
›Das weiß ich nicht‹, erwidert die plauderhafte Möwe. ›Ich glaube aber, es ist nur eine Sterbliche, in die er verliebt ist; wenn ich mich recht auf ihren Namen besinne, so heißt sie Psyche.‹
›Psyche?‹ versetzt Venus mit zunehmendem Grimme. ›Entsetzlich! In Psyche hätt’ er sich verliebt, in Psyche, meine Nebenbuhlerin in der Schönheit, die sich meinen Namen angemaßt hat, die ich selbst, sie zu strafen, ihm gewiesen habe! Und verliebt hat er sich in die? So hält er mich wohl gar für seine Kupplerin? Empfindlicher konnte er mich nicht kränken!‹
Und hiermit erhebt sie sich aus dem Meere und begibt sich sogleich nach ihrer goldenen Wohnung, wo sie ihren Sohn in dem ihr beschriebenen Zustande antrifft.
Sie rief ihm gleich aus der Türe im bittersten Grimme ihres Herzens mit dem größten Ungestüme zu:
›Oh, brav, herrlich, ganz wieder deiner würdig! Recht so, unter die Füße mit den Befehlen der Mutter, der Gebieterin! Was da lange ihre Nebenbuhlerin mit schmählicher Liebe quälen! Lieber aus ihr einen Zeitvertreib gemacht, die Mutter muß es sich wohl gefallen lassen! Aber warte, du mutwilliger Bube, es soll dir übel bekommen! Trotze nur darauf, daß du der einzige Sohn bist, dein Dünkel soll dir bald benommen werden, ich bin noch gar nicht zu alt, noch einen weit besseren Sohn zu haben als du sauberes Früchtchen bist! Allein dich desto empfindlicher zu beschimpfen, will ich lieber einen von meinen Leibeigenen an Kindes Statt annehmen. Er soll diese Flügel, die Fackel, den Bogen und die Pfeile, die ganze Rüstung haben. Sie kommt von mir her, und zu solchem Gebrauche war sie dir nicht verliehen. Du Bösewicht hast schon von klein auf nichts getaugt, hast dich beständig an allen vergriffen, denen du Ehrerbietung schuldig bist! Wie hast du nicht deiner Mutter selbst stets frevelhaft mitgespielt, wie oft mich nicht bis ans Leben verwundet, welche Schmach tust du mir nicht noch täglich an. Verächtlicher kann wohl niemand einer armen hilflosen Witwe begegnen! Und vor deinem Stiefvater, dem großen Kriegsgott, hast du wohl Furcht und Achtung noch? Deine kindliche Pflicht müßte denn darin bestehen, daß du ihm immer Mädchen zuführst – oh, und du weißt, in welche Verzweiflung ich dadurch gesetzt werde. Aber ich will dir das Spiel nun für immer legen, und lange, lang sollst du an diese deine feine Buhlschaft denken!‹
›Aber wie räche ich nun meine Schmach?‹ fährt sie darauf bei sich selbst fort. ›An wen wende ich mich? Wie züchtige ich den Taugenichts nach Verdienst? Ob ich mir von meiner Feindin Mäßigkeit Hilfe ausbitte? Von ihr, die ich eben dieses übermütigen Knaben wegen so vielfach beleidigt habe, und nun sollte ich mich dieses garstigen groben Weibes Spott aussetzen und mich vor ihr erniedrigen? Hart, hart! – Doch, süße Rache, dich erkauft man nicht zu teuer; ja, ich will zur Mäßigkeit gehen! Ihr will ich den Buben zur Züchtigung überliefern. Sie soll ihm den Köcher leeren, die Pfeile stumpfen, die Bogensehne zerschneiden und ihn ohne Barmherzigkeit kasteien! Eher, eher will ich mich nicht befriedigen, als bis ich seine Haare, die ich so oft mit eigenen Händen mit Gold durchflochten habe, kahl abgeschoren, bis ich seine Flügel, die ich so manchmal, wenn er auf meinem Schoße saß, in Nektar gebadet, kurz abgestutzt sehe.‹
Also eifert sie und verläßt, das Herz voll bitterer Galle, ihren Palast.
Doch bald begegnen ihr Ceres und Juno[51]. Sie lesen ihr den Zorn gleich in den Augen und fragen, warum sie so finster aussehe, warum sie die Holdseligkeit ihrer Blicke in Unmut einhülle?
›Wie gelegen‹, antwortet sie ihnen, ›kommt ihr für mein brennendes Herz. Helft mir Gewalt und Rache ausüben, helft mir, ich bitte euch, die landstreicherische, flüchtige Psyche aufsuchen. Denn gewiß wißt ihr schon meines unwürdigen Sohnes schändliche Aufführung, das Gerücht davon ist zu kundbar!‹
Die Göttinnen wußten in der Tat schon um alles. Nun suchten sie durch Zureden der Venus überwallenden Zorn in etwa zu besänftigen.
›Was, o Göttin‹, sagen sie ihr, ›was hast denn dein Sohn so Großes verbrochen, um sein Vergnügen so gewalttätig zu stören, um die, die er liebt, so mit Haß zu verfolgen? Rechnest du ihm für Sünde, daß er einem hübschen Mädchen gut ist? Er ist ja einmal von männlichem Geschlechte und endlich schon Jüngling! Oder vergißt du, wie alt er ist, und denkst, weil er noch immer so jung und zart aussieht, er sei auch immer noch ein Kind? Du bist Mutter, bist eine kluge Frau und willst deines Sohnes kleinen Ausschweifungen immer so neugierig nachspähen, seine Galanterien tadeln, seine Liebeshändel stören; kurz, was deine eigene Kunst, deine einzige Glückseligkeit ist, bei dem schönen Sohne ahnden? Welcher Gott, welcher Mensch wird hinfort ertragen können, daß du überall Liebe verbreitest, wenn du dieselbe Liebe an deinem eigenen Sohne so bitter bestrafst, wenn du ihm den Umgang mit gefälligen Schönen verwehrst, wenn du deinen Zorn gegen ein Mädchen ausläßt, das sich der ihr verliehenen Gabe, zu gefallen, glücklich bedient hat?‹
Also sprachen Ceres und Juno zum Vorteil Cupidos, selbst in seiner Abwesenheit; denn sie fürchteten sich vor seinen Pfeilen.
Venus aber nimmt ihre Rede als Verspottung ihrer Schmach auf, verläßt die Göttinnen desto unwilliger und wendet sich mit beschleunigten Schritten nach dem Meere hin.
Sechstes Buch
Unterdessen trieb Psychen Tag und Nacht rastlose Sehnsucht nach ihrem Gemahl aller Orten umher. Sie dachte denselben noch irgendwo anzutreffen und seinen Zorn, wo nicht durch zärtliche Liebkosungen, doch wenigstens durch demütiges Bitten zu besänftigen.