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Als ich das hörte, brach mir der kalte Angstschweiß aus, und ich zitterte und bebte dergestalt unter meinem Bette, daß es auch nicht eine Minute ruhig stehen blieb, sondern unaufhörlich wie eine Stampfmühle schütterte und pochte.

›Ei‹, sprach Panthia, ›warum kühlen wir denn nicht also unsern Mut an dem zuerst? Laß uns ihn, Schwester, wie Bacchantinnen, in Stücke zerreißen oder binden und zum Verschnittenen machen!‹ – ›Keins von beiden!‹ versetzte Meroe – denn ich merkte an allem, daß es die war, von der Sokrates mir erzählte –, ›er muß am Leben bleiben, um den Leib dieses Armseligen in ein wenig Sand zu verscharren.‹ – Hiermit kehrt sie den Kopf des Sokrates auf die Seite, senkt ihm den Dolch bis an das Heft in die Gurgel und fängt das hervorspritzende Blut so geschickt und sorgfältig in einem Schlauche auf, daß auch kein Tröpfchen danebenkommt. Das haben diese meine Augen gesehen. Nun fährt sie – um keinen von den Opfergebräuchen aus der Acht zu lassen, wie mir dünkt – mit der rechten Hand durch die Wunde bis zu den Eingeweiden hinunter sucht darin herum und bringt dann das Herz meines armen Kameraden zum Vorschein, während der Zeit er aus abgeschnittener Kehle laut röchelt und seinen Geist mit dem strudelnden Blute aufgibt. Panthia aber stopft die Wunde, wo sie am weitesten voneinandersteht, mit einem Schwamme zu und murmelt dabei: ›Schwamm, Schwamm, in dem Meere geboren, geh in dem Flusse verloren!‹ Dies getan, so schieben sie das Bett von mir hinweg, treten mit auseinandergesperrten Beinen über mich, und jetzt regnen sie so lange auf mich herab, bis sie mich durchaus in den garstigen Böckel[14] eingeweicht haben. Kaum verließen sie die Schwelle, so erhebt sich die Tür wieder und kehrt an ihren Ort zurück, die Angeln springen wieder in ihre Pfannen ein, die Haspen eilen den Pfosten zu, und die Riegel schieben sich von selbst wieder vor. Ich aber bleibe, wie ich war, am Boden hingestreckt liegen, atemlos, splitternackend, eiskalt und nicht minder benetzt, als ob ich eben erst aus Mutterleibe gekrochen; da ich doch schier halb ausgelebt, ja mich selber schon ganz überlebt hatte und mit allem Fuge als ein After-Ich, wenigstens als ein wohlbestallter Galgenkandidat anzusehen war. ›Was wird aus mir werden‹, sprach ich bei mir selbst, ›wenn man am Morgen den erwürgt im Bette finden wird? Wem wirst du nicht der Wahrheit zum Trotze ein Lügner scheinen? Du hättest ja nur um Hilfe rufen dürfen, wird man sagen, wenn du feige Memme dich vor einem alten Weibe fürchtest! Vor deinen Augen einen Menschen ermorden sehen und schweigen? Warum hat man dich nicht auch auf den Kopf geschlagen? Warum hätte denn die Mordlust der Hexe den Augenzeugen ihres Frevels verschont, von dem sie ja fürchten mußte, daß er sie verraten würde? Immer hin mit dir zum Tode, dem du also entronnen bist!‹

Ich überlegte das hin und her, unterdessen ging die Nacht zum Tage über. Am klügsten dünkte mir’s da, mich noch in der Dämmerung fortzumachen und so geschwind und so weit zu rennen, als die Füße nur laufen wollten. Ich nehme also mein Bündel auf den Buckel, schließe die Stubentür auf, wiewohl erst nach vieler Mühe und Not, denn das vertrackte Schloß, das nachts von freien Stücken aufgesprungen, ließ jetzt sich lange störlen und rütteln, ehe es aufwollte, und gehe und rufe den Hausknecht. – ›He‹, schreie ich, ›wo bist du? Mach das Tor auf, ich will fort!‹ – Er lag gleich hinter der Haustür auf einer Streu; noch halb im Schlafe, gab er mir zur Antwort: ›I, wißt Ihr denn nicht, die Straßen sind jetzt der Spitzbuben wegen so unsicher! Wo wollt Ihr denn noch bei Nacht hin? Rennt doch dem Tod nicht in den Rachen! Oder treibt Euch etwa ein böses Gewissen dazu? Nu, so dumm sind wir doch nicht, daß wir uns um Euretwillen sollten totschlagen lassen!‹ –›Es ist ja nicht mehr weit vom Tage‹, versetzte ich, ›und was können mir blutarmen Manne auch die Räuber stehlen? Weißt du nicht, Narr, daß selbst zehn Banditen einen Nackenden nicht ausplündern können?‹ – Ohne sich zu ermuntern, warf er sich auf die andere Seite herum und sagte: ›Ach, wo weiß ich auch, ob Ihr nicht gar Euren Reisegefährten, mit dem Ihr gestern so spät hierherkamet, umgebracht habt und Euch nun durch die Flucht retten wollt?‹ –

Ich denke nicht anders, als es tut sich in dem Augenblick die Erde unter mir auf, und ich sehe aus dem innersten Tartarus[15] hervor den Zerberus[16] heißhungrig auf mich zufahren.

Jetzt kam es mir erst zu Sinne, daß die ehrliche Meroe mitnichten aus Barmherzigkeit meiner Kehle geschont, sondern vielmehr aus Grausamkeit mich für den Galgen aufgespart habe.

Sobald ich also in die Stube zurückgekehrt, überlege ich in der Geschwindigkeit, wie ich mir das Leben nehmen will. Inzwischen, da kein ander tödliches Werkzeug anzutreffen war, als was mein Bette mir darbot, so wende ich mich zu demselben mit diesen Worten:

›Herzes, liebes Bette, das so viel Ungemach mit mir erlitten; du, das alles mit angesehen, was diese Nacht hier vorgegangen ist; du, der einzige Zeuge, den ich für meine Unschuld anrufen kann: o leihe mir zu meiner Reise in die Unterwelt gefälligen Beistand!‹ –

Während der Anrede knüpf’ ich den Strick los, womit es zusammengeschnürt war, werfe das eine Ende davon um einen Balken, der oben über das Fenster hervorragte, und befestigte es daran, und an dem andern mache ich eine Schleife. Nun steige ich auf das Bette in die Höhe, um mich zu erhenken, und streife mir die Schlinge über den Kopf.

Wie ich jetzt aber mit dem Fuße meine Stütze unter mir wegstoße, um durch meine Wucht im Herabfallen mir den Knoten um die Kehle desto fester zuzuziehen, so zerreißt mit einmal der alte verstockte Strick, und ich stürze auf den Sokrates, der dicht neben mir lag, so mächtig hin, daß wir uns beide überkollern und zusammen auf die Erde hinabrollen.

Und siehe, in demselben Augenblick reißt auch der Hausknecht die Tür auf und schnauzt herein: ›Wo seid Ihr denn nun, der bei stockfinsterer Nacht über die Maßen forteilet? Ihr seid ja wohl gar wieder in das Bette gekrochen?‹

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14

Pökel, Salzlake.

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15

Finsterer Höllenabgrund.

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16

Der vielköpfige Höllenhund.