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Nachdem sie das Essen in aller Geschwindigkeit hintergeworfen, nahmen sie mich und das Pferd zum Tragen der zurückgebliebenen Sachen mit, und so bergauf und bergab, die Kreuz und Quer fort, unter manchem derben Lendenhieb, den sie uns mit ihren Knütteln versetzten, bis wir endlich ganz gegen Abend zu der Höhle gelangten. Ohne uns da die mindeste Zeit zum Ausruhen zu lassen, beluden sie uns mit erstaunlich vielen Sachen, und augenblicklich wieder rückwärts, und zwar mit solcher Eile, daß über dem unaufhörlichen Prügeln und Stoßen ich endlich über einen an der Straße liegenden Stein zu Boden stürzte. Hatte es vorher schon Prügel geregnet, so regnete es ihrer nun über alle Maßen, bis ich, so lahm und geschunden ich auch am rechten Hufe und linken Buge war, mich dennoch wieder aufraffen mußte.

»Wie lange«, hub darauf einer von den Räubern an, »wie lange werden wir doch wohl die alte Schindmähre so umsonst ernähren?«

»Jawohl!« gab ein anderer zur Antwort, »und es scheint wirklich, als ob das Unglück auf dieser alten Kracke zu uns geritten gekommen. Seitdem wir sie haben, haben wir auch keinen einzigen Vorteil davongetragen, wohl aber Wunden und so manchen Verlust an tapferen Kerlen.«

»Nun«, versetzte der erste wieder, »die Tracht da muß das träge Tier noch heimtragen, es mag sich nun auch dazu anstellen, wie es wolle; aber dann breche ich ihm auch zuverlässig den Hals und gebe es den Geiern zur Beute!«

Derweilen meine wilden Herren also über meinen Tod wortwechselten, waren wir wieder heim; denn Furcht hatte meine Fersen beflügelt.

Sie schafften hurtig alles, was wir mitgebracht hatten, beiseite, bekümmerten sich weiter weder im Guten noch Bösen sowenig um das Pferd als um mich, sondern sahen nur nach den Verwundeten, die sie zurückgelassen hatten, und dann rannten sie abermals fort, um, wie sie sagten, noch die letzte Nachlese zu halten.

Inzwischen blieb mir die geschehene Drohung des Todes wie ein Stachel im Herzen zurück.

»Was stehst du da, worauf wartest du noch, Lucius?« sprach ich zu mir selber. »Dein Urteil ist gesprochen, dir ist der bitterste Tod bereitet! Wie du siehst, braucht’s auch weiter keiner großen Anstalten zur Exekution, die nahen Felsen da mit den spitzen, hervorragenden Klippen scheinen nur darauf zu warten, dir den Garaus zu machen. Wohin du auch fallen magst, du wirst nicht ganzbeinig davonkommen. Hätte dich deine heillose Magie doch nur gänzlich zum Esel gemacht. Aber da hat sie dir nur des Esels Ansehen und Elend gegeben und statt seines dicken, unempfindlichen Felles, die feine dünne Haut eines Blutegels! Ermanne dich denn und rette dich, da es noch Zeit ist! Jetzt, da die Räuber abwesend sind, hast du die schönste Gelegenheit zur Flucht; denn vor dem alten Gespenste von Weib wirst du dich ja nicht fürchten? Die kannst du dir mit einem einzigen Schlage, und wär’s auch nur mit dem lahmen Fuß, vom Halse schaffen. Aber wohin fliehen, wo unterkommen? Nun, da haben wir den Esel! Als ob nicht jedweder Vorübergehende einen Kauz wie dich mit offenen Armen aufnehmen würde, auf dem er, statt des mühseligen Gehens, ruhig nach Hause reiten kann!«

Und somit war auch der Riemen, mit dem ich angebunden, den Augenblick zerrissen, und dahin trollte ich.

Unterdessen konnte ich den Spionenaugen der alten Hexe nicht entgehen. Sie sah mich mich losmachen, lief herbei, und mit einem Mute, den ich weder ihrem Geschlechte noch ihrem Alter zugetraut hätte, fiel sie mir in den Zügel und suchte mit all ihren Kräften und mit den besten Worten von der Welt mich zurückhalten. Allein alles verfing bei mir nicht. Der Drohung der Räuber wohl eingedenk, ließ ich mich von keinem Mitleide rühren. Ich versetzte ihr mit den Hinterfüßen einen solchen Schlag, daß sie die Beine in die Höhe kehrte. Gleichwohl ließ sie den Zügel nicht fahren. Ich schleppte sie eine weite Strecke hinter mir her. Sie kreischte laut auf, sie rief, sie schrie aus vollem Halse um Hilfe. Niemand kam, denn es war niemand da, der ihr helfen konnte, außer dem einzigen gefangenen Mädchen. Diese kam am Ende auf das gelle Geschrei wirklich herbei; aber sie sah nicht sobald das merkwürdige Schauspiel – die alte Dirce[62], zwar nicht von einem Stier, sondern von einem Langohr geschleift –, als sie schier mit männlicher Kühnheit die schönste Tat unterfing.

Sie riß der Alten den Zügel aus den Händen, besänftigte mich durch schmeichelhaftes Klopfen, schwang sich dann behend auf meinen Rücken und sprengte mit mir davon.

Ich, der ich schon vorher von Begierde, zu entfliehen, entflammt war und jetzt sowohl durch den Wunsch, das Mädchen zu retten, als durch die oft wiederholten Streiche, die ich bekam, dazu noch weit mehr angereizt wurde, ich schlug wie ein edles Roß mit leichtem Hufe den Boden und wieherte fröhlich in den sanften Zuruf des Mädchens. Auch drehte ich zuweilen meinen Nacken zurück, und unter dem Scheine, mit auf dem Rücken zu jucken, küßte ich meiner holden Reiterin niedliche Füßchen.

Endlich holte das Mädchen einen tiefen Seufzer, sah mit kummervollen Blicken gen Himmel und sprach:

»Oh, ihr Götter! Stehet mir bei in dieser äußersten Gefahr! Und du, o Unglück! Höre endlich auf, gegen mich zu wüten; ich habe dir ja sattsam durch unaussprechliche Leiden gedient! Du aber, du mein Befreier, mein Erretter, wenn du mich wohlbehalten meinen teuren Eltern, meinem geliebten Bräutigam zurückbringst, o dann, wie werde ich dir danken, wie hoch werde ich dich ehren, wie köstlich werde ich dich speisen! Deine Mähne sollen meine Hände mit Sorgfalt kämmen und mit meinem jungfräulichen Geschmeide ausschmücken, deinen Schopf will ich kräuseln und zierlich putzen, die Haare deines Schwanzes, die jetzt schmutzig und verworren aus Vernachlässigung herabhangen, mit Geflissenheit will ich die säubern und gefällig sie sondern; du sollst über und über von goldenen Buckeln wie von himmlischen Sternen schimmern. Mit Jauchzen und Frohlocken soll dich das Volk empfangen, sooft du erscheinst, und in großem Gepränge dich begleiten. Und täglich sollst du aus meinem seidenen Schoß dich in Mandelkernen und Zuckerbrot sättigen. Doch bei all den leckeren Speisen, bei Ruhe und Gemächlichkeit und sonst allen Freuden des Lebens soll es dir auch nicht an Ruhm fehlen! Ich will das Andenken meiner gegenwärtigen Flucht und des glücklichen Entkommens durch ein herrliches Denkmal verewigen. Ich will uns fliehend malen lassen, und feierlich soll dies Bild in der Halle meines Hauses aufgehängt werden. Bald, so wird man unsere Geschichte auch in Liedern und Komödien zu hören und zu sehen bekommen, und wer weiß, welch ein stattlicher Roman noch einst zum Titel führt: ›Die auf deinem Esel der Gefangenschaft entronnene königliche Prinzessin.‹ Du, guter Esel, wirst vielleicht auch noch die alten Wunder bestätigen helfen! Um der Wahrheit willen deines neueren Beispiels wird man hinfort um so fester glauben, da Phrixus[63] auf einem Widder durch den Hellespont geritten, Arion[64] von einem Delphin gerettet und Europa[65] von einem Stiere nach Kreta getragen sei. Und hat Jupiter wirklich in Stieresgestalt gebrüllt, so kann ja wohl auch unter diesem Esel ein Mensch oder gar ein Gott verborgen sein!«

Unterdessen das Mädchen also betete, schwatzte und mitunter wohl auch einmal tief und schwer seufzte, unterdessen kamen wir an einen Scheideweg.

Sie ergriff sogleich die Zügel und wollte mich links lenken, weil da der Weg zu ihren Eltern ging.

Da ich aber wußte, daß die Räuber diesen Weg genommen hatten, das Zurückgebliebene nachzuholen, so sperrte ich mich aus Leibeskräften dagegen, und in meinem Sinne hielt ich ihr folgende Standrede: »Was machst du, was beginnst du, unglückseliges Mädchen? Was eilst du dem Tode gerade entgegen? Nie, nie werde ich meine Füße dazu herleihen, dich und mich ins Verderben zu tragen!«

Sie hörte nicht auf, mich links und immer wieder links zu zerren, sie peitschte, sie stieß mich; aber keine Gewalt ward über mich Herr, ich stand und machte Männerchen und wich lieber gar nicht von der Stelle.

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62

Dirce ward von Zethus und Amphion an einen wilden Stier gebunden und geschleift. Das bekannte Sujet des Farnesischen Stiers.

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63

Der Königssohn Phrixus floh mit seiner Schwester Helle auf einem goldenen Widder nach Kolchis.

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64

Der Sänger und Zitherspieler Arion rettete sich auf einem Delphin vor Seeräubern.

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65

Die Königstochter Europa entführte Jupiter auf einem Stier.