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Damit ergriff den Bösewicht ein mächtiges Zittern und Beben; an die Stelle seiner lebhaften Gesichtsfarbe trat schreckliche Totenblässe, und ein kalter Schweiß floß ihm über alle Glieder. Nicht einen Augenblick stand er stille vor Unruhe; bald kratzte er sich hier, bald da am Kopfe. Er murmelte unverständliche Worte zwischen den Zähnen daher oder schwatzte lauter dummes Zeug. Alle Welt erkannte ihn sofort für schuldig.

Es währte jedoch nicht lange, so hatte sich der Ruchlose wieder ermannt; er leugnete alles und hieß den Arzt mit der größten Hartnäckigkeit lügen.

Der alte, ehrliche Arzt, den Eid und Pflicht zur Gerechtigkeit verbanden und der so öffentlich seine Rechtschaffenheit in Zweifel ziehen sah, wendete alle ersinnliche Mühe an, den verstockten Bösewicht zu widerlegen. Umsonst!

Endlich bemächtigten sich auf des Rats Befehl die Gerichtsdiener des Schelmes Händen und fanden ein eisernes Petschaft, das mit dem Siegel des Beutels zusammengehalten wurde. Beider vollkommene Übereinkunft bestärkte den vorgefaßten Verdacht.

Nun ließ man, wie es der Gebrauch bei den Griechen ist, Folterrad und Folterbank hereinbringen und tat, als solle der Missetäter darauf gespannt werden; doch es rührte ihn nicht! Er blieb standhaft. Ja, mit Feuer und Geißel setzte man ihm zu: aber auch das vergebens! Er gestand kein Wort.

»Ich werde nimmermehr dulden«, sprach darauf der Arzt, »wahrlich! ich werde nicht dulden, daß die Unschuld wider Recht und Gerechtigkeit den Tod erleide, während zugleich dieser Bösewicht, unseres Urteils spottend, seiner wohlverdienten Strafe entrinne! Sehen Sie hier, meine Herren, ein neues, untrügliches Kennzeichen der Wahrheit meiner Aussage!

Als der gottlose Schurke da zu mir kam, das heftige Gift zu kaufen, so glaubt’ ich, es gezieme sich nicht für mich und meinesgleichen, irgend jemand etwas zu geben, das ihn töten könne, da die Medizin dem Menschen das Leben zu erhalten erfunden ist, nicht aber, es ihm zu rauben. Ich fürchtete indessen auch, wenn ich ihm sein Begehr geradezu abschlüge, so möchte ich durch diese unzeitige Weigerung nur desto mehr zur Vollbringung seiner vorhabenden Schandtat beitragen, indem er unfehlbar entweder anderwärts tödliches Gift kaufen oder auch wohl mit einem Dolche oder anderer Waffe seinen bösen Anschlag ausführen würde. Also gab ich ihm nicht Gift, sondern nur Alraun, das, wie bekannt, einen plötzlichen, todähnlichen Schlaf bewirkt. Er weiß das nicht, der Bösewicht. Im Wahne nun, daß er sich wirklich des Todes schuldig gemacht, nimmt er lieber mit der Folter fürlieb, als daß er bekennen sollte. Indessen, hat das Kind den von meinen Händen zubereiteten Trank bekommen, so ist es nicht tot! Es ruht nur, es schläft! Rüttelt es; der schwere Schlummer wird sogleich verfliegen, und es wird wieder zum Tageslichte hervorgehen. Falls es aber nicht wieder erwacht, falls es jenen ewigen Totenschlaf schläft, so hat es mit der Ursache seines Todes eine andere Bewandtnis. Untersuchen Sie!«

Die Rede des alten Graukopfs erhielt Beifall. Man ging sofort in großer Eile zum Grabmale, wo der Körper des Kindes war beigesetzt worden. Kein einziger von den Ratsherren, kein Vornehmer, kein Geringer blieb zurück. Die Neugier trieb sie alle dahin.

Mit eigenen Händen hob der Rittmeister selbst die Decke des Sarges ab. Sowie er das Kind rüttelte, siehe, so ermunterte es sich aus dem Schlafe und stand vom vermeintlichen Tode wieder auf. Entzückt fiel ihm der Vater um den Hals, zeige seinen wiedererhaltenen Sohn mit lallender Freude dem Volke und trug ihn, eingehüllt in Leichentüchern, wie er war, auf seinen Armen vor Gericht.

Die Schandtat des ruchlosen Sklaven und der noch ruchloseren Stiefmutter wurde nunmehr entdeckt, und die nackte Wahrheit kam an den Tag. Das Weibsbild wurde auf ewig ins Elend verwiesen, der Sklave aufgehängt; dem biedern Arzt aber wurde mit allgemeiner Übereinstimmung der mit Gold angefüllte Beutel für den so sehr zur gelegenen Zeit angebrachten Schlaftrunk zugestanden.

Also endigte sich, zu nicht geringer Verherrlichung der göttlichen Vorsicht, dies so verworrene tragische Begebenheit des alten Rittmeisters, der sich in so kurzer Zeit völlig kinderlos und wiederum als Vater zweier Söhne sah.

Was mich betrifft, mit mir spielte das Schicksal ferner also:

Der Soldat, der mich so billig an sich gebracht hatte, mußte, aus schuldigem Gehorsam gegen die Order seines Obersten, einen Brief an den allergroßmächtigsten Kaiser nach Rom bringen, und für elf Denare verhandelte er mich nebenan an zwei Brüder, die beide einem reichen Herrn dienten, der eine als Brot-, Zucker-, und Pastetenbäcker, der andere als Leib-, Mund- und Magenkoch. Sie wohnten und wirtschafteten selbander auf einem Zimmer und kauften mich zum Tragen der Gerätschaften, welche sie auf der Reise ihres Herrn durch verschiedene Länder nötig hatten.

Nie ist mir das Glück holder gewesen, als da ich der Stubengesell dieser zwei Brüder war. Abends, wann ihr Herr abgespeist hatte, brachten sie gewöhnlich ein Menge delikater Schüsseln von der reichlich besetzen Tafel in ihre Zelle getragen. Der eine Überbleibsel von Schweinefleisch, von jungen Hühnern, von Fischen und dergleichen Leckerbissen mehr, der andere Brot, Gebackenes, Pasteten, Torten, Konfekt die Fülle. Darauf gingen sie ins Bad, um sich zu erquicken, und schlossen mich bei all den Näschereien ein, von denen ich’s mir denn gar vortrefflich schmecken ließ. Denn so dumm und ein so wahrer Esel war ich nicht, daß ich des Himmels liebliche Gaben hätte verschmähen und an das spröde Heu mich hätte halten sollen!

Lange ging mir mein verstohlenes Handwerk glücklich vonstatten, weil ich’s mit Vorsicht und Bescheidenheit trieb. Ich begnügte mich von dem ansehnlichen Vorrate allemal mit wenigen, und meinen Herren fiel es gar nicht ein, daß sie Mißtrauen in mich zu setzen hätten.

Allein als ich mehr und mehr Vertrauen gewann, unentdeckt zu bleiben, und immer das Wohlschmeckendste wegnaschte und das Schlechtere liegenließ, da wurden meine Brüder aufmerksam. Zwar von mir ließ sich noch keiner von ihnen so was träumen; doch paßten sie scharf auf, wer sie alltäglich so bestehlen möchte. Ja, sie beargwöhnten sich sogar untereinander selbst, und jedweder bemerkte, überzählte und bezeichnete seinen Teil auf das allergenaueste.

Endlich verlor der eine die Geduld: »Ist’s wohl billig? ist’s wohl zu verantworten«, sprach er zu seinem Bruder, »daß du mir täglich erst das beste von meinem Anteile wegstiehlst, es verkaufst und das Geld für dich heimlich zurücklegst und dann noch mit mir in gleiche Teile gehen willst? Höre! Steht’s dir nicht mehr an, in Kompanie mit mir zu bleiben? Gut! Wir können ja in allem übrigen Brüder sein und haben nur die Gemeinschaft unter uns aufgehoben, denn das sehe ich wohl ein, wenn nicht bald den Klagen über die Verteilung unter uns abgeholfen wird, so nimmt unsere Freundschaft noch ein Ende mit Schrecken.«

»Nun, das ist wahr«, entgegnete der andere, »das nenne ich mir eine edle Unverschämtheit! Du bemaust mir Tag vor Tag meine Portion, und während ich in der Stille darüber seufze und meinen Bruder nicht eines niederträchtigen Diebstahls beschuldigen will, kommst du mir auch noch in der Beschwerde zuvor! Aber gut, daß wir darüber einmal miteinander sprechen, so kann allem Übel noch vorgebeugt werden, damit der heimliche Groll nicht endlich noch eine Feindschaft unter uns anrichtet, wie zwischen Eteokles und Polynikes[75]

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Königssöhne, die sich gegenseitig durchbohrten.