Auf die Nachricht dieses unglücklichen Vorfalls stürzten Bruder und Bräutigam in Eile herbei; aber all ihr Jammern, ihr Wehklagen rief die arme Unglückliche nicht wieder ins Leben zurück! Das einzige, was ihnen noch zu tun übrig blieb, war – sie zur Erde zu bestatten.
Der elende Tod seiner so zärtlich geliebten Schwester, und zwar durch die Hand, welche am wenigsten dazu berechtig war, war indessen mehr, als das empfindliche Herz des Bruder zu erdulden mochte. Aus der tiefsten Melancholie verfiel er bald in ein so heftig-hitziges Fieber, da er schon am äußersten Rande des Lebens stand. Dessenungeachtet ging dennoch seine Gattin, wenn anders ein Weib von solchen Gesinnungen mit einem so ehrwürdigen Namen zu benennen ist, zu einem übelberüchtigten Arzt, welcher wohl eher als einen zählen konnte, dem er durch seine tiefe Wissenschaft aus der Welt geholfen hatte. Sie bot demselben fünfzig bare Sesterzien, wenn er ihr von seinem schnell wirkenden Gifte abließe, um ihren Mann damit desto gewisser fortzuschaffen. Der Arzt wer nicht unerbittlich; er verfügte sich mit zu dem Kranken, interrogierte, observierte, meditierte, dissertierte, alles nur zum Schein, und verordnete endlich zur Bruststärkung und Abführung der Galle jenen Trank, der seiner Heilsamkeit halber bei den Arzneikundigen den Namen des heiligen Trankes führt. Als er aber dem Patienten anstatt dieses Lebenstrankes einen Sterbetrank eingeführt und ihm denselben in Gegenwart einiger Freunde und Verwandten und des Gesindes reichen wollte, da fiel ihm das Weib, das gern des Mitwissers ihrer Verbrechens überhoben sein und das versprochene Geld ersparen wollte, plötzlich in die Arme, ergriff den Becher und sprach:
»Nicht also, bester Herr Leibmedikus! Nicht einen Tropfen von dieser Medizin darf mein lieber Mann einnehmen, bevor Sie nicht selbst einen guten Teil davon ausgetrunken haben! Wer weiß, es könnte ein tödliches Gift darinnen sein! Und Sie sind ein viel zu kluger Mann, als daß Sie diese kleine Vorsicht einer Frau übelnehmen könnten, die so aus inniger Seele für das Leben ihres Mannes besorgt ist!«
Kam je etwas irgend jemandem unerwartet, so war es dem Leibarzte der verzweifelte Streich dieses gottlosen Weibes. Er stutzte gewaltig und hätte fast alle Fassung verloren; doch hier galt nicht langes Bedenken! Sollte er durch Zögern und Zagen sich verraten? Er tat frisch einige starke Züge aus dem Becher.
Nachdem er also kredenzt, nahm der Kranke den Becher und leerte ihn aus. Dies geschehen, wollte der Arzt flugs nach Hause eilen, um die Wirkung des getrunkenen Giftes durch ein starkes Gegengift zu zerstören; allein der Teufel von Weibe hielt ihn fest und setzte hartnäckig durch, was sie kühn begonnen hatte. Sie wollte ihn durchaus nicht von der Stelle lassen, bis der Trank zu wirken angefangen und dessen Heilsamkeit am Tage läge. Durch vieles Bitten und Flehen ließ sie sich aber dennoch bewegen und erlaubte ihm, fortzugehen. Unterdessen, als der Arzt seine Wohnung erreichte, hatte sich das Gift schon durch den ganzen Körper verbreitet und war bis ins innere Mark eingedrungen. Unter den größten Schmerzen und die Augen schon halb vom Todesschlafe geschlossen, konnte er kaum noch seiner Frau erzählen, was vorgefallen war, und ihr auftragen, den Lohn für den zweifachen Mord einzufordern: so erlag er unter den gewaltsamsten Verzuckungen und gab den Geist auf.
Der junge Mann blieb eben auch nicht länger am Leben; unter seines Weibes erdichteten Tränen verschied er auf die nämliche Art. Einige Tage nach seiner Beerdigung und nach den gebräuchlichen Totenopfern kam die Frau des Arztes und verlangte von seiner Witwe den bedingten Lohn für die doppelte Vergiftung. Ihrem Charakter zu allen Zeiten treu, bewies sich die Gottlose sehr höflich und bekannte sich mit vieler anscheinenden Redlichkeit zu dieser Schuld, versprach auch, sie absofort zu entrichten, ja noch goldene Berge hinzuzutun, wofern ihre Gläubigerin ihr noch ein wenig von demselben Gifte zur gänzlichen Vollbringung ihres angefangenen Vorhabens ablassen wollte. Die Frau des Arztes war leider leicht durch ihre glatten Worte und schlauen Ränke angeführt. Unverzüglich ging sie nach Hause, holte die Büchse, worin das Gift enthalten war, und überließ sie ganz dem reichen Weibe, um sich bei derselben ein desto größeres Verdienst zu erwerben.
Kaum sah sich diese so viele Macht zu schaden in Händen, als sie auf weiter nichts bedacht war, als die Anzahl ihrer Verbrechen zu vergrößern.
Sie hatte von ihrem soeben vergifteten Manne eine kleine Tochter. Unzufrieden, daß die Gesetze diesem Kinde des Vaters ganze Hinterlassenschaft zusprachen, die sie so gern selbst gehabt hätte, trachtete sie ihrer Tochter nach dem Leben; wie hätte sie sich auch als eine bessere Mutter denn Ehegattin erweisen sollen, da ihr bekannt war, daß die Mütter ihre Kinder beerben! Genug, aus dem Stegreif hatte sie stracks ein Mahl veranstaltet, wobei sie ihrer eigenen Tochter mitsamt der Frau des Arztes Gift beibrachte.
Der armen zarten Kleinen Eingeweide waren bald davon verzehrt, und sie starb auf der Stelle. Wie aber des Arztes Witwe schneidende Schmerzen ihr Inneres durchirren fühlte, so argwohnte sie gleich, was ihr geschehen. Bald, da auch der Atem ihr schwer wurde, war sie nur allzu gewiß, daß sie Gift bekommen. Sie sprang also auf und rannte geradewegs nach des Statthalters Wohnung. Ihr lautes Geschrei um Hilfe, ihr wiederholtes Rufen, daß sie die abscheulichsten Schandtaten zu entdecken habe, erregten einen großen Zusammenlauf des Volks und machten, daß sie bei dem Statthalter unmittelbar vorgelassen und angehört wurde. Sie erzählte von Anfang an die ganze Reihe Missetaten ihrer ruchlosen Giftmischerin, und eben war sie damit zu Ende, als ein Schwindel sie ergriff und ihre noch halbgeöffneten Lippen schloß. Sie knirschte mit den Zähnen, sie wand sich, sie ächzte, sie sank tot hin zu des Statthalters Füßen.
Der Statthalter, ein tätiger Mann, ließ der schändlichen Giftmischerin vielfache Freveltaten nicht durch langwierigen Verzug erkalten, sondern alsobald ihre Bedienten ergreifen und dieselben durch die Gewalt der Folter zum Geständnis der Wahrheit bringen. Dadurch verurteilte er die arge Missetäterin, daß sie den wilden Tieren vorgeworfen werde, eine Strafe, die freilich noch unter ihrem Verbrechen, jedoch die allerqualvollste war, die nur erdacht werden konnte.
Mit diesem Weibe nun sollte ich öffentlich Beilager halten!
Ich erwartete den Tag der Schauspiele mit dem beängstigsten Herzen. Ehe ich mich mit einem so lasterhaften Weibe befleckte und mir Verachtung aller Scham auf eine so schändliche Weise öffentlich zur Schau stellte, eher hätte ich mich tausendmal lieber selbst umbringen mögen; hätte ich nur nicht plumpe Hufe statt der menschlichen Hände gehabt, so daß ich keinen Degen herausziehen konnte! Die einzige Hoffnung, die bei dem Trübsale mich noch so einigermaßen aufrecht hielt, war: bereits schmückte der Frühling in seinem Beginnen jegliche Staude mit blühenden Knospen, bekleidete die Wiesen mit Schmelz, und schon prangten auf grünem Dornenthrone die Wohlgeruch atmenden Rosen, welche mich wieder zu weiland Lucius umwandeln sollten.
Es erschien endlich der Tag der Spiele. Unter lautem Jauchzen und Freudengeschrei des Volkes wurd’ ich in Pomp nach dem Amphitheater geführt.
Pantomimische Tänze eröffneten die Lustbarkeit. Während der Zeit, wo man sich daran ergötzte, blieb ich außen vor der Tür und weidete allda mit großem Belieben das hin und wieder hervorgekeimte Gras ab. Bisweilen stellt’ ich mich auch in das offene Portal und vergnügte meine Neugierde an den angenehmen Vorstellungen die gegeben wurden.
Blühende Jünglinge und Mädchen von reizender Gestalt führten in schimmerndem Putze mit unnachahmlicher Anmut den griechischen pyrrhischen Reigen auf. Nachdem sie sich wohl in Ordnung gestellt hatten, begannen sie allerlei zierliche Wendungen: jetzt drehten sie sich wie ein Rad im Kreise herum, jetzt, bei den Händen sich haltend, bildeten sie eine lange schräge Reihe, jetzt stießen sie ins Gevierte zusammen, jetzt trennten sie sich wieder und kreuzten verwirrt durcheinander.
Nach mannigfaltiger Abänderung der Wiederholung dieser Bewegungen gebot endlich der Schall der Trompete dem Tanze ein Ende. Der Vorhang fiel[80], und die Verzierung der Bühne ward zum Urteil des Paris verändert.
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Bei den Alten fiel eigentlich wenn das Stück zu Ende war, der Vorhang nicht nieder, sondern er ward von unten hinaufgezogen. Daher hieß es bei ihnen: »der Vorhang wird aufgezogen«, also das, was bei uns »der Vorhang fällt« heißt. Um den des Altertums unkundigen Leser nicht in Verwirrung zu setzen, bin ich lieber bei unserer Art zu reden geblieben.