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Ich schickte mich denn in Geduld und befließ mich mit stiller Gelassenheit und anständigem Stillschweigen tagtäglich des Gottesdienstes auf das allereifrigste.

Aus Huld täuschte mich die mächtige Göttin nicht, noch ließ sie mich lange nach meinem Heile schmachten. Im Dunkel der Nacht offenbarte sie mir durch nichts weniger als dunkle Worte: Er sei gekommen, der Tag, der mir ewig wünschenswerte Tag, an dem ich des allerhöchsten Glückes sollte teilhaftig werden! Zugleich bestimmte sie den Aufwand, den ich bei der Einweihung zu machen, und ernannten gar ihren Hohenpriester Mithras[94] selbst zu meinem Mystagogen (Einführer in die heiligen Geheimnisse), weil er, wie sie sagte, durch eine gewisse Übereinkunft der Gestirne mit mir verwandt sei.

Kaum graute der Tag, so sprang ich schon vor Freuden über die gnadenreichen Befehle der hohen Göttin aus dem Schlafe auf und lief zur Wohnung des Hohenpriesters hin. Er trat eben aus seiner Zelle. Indem ich ihn begrüßen und nun aufs dringendste die Aufnahme als eine heilige Pflicht von ihm heischen wollte, so ward er mich gewahr und kam mir durch folgende Anrede zuvor:

»Heil dir, o Lucius, den die hehre Isis eines so auszeichnenden Wohlwollens würdigt! Und du säumst noch? Verweilst dich selbst? Es ist ja nun da, der Tag, der von dir so sehnlich erwünschte Tag, an dem auf der vielnamigen Göttin Geheiß du von mir selbst in ihrer Religion heilige Geheimnisse sollst eingeweiht werden!«

Somit reichte mir freundlich der Alte seine Rechte und führte mich stracks zur Pforte des geräumigen Tempels. Mit feierlichem Gebrauche verrichtete er das Amt der Eröffnung, und nach Vollendung des Morgenopfers holte er Bücher aus dem Allerheiligsten hervor, welche mit unbekannten Charakteren geschrieben waren. Sie enthielten gewisse Formeln, welche teils durch die sinnbildliche Bedeutung der Figuren von allerhand Tieren, teils durch verschränkte, nach Art des Rades gewundene oder wie die Gäbelein der Weinreben sich ringelnde Züge vor dem Verständnis jedes vorwitzigen Unheiligen gesichert waren. Hieraus las er mir alles vor, was ich zur eigentlichen Einweihung vorzubereiten und anzuschaffen hätte.

Sofort kaufte ich aufs geflissentlichste und im Überfluß alles Nötige teils selbst, teils durch meine Bekannten zusammen.

Wie es endlich nach des Hohenpriesters Angabe die Zeit erforderte, so führte er mich, vom ganzen Priesterschwarme begleitet, in das nächste Bad. Erstlich mußte ich mich nach gewöhnlicher Weise baden, darauf hielt er ein Gebet über mich, besprengte mich über und über mit Weihwasser und reinigte mich.

In den Tempel zurückgekehrt, ließ er mich, da schon zwei Teile des Tages vorüber waren, zu den Füßen der Göttin hintreten, und nachdem er mir insgeheim gewisse Aufträge erteilt hatte, die ich zu verschweigen habe, so gebot er mir endlich ganz laut, daß es alle Anwesenden hören konnten: zehn Tage lang der Werke der Venus mich zu enthalten und weder Fleischspeisen zu essen noch Wein zu trinken.

Ich erfüllte diese geheiligten Vorschriften mit aller Gewissenhaftigkeit.

Nun war der Tag der Einweihung da. Sobald sich die Sonne gen Abend neigte, kamen allenthalben her die Leute zusammen und verehrten mir, nach altem gottesdienstlichem Brauche, allerhand Geschenke. Darauf mußten sich alle und jegliche Profanen entfernen. Ich wurde mit einem groben, leinenen Gewande angetan, und der Hohepriester führte mich bei der Hand in das innerste Heiligtum des Tempels ein.

Vielleicht fragst du hier neugierig, geneigter Leser, was nun gesprochen und vorgenommen worden! – Wie gern wollte ich’s sagen, wenn ich es sagen dürfte! Wie heilig solltest du es erfahren, wenn es dir zu hören erlaubt wäre! Allein Zunge und Ohr würden gleich hart für den Frevel zu büßen haben!

Doch es möchte dir schaden, wenn ich deine fromme Neugier so auf die Folter spannte; so höre denn und – glaube, traue! Es ist wahrhaftig.

Ich ging bis zur Grenzscheide zwischen Leben und Tod. Ich betrat Proserpinens Schwelle, und nachdem ich durch alle Elemente gefahren, kehrte ich wiederum zurück. Zur Zeit der tiefsten Mitternacht sah ich die Sonne in ihrem hellsten Lichte leuchten; ich schaute die Unter- und Obergötter von Angesicht zu Angesicht und betete sie in der Nähe an.

Siehe! Nun hast du alles gehört: aber auch verstanden? Unmöglich! So vernimm wenigstens, was ich ohne Sünde dir Laien verständlich machen kann!

Erst gegen Morgen war die Einweihung vollendet. Ich hatte während derselben zwölfmal die Kleidung verändert und ging endlich aus dem Innersten des Tempels in einem Aufzuge hervor, der zwar auch mystisch war, von dem aber kein Gesetz verbietet, ganz frei zu reden! da mich drinnen sogar sehr viele Anwesende gesehen haben.

Mitten in dem Tempel mußte ich vor der Göttin Ebenbild auf eine hölzerne Bank hintreten. Mein Leibrock war von Kattun, mit bunten Blumen bemalt, und von den Schultern herab bis zu den Fersen fiel mir ein köstlicher Mantel, auf dessen beiden Seiten allerhand Tiere von verschiedenen Farben zu sehen waren: hier indische Drachen, dort hyperboreische[95] Greife in Löwengestalt, aber mit Adlerköpfen und Flügeln, wie sie die andere Welt hervorbringt. Bei den Eingeweihten heißt dieser Mantel die olympische Stole.

Ich führte eine brennende Fackel in der rechten Hand und war mit einem Kranze von Palmblättern geziert, die so geordnet waren, daß sie um mein Haupt gleich Strahlen herumstanden.

So als Bild der Sonne ausgeschmückt, stand ich gleich einer Bildsäule da. Ein Vorhang öffnete sich und zeigte mich den neugierigen Blicken des Volkes.

Hierauf beging ich den erfreulichen Entstehungstag der Mysterien mit leckeren und fröhlichen Gastmählern. Am dritten Tage aber wurde den heiligen Satzungen gemäß mit allerhand Feierlichkeiten der Beschluß der Schmausereien und der ganzen Einweihung gemacht.

Noch einige Tage blieb ich da, mich mit unsäglicher Wonne am Anblick des Götterbildes zu weiden. Ich war durch eine zu unvergeltbare Wohltat verpflichtet. Nachdem ich mich in Demut, zwar nach meinem geringen Maße doch bei weitem noch nicht vollkommen, alles Dankes entledigt hatte, so schickte ich mich endlich auf ausdrücklichen Geheiß der Göttin zu meiner Abreise an. Kaum vermochte ich die Bande der inbrünstigen Liebe, die mich bei meiner Wohltäterin zurückhielten, zu lösen. Vor ihrem Angesicht stürzte ich nieder und wusch lange in stummer Betäubung ihre Füße mit meinen Küssen, bis ich zuletzt unter Tränen in diese, von häufigen Schluchzen unterbrochen, erstickten Worte ausbrach:

»Göttin! Heilige, ewige Erhalterin des Menschengeschlechts! Die du nicht aufhörst, Schutz den schwachen Sterblichen zu verleihen; die du dem Elenden die milde Zärtlichkeit einer Mutter angedeihen lässest! Kein Tag, keine Nacht, kein geringer Augenblick schwindet leer an deinen Wohltaten dahin. Zu Wasser und zu Lande beschirmst du die Menschen, entfernest von ihnen jegliche Lebensgefahr und reichst ihnen deine hilfreiche Rechte, mit welcher du das verworrene Gewebe des Schicksals auseinanderwirrst, die Unglücksstürme zum Schweigen bringst und der Sterne schädlichen Lauf einhältst. Dich verehren die Ober- und Untergötter. Du wirbelst die Erde im Kreise herum, entzündest das Licht der Sonnen, regierst die Welt und hältst den Tartarus untertan. Dir antworten die Gestirne, jauchzen die Götter, wechseln die Jahreszeiten und dienen die Elemente. Auf deinen Wink wehen die Lüfte, füllen sich die Wolken, keimt das Gesäme und sprießt das Gras. Deine Majestät scheuen die Vögel unterm Himmel, die wilden Tiere auf den Bergen, die Schlangen in den Klüften und die Ungeheuer im Meer. Doch bin ich zu schwach an Geiste, dein Lob zu preisen, bin zu arm an Habe, dir würdige Opfer zu bringen; Fülle der Worte gebricht mir, das Gefühl deiner Herrlichkeit auszusprechen. Ja, leihe tausend Lippen mir und ebenso viele Zungen nebst einem ewigen Fluß ununterbrochener Rede, dennoch bin ich zu ohnmächtig. So laßt dir denn wohlgefallen, was demütiglich meine fromme Armut dir anlobt! Ewig soll dein göttliches Antlitz, ewig dein beneideter Name hochverehrt im innersten Heiligtum meines Herzens leben!«

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94

Der persische Sonnengott, dessen Kult sehr verbreitet war; vieles in ihm ist christlichem Kult ähnlich.

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95

Aus dem Norden stammend.