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Milo fing darüber laut zu lachen an und sprach: »Potz Stern! Hab’ ich doch nimmermehr gedacht, daß wir an unsrer Lampe eine so kluge Sibylle[19] hätten, die auf ihrer Leuchterwarte alle Verrichtungen des Himmels und selbst die Sonne beobachtet!« – Darauf nahm ich das Wort.

»Oh, von dergleichen Weissagungen«, sprach ich, »hat man Beispiele die Menge. Sie lassen sich auch leicht erklären. Denn ist gleich dieses Feuer noch klein und nur durch Menschenhände angezündet, so waltet dennoch zwischen ihm und dem großen himmlischen Feuer (von dem es ursprünglich abstammt) eine starke Sympathie ob. Es kann daher nicht allein selbst durch geheime Ahnungen die Veränderungen des hohen Äthers vorauswissen, sondern sie uns auch recht wohl vorher verkündigen. Wir haben auch jetzt einen gewissen Chaldäer[20] bei uns zu Korinth, der die ganze Stadt mit seinen wunderbaren Antworten in Verwirrung setzt und den Leuten die Geheimnisse des Schicksals für Geld aufschließt. Er weiß auf ein Haar anzugeben, welcher Tag das eheliche Band am festesten knüpfe, welcher den Grund der Stadtmauern verewige, welcher dem Kaufmann vorteilhaft, welcher den Reisenden zu Lande und zu Wasser glücklich sei. Mir selbst hat er auf mein Anfragen über den Erfolg dieser Reise allerhand höchst wundersame und bunte Sachen prophezeit; denn er sprach bald von großem Ruhm, den ich erlangen, bald von einer sonderbaren, fast unglaublichen Geschichte, die mir widerfahren, bald von mancherlei Büchern, die ich schreiben würde.«

Milo lächelte und fragte:

»Wie sieht er denn aus und wie heißt er denn, dieser Chaldäer?«

»Es ist ein langer, schwarzbrauner Mann«, erwiderte ich, »und heißt Diophanes.«

»Ja, ja!«, sagte er, »es ist derselbe, der auch bei uns gewesen ist. Dem ehrlichen Kerl begegnete hier ein garstiger Streich. Er hatte sich von unseren Neugierigen schon ein hübsches Geld durch seine Wahrsagereien verdient und stand eines Tages mitten unter einer Menge Leute, denen er seine Orakel verkündigte, als mit einmal ein gewisser Kaufmann Cerdo zu ihm kommt und ihn um den besten Tag befragt, den er zu einer vorhabenden Reise zu erwählen hätte. Mein Diophanes, nach tausenderlei Krimskrams, bestimmt ihm einen Tag, und schon zieht der Kaufmann einen Beutel heraus, schüttet das Geld aus und fängt an, die hundert Denare aufzuzählen, die er für die Weissagung zu entrichten hat. Siehe, da drängt sich von hinterher ein junger Edelmann zu dem Seher hin, zupft ihn beim Rocke, und als dieser sich umsieht, fällt er ihm um den Hals und küßt ihn mit großer‚ Freude. Diophanes bewillkommnet ihn sogleich auch, nötigt ihn, niederzusitzen, und ganz außer sich über die plötzliche Erscheinung, vergißt er darüber sein vorhabendes Geschäft und sagt zu dem Edelmann: ›Welch eine Freude hab’ ich, Sie endlich wiederzusehen! Wann sind Sie angekommen‹ – ›Mit einbrechendem Abend‹, antwortet jener. ›Aber erzählen Sie mir doch auch, lieber Freund, wie es Ihnen zu Wasser und zu Lande ergangen ist, seit Sie so eilig von (der Insel) Euböa abfuhren?‹ – Der gute ehrliche Chaldäer, der noch gar nicht wieder bei sich selbst war, versetzte: ›Unsern Neidern und Feinden mag ich eine so grausame und wahrhaft ulyssische Reise nicht wünschen, als ich gehabt! Das Schiff, worauf wir fuhren, von Wind und Wellen gemißhandelt, verlor bald Ruder und Mast, und als wir es gleichwohl mit genauer Not an die jenseitige Küste treiben, strandete es und versank mit unsrer ganzen Habe in die Tiefe, kaum daß wir selbst noch mit dem Leben davonkamen. Alles, was wir noch durch das Mitleiden Fremder und durch die Bemühungen unsrer Freunde retteten, das nahmen uns kurz darauf Räuber wieder ab und erschlugen, noch dazu vor meinen Augen, meinen geliebten Bruder Arisuatus, der mit Tapferkeit sich ihnen widersetzte.‹ –

Derweilen Diophanes dies ganz betrübt erzählt, streicht mein Cerdo sachte sein Geld, das er bezahlen sollte, wieder ein und heidi, lauf, was du kannst, fort!

Nun ward mit einmal Diophanes aus seinem Traume wach und merkte, was für ein dummes Stückchen er hatte ausgehen lassen. Um so mehr, da wir Umstehenden alle ein lautes Gelächter aufschlugen.

Indessen wünsch’ ich von Herzen, Herr Lucius, daß der Chaldäer Ihnen nichts als Wahrheit möge prophezeit haben, daß Ihnen tausend Glück begegnen und Ihre Reise höchst ersprießlich sein möge!«

Während dieser endlosen Salbaderei des Milo seufzte ich stillschweigend und war bitter und böse, daß ich selbst das verdrießliche Gespräch aufgebracht, wodurch ich so um einen guten Teil des Abends und süßer Ergötzung kam.

Endlich riß dennoch meine Geduld aus, und ich sagte zu Milo:

»Überlassen wir den Diophanes seinem Schicksale, mag er doch ferner dem Meere und dem Lande alles Geld wieder entrichten, was er den Blöden durch Lug und Trug abgenommen hat! Ich bin von meinem gestrigen Ritte noch herzlich müde und bitte mir die Erlaubnis aus, etwas früher schlafen zu gehen.« – Und damit brach ich auf und begab mich in mein Zimmer, wo ich schon alles sehr artig zum Schmause zubereitet fand. Das Bedientenbett[21] aus der Stube genommen und ganz weit von der Tür weg in einen Winkel gesetzt, damit man uns in der Nacht nicht behorchen könnte. Neben meinem Bett ein wohlbesetztes Tischchen mit zwei Bechern, schon halb mit Wasser angefüllt und nur auf die Vermischung des Weines wartend. Nächstdem eine ansehnliche Flasche, die zum desto bequemeren Herausschöpfen mit recht weiter Mündung versehen. Kurzum, alles auf einen rechten Vorgeschmack zum Liebeskampfe eingerichtet!

Kaum war ich im Bette, so hatte auch schon meine Fotis ihre Frau zur Ruhe gebracht und flog mir, mit Rosen bekränzt und eine einzelne Knospe vor dem schwellenden Busen, in die Arme.

Nachdem sie mir den feurigsten Kuß auf die Lippen gedrückt, windet sie mir Kränze um die Schläfe und bestreut mich mit Blumen. Dann nimmt sie einen Becher Wein, mit Wasser vermischt, reicht mir ihn hin, läßt mich daraus nippen, und ehe ich ihn noch ganz geleert, zieht sie mir ihn wieder sanft vom Munde hinweg und schlürft mit leiblich zugespitzten Lippen, zärtlich auf mich die Augen gerichtet, wollüstig den Rest aus.

Zwei- und drei- und mehrmals wechselten wir also den Becher untereinander.

Bald war mir der Wein zu Kopfe gestiegen. Geist und Körper sehnten sich mit gleicher Ungeduld nach der Liebe süßen Spiel. Aus Übermaß von Mutwillen und brünstigem Verlangen schlug ich endlich meinen Rock zurück und zeigte meiner Fotis meinen leidlichen Zustand.

»Erbarme dich«, sagt’ ich, »und hilf mir beizeiten! Du siehst, ich bin ganz fertig, den Kampf ohne Gnade zu kämpfen, wozu du mich aufgefordert hast. Sobald ich Amors ersten Pfeil tief im Innern fühlte, spannte ich gleich aus voller Kraft meinen Bogen, daß Horn und Sehne springen möchten. Allein, willst du mir ganz meine Wünsche gestatten, so löse dein Haar, daß es dich frei umwalle, und überlaß dich also meiner Umarmung.«

Ohne Verzug werden Speisen und Geräte beiseitegeschafft und, aller Kleidung entblößt, die Haare entfesselt zur süßen Lust, steht Fotis da, wie Venus, die des Meeres Fluten entsteigt und lügenhaftzüchtig ihren marmornen Schoß, mit rosiger Rechten beschattet, nicht deckt.

»Auf denn«, ruft sie, »zum Kampf! Mutig zum Kampfe! Ich halte dir stand und weiche nicht. Zeige, daß du ein Mann bist, sei tapfer und stirb tötend; denn heute gibt’s keinen Pardon!«

Mit den Worten ist sie in meinem Bette, sitzt rittlings auf mir, und schäkernd läßt sie ihr reges Kreuz so lange spielen, bis unser Vergnügen den Gipfel erreicht, die Sinne uns übergehen und, in gegenseitiger Umarmung die Seele aushauchend, wir beide hinsinken.

Unter diesen und ähnlichen Kämpfen durchwachten wir die Nacht bis nahe an den Morgen. Frische Becher stärkten von Zeit zu Zeit die ermatteten Kräfte, reizten die Begierden wieder und erneuerten das Gefühl der Wollust.

Noch manche Nacht verfloß uns nach diesem Muster.

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19

Berühmte Prophetin, der die Sibyllinischen Bücher zugeschrieben werden.

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20

Chaldäer wurden bei den Alten alle Nativitätssteller genannt, sie mochten sein, woher sie wollten.

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21

Apuleius hat sich einer Nachlässigkeit schuldig gemacht, daß er hier mit einmal einen Bedienten auftreten läßt, dessen er doch vorn bei der umständlichen Beschreibung des Auszugs des Lucius mit keinem Worte erwähnt hat. Im II. Buche spricht er gar von mehreren Bedienten, die bei desselben Verwandlung in Thessalien (das er dessen Vaterland nennt) zurückgeblieben wären.